Ort: Der Parc del Fòrum, Barcelona
„Feels like we only go backwards“, „New person, same old mistakes“, „Apocalypse dreams“, „Borderline“. Tame Impala Songs lesen sich wie eine Psychoanalyse. Ich fühle mich befremdlich, irritiert und auch begeistert. Wir sitzen auf dem großem Festivalplatz und lauschen den letzten Songs des Tame Impala Konzertes. Der Tag war lang, der Tag ist nun vorbei. Er war gut!
So beschrieb ich meine Eindrücke nach der letzten Band des letzten Primavera Sound Festivals. Das war 2019, es war mein 10. Primavera Sound Festival und ich dachte, …..nichts.
Oder vielleicht dachte ich, bis nächstes Jahr. Denn just hatten die Macher als erste Band für das Primavera Sound 2020 Pavement bekanntgegeben. Und Pavement sieht man nicht alle Tage.
Doch dann kam bekanntlich alles anderes und wir flogen nicht nach Barcelona, sondern ich fing stattdessen an, diesen Artikel zu schreiben. Eine heimliche Liebeserklärung an das Primavera Sound Festival.
Nachdem 2019 Pavement als erste Festivalband für das Primavera Sound 2020 bestätigt wurden, konnte ich mich sehr schnell damit anfreunden, dass mein 10. Primavera Sound Festival nicht mein letztes Primavera Festival gewesen sein sollte. Tickets, Flug, Hotel, mittlerweile Routinebuchungen für Ende Mai/Anfang Juni, waren schnell gemacht und im Herbst war die Vorfreude auf den nächsten Mai schon riesengroß. Wohlgemerkt auf den Mai 2020. Wäre das Pavement Konzert nicht eine perfekte Klammer, um nach elf Jahren mit dem Primaverakram aufzuhören? Wäre das nicht ein gutes Finale einer tollen ersten Staffel? Pavement waren der Grund, erstmals 2010 nach Barcelona zu fahren und sie könnten mein Grund sein, noch ein letztes Mal hierhin zu kommen. Um endlich Ende Mai etwas Anderes machen zu können.
Aber mit diesen Gedanken beschäftige ich mich später ernsthafter, jetzt möchte ich erst den Bericht, den ich vor einem Jahr begann zu schreiben, zu einem Ende bringen.
Also, ein Jahr zuvor, Mai 2020.
Als das Primavera kurzfristig auf September 2020 verschoben wurde, kam mir die Idee, meine ersten 10 Jahre Primavera in einem Bericht zusammenzufassen. Ich hatte ja Zeit und keine anderen Ablenkungen vor mir, so dass ich damit anfing, mein digitales Barcelona Archiv ein wenig aufzuräumen. Fotos, ein paar Filmchen und immer wieder die Frage: 10 Jahre Barcelona, wie konnte das eigentlich passieren? Die Antwort war und ist simpel: Wenn man fünf Tage nach der letzten Festivalband und noch unter dem immer schönen Eindruck des vergangenen Festivals stehend ein Ticket für das nächste Jahr im earliest bird