Ort: Parc del Fòrum, Barcelona
Bands: Julie Byrne, Cat Power, Waxahatchee, The Hard Quartet, Zaho de Sagazan, Stereolab, TV on the Radio, Sabrina Carpenter

Primavera Sound Festival – Barcelona, 06.06.2025

An diesem Freitag steht ein sehr abwechslungsreiches und interessantes Bandprogramm auf meinem Zettel. Ich plane, acht Künstler*innen in den nächsten Stunden anzuschauen, einige davon habe ich noch nie gesehen. Ich bin gespannt und neugierig, es wird aber großartig. Erneut beginne ich in der Stadt und nicht auf dem ehemaligen Expo Gelände. Im Sala Apolo spielt um 14 Uhr Julie Byrne und sie eröffnet damit meine Mittagsmatinee an diesem Freitag.

Julie Byrne ist eine amerikanische Singersongwriterin, die traditionelle amerikanische Folkmusik macht. Das passt natürlich hervorragend zum anschließenden Cat Power Konzert, das würde aber auch grundsätzlich passen. Drei Alben hat die New Yorkerin (aus dem Bundesstaat) veröffentlicht, über das aktuelle The greater wings lese ich bei Plattentests.de:

Man mag auf den zehn Stücken musikalische Referenzpunkte abhaken, schließlich grüßen Künstlerinnen wie Sharon Van Etten, Angel Olsen oder Sophie Hunger applaudierend vom Wegesrand. Man muss aber auch festhalten: Julie Byrne hat ihren eigenen Ton gefunden und mit dem dritten Album den unwiderstehlichen Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens eingespielt.

Ja, musikalisch ist das keine Neuerfindung, die die drei Musikerinnen, Julie Byrne hat zwei weitere Gitarrist*innen mit ins Sala Apolo gebracht, abliefern. Aber das muss es auch nicht immer sein. Manchmal reichen auch schöne Songs und Melodien, und die hat Julie Byrne ohne Zweifel. Das sehe nicht nur ich so. Ein sehr gut gefülltes Sala Apolo kann ich da durchaus als Beleg anführen. Zum Abschluss covern sie noch Mazzy Star. Das passt.

Julie Byrne - Primavera Sound Festival Barcelona, 06.06.2025

Cat Power sings Dylan. Ein Konzertreihe, die ich bestimmt schon seit einem Jahr in Konzertankündigungen lese. Chan Marshall und Band touren mit diesem Projekt schon einige Zeit um die Welt. Nun gelingt es mir endlich, das mal zu sehen. Obwohl, um ehrlich zu sein, hatte ich mich nie ernsthaft um einen Konzertbesuch (möglich gewesen wäre z. B. Dortmund) bemüht. Ich bin zwar großer Cat Power Fan aber kein großer Dylan Fan, daher interessierte mich dieses Projekt nicht sonderlich. Doch im Rahmen des Primavera Sound nehme ich das dankend mit. Und was mir direkt nach den ersten Tönen auffällt ist, dass das passt. Chan Marshalls Stimme und Bob Dylans Musik, das wirkt authentisch, das wirkt gut, das wirkt nicht künstlich herbeigeführt oder gar erzwungen. Die Band bleibt nah am Originalsound, interpretiert nur sehr wenig. Auch dies ein Pluspunkt. Da ich allerdings kaum einen Song kenne, weiß ich sicherlich nicht alles bis ins Kleinste richtig wertzuschätzen und verstehe auch manchen Applaus auf offener Bühne eher nicht. Gemütlich sitze ich fast über der Bühne in der ersten Etage. Hach, es ist schön hier. Das Paral.lel 62 ist schon ein toller Club.

Die Nachmittagssession hat mal wieder etwas länger gedauert. Schaffe ich es noch rechtzeitig zu Waxahatchee in den Parc del Fòrum? Es wird knapp, auch weil die Einlasskontrollen enorm penibel sind. Das ist mir gestern auch schon aufgefallen. Anders als in den Jahren zuvor wird genauer und gründlicher kontrolliert. Ein flapsiges durchgewunken werden, wenn man seine geöffnete Tasche nur vorzeigt, ist 2025 nicht drin.

Waxahatchee - Primavera Sound Festival Barcelona, 06.06.2025

Zum zweiten Song stehe ich vor der Cupra Bühne und denke sofort, ‘Mannmannmann, diese Band, diese Katie Crutchfield, ihre Songs werden von Livekonzert zu Livekonzert immer schöner.‘ Ich brauche keine Anlaufzeit, um in ihrem Konzert zu sein. Tatsächlich ist es wie bei meinem Waxahatchee Konzert im Gebäude 9 vor einigen Monaten: Verliebtsein auf den ersten Blick. Ich empfehle wirklich jedem Tigers Blood, das immer noch aktuelle Waxahatchee Album. Dass traditionelle amerikanische Gitarrenmusik derzeit einen kleinen Hype erfährt, merkt und sieht sicherlich jeder, der sich für zeitgenössische Musik interessiert. An diesem frühen Abend merke ich es auch am Jubel der Leute, als MJ Lenderman – der neue Posterboy der Szene – für einen Kurzauftritt von zwei Songs die Bühne betritt. MJ Lenderman wird hier morgen Abend an gleicher Stelle sein Set spielen, jetzt unterstützt er Katie Crutchfield gesanglich bei den beiden Songs „Right back to it“ and „Burns out at midnight“. Und das passt sowas von! Zuvor spielten Waxahatchee ein Plains Cover. Plains ist das eine-Album-Projekt von Katie Crutchfield und Jess Williamson, das sich schwerpunktmäßig dem Country widmet. Ach, das Konzert ist toll und stimmt mich gut auf den Abend ein. Vielleicht das Konzert des Festivals.

Mit traditionellem Indierock geht es gegenüber weiter. The Hard Quartet spielen vor ziemlich vielen Leuten und vor einigen Menschen, die ich schon beim Waxahatchee Gig gesehen habe. Nun, das passt auch thematisch und sicher sehe ich die gleichen Leute später bei Stereolab und morgen bei Alan Sparhawk.

The hard quartet - Primavera Sound Festival Barcelona, 06.06.2025

The Hard Quartet wurde in den letzten Wochen in den sozialen Medien ja ordentlich gepusht. Die als Supergroup titulierte Band hat im letzten Jahr ihr selbstbetiteltes erstes Album veröffentlicht. Und seitdem brennt die 90s Indierock Community vollends. ‘Das Album vereint die Stärken von Malkmus, Sweeney, Kelly und White, oszilliert zwischen sonnigem Slacker-Rock und Noise-Experimenten und dürfte alle mit einem Faible für die goldene Ära des US-Indierock begeistern’, lese ich im Netz und ‘15 Songs in 52 Minuten, nur Gewinner, kein Füllmaterial. Ein Fest für alle, die krachend, jaulende, sich duellierende und gegenseitig umgarnende Gitarren lieben.’
The Hard Quartett nennen Musikexperten eine Supergroup, weil Stephen Malkmus, Matt Sweeney, Emmett Kelly und Jim White vier Musiker sind, die mit vielen Größen des Indierocks verbunden werden: Pavement, Chavez, Ty Segall, Bonnie Prince Billy (alle vier haben schon mit Will Oldham Songs zusammengebaut), Guided by Voices, Cat Power, Dirty Three oder Bill Callahan. Die Frage, ob diese Aufzählung vollständig ist, erübrigt sich. Sie ist es nicht.
So spektakulär die Musikernamen, so vielversprechend die Albumrezensionen, ich höre und sehe hier ganz normalen US-Indierock. Schön anzuhören, keine Frage, aber eben auch relativ unspektakulär. Am interessantesten ist für mich noch Schlagzeuger Jim White. Er sitzt hinter seinem Instrument und sieht dabei so lässig souverän aus wie ein höherrangiges Mitglied der Sopranos Familie. Nein, das Konzert von The Hard Quartet reicht mir nicht, um die Band im Juni unbedingt nochmal im Clubambiente sehen zu wollen. ‘We have to play 10 more minutes’, sagt Stephen Malkmus gegen Ende des Konzertes zu seinen Kollegen, nachdem ihm ein Bühnenverantwortlicher einen Fingerzeig gegeben hatte. Es klingt ernüchternd, es klingt wie eine Strafe. 

Zaho de Sagazan - Primavera Sound Festival Barcelona, 06.06.2025

Ich bleibe natürlich bis zum Schluss und schlendere dann wieder zurück zur Cupra Stage. Das französische Wunderkind Zaho de Sagazan wird hier gleich auftreten. Ich habe mich dazu entschieden, das Konzert von den Stufen aus sitzend zu beobachten. Mindestens drei Stunden liegen noch vor mir, und ein paar viele Konzertstunden schon hinter mir. Ich benötige eine kleine Pause, auch um die Sandwiches endlich mal zu essen, die seit heute Nachmittag in meiner Tasche rumlungern. Zaho de Sagazan hat in den letzten 10 Monaten einen rasanten Aufstieg hinter sich. Im Frühjahr verkaufte sie nicht nur das Palladium aus, sie spielte durchweg in ausverkauften 5000er Hallen. Im letzten Spätsommer empfahl mir mein belgischer Konzertspezi ihr Konzert im Kölner Yard Club in der Kantine. Das war – und da hatte er echt – definitiv die letzte Chance, sie live in kleinem Rahmen zu erleben. Musikalisch liegt sie irgendwo zwischen French-Pop und Elektrodisco, zwischen Coralie Clément und Air in der Stampfdisco Variante. Das ist erstmal nicht besonders aufregend. Spannender ist da schon diese sagenhafte Bühnenpräsenz und Ausstrahlung, die Zaho de Sagazan umgibt. Nach ein paar Minuten Anlaufphase fressen ihr die Leute aus der Hand. Wie sie das macht, keine Ahnung. Aber sie schafft das. Ich sitze hinten auf den Treppenstufen, und selbst hier spüre ich das menschenfischende Wesen der Französin. Es ist ein sehr beeindruckendes Konzert.

Mein Konzertleben spielt sich an diesem Tag im Parc del Fòrum scheinbar vor zwei Bühnen ab. Also von der Cupra wieder zurück zur Amazon Bühne, der drittgrößten des Festivals. Stereolab are next. Die Band um Sängerin Lætitia Sadier und Gitarrist Tim Gane schließt meinen heutigen Reigen an Gitarren- und Indiebands. Irgendwer sagte letztens, auf dem Primavera würden ja gar keine richtigen Gitarrenbands mehr spielen. das ist – mit Verlaub – Unsinn. Als Beleg gilt mein heutiger Konzerttag. Stereolab machen das natürlich gut, aber zeitweise sind mir ihre Songs heute zu langatmig. Ich komme nicht richtig rein und das Konzert wird anstrengend. Nichtsdestotrotz bleibe ich bis zum Schluss, aber auch “French Disco” reißt es am Ende nicht mehr ganz heraus. Da mir das auch schon bei früheren Stereolab Konzerten so oder so ähnlich erging, fühle ich mich nach diesem Konzert irgendwie bestätigt: Stereolab sind hochspannend, aber wir liegen nicht ganz 100% auf einer Wellenlänge.

Und was kommt als nächstes? Natürlich wieder die Cupra Stage und TV on the Radio. Lang ersehnt und freudig erwartet. Ach, und es bleibt ein Festivaltag der kurzen Wege.

TV on the Radio - Primavera Sound Festival Barcelona, 06.06.2025

Seitdem ich erstmals den Namen TV on the Radio auf dem Plakat zum Primavera Sound 2025 entdeckt habe, freute ich mich auf dieses Konzert. Mensch, wie lange ist es her, dass ich die Band nicht mehr gesehen habe? Ein Jahrzehnt? Sicherlich. Dabei bin ich Fan. Ich liebe ihre Alben Return to Cookie Mountain (2006) oder Dear Science (2008). Ihre Songs sind so treibend und schwitzend, das war in den 2000er Jahren einzigartig. Irgendwo zwischen Post-Punk und Indie-Soul-Rock. Welthits wie „Wolf like me“ oder „Happy idiot“ überlebten ihre Zeit, aber irgendwann waren TV on the Radio weg.
Doch was ist passiert, dass TV on the Radio wieder Konzerte geben? Neue Musik, irgendein Jubiläum? Nun, tatsächlich lese ich nun, dass TV on the Radio Ende letzten Jahres Konzerte zu ihrem ersten Album (20 Jahre Veröffentlichungsjubiläum) in den Staaten und Konzerte in London gespielt haben. 12 Auftritte oder so insgesamt. Die ersten seit vielen Jahren. In der Primavera Ankündigung steht zu TV on the Radio:

Although they haven’t technically broken up, the band formed by Tunde Adebimpe, Kyp Malone, Dave Sitek and Jaleel Bunton haven’t released a new album since Seeds, in 2014, and their public appearances have been very limited since then. Now, on the occasion of the 20th anniversary of their debut album, Desperate Youth, Blood Thirsty Babes they are back on the road on top form as ever (although this time, they have announced, without Sitek).

Damit ist auch alles Wichtige gesagt. Geschichten über die Band sind sehr kalter Kaffee, weil sie eben lange nicht mehr präsent waren. Auch in Barcelona spielen sie ohne ihren alten Gitarristen Dave Sitek. Kyp Malone ist jedoch dabei. Tunde Adebimpe auch. Das sind die verbliebenen TV on the Radio Urgesteine. Neue Songs haben sie nicht, aber Tunde Adebimpe hat gerade erst eine Soloplatte gemacht, Thee Black Boltz. Kennt das jemand? Ich (noch) nicht. Manchmal ist es ja so, dass diese Art von Konzerten (Band lange nicht gesehen, Band mal sehr wichtig) 20 Jahre später sehr altbacken und wenig spannend wirken. Bei TV on the Radio habe ich das Gefühl keine Sekunde lang. Es wundert mich selbst ein wenig, dass mir ein Song wie “Wolf like me” 2025 nach ein paar Sekunden nicht wie-aus-der-Zeit gelaufen vorkommt. Grundsätzlich liefert die Band einen sehr wuchtigen energetischen Auftritt. Wenn dies mein letztes TV on the Radio Konzert gewesen sein sollte (was durchaus sehr realistisch ist), dann war es ein gutes letztes Konzert.

Und dann breche ich doch noch mit der Tagestradition und gehe zu den beiden großen Bühnen. Sabrina Carpenter möchte ich mir nicht entgehen lassen. Ich möchte doch später mal mitreden und in Gesprächen so ganz nebenbei sagen können, ‘jaja, Sabrina Carpenter habe ich übrigens schon live gesehen.’ Allerdings müsste ich dann leider folgendes erzählen: Das war ein schwaches Konzert. Ich hatte mir mehr erhofft. Aber die 30 Minuten, in denen ich das Konzert verfolge, spielt Sabrina Carpenter sehr wenig und erzählt sehr viel. „Espresso“ möchte ich gerne hören, stattdessen höre ich das Cover „It’s raining men“ von The weather girls. „Espresso“ spielt Sabrina Carpenter erst als letzten Song, lese ich am Morgen danach. Da bin ich schon auf dem Weg ins Hotel, denn irgendwann nach der gefühlt 10. Endlosshoweinlage habe ich keine Lust und gehe.

Sabrina Carpenter covert The Weather Girls beim Primavera Sound 2025.

Frank (@spiralstairs.bsky.social) 2025-06-18T17:55:53.353Z

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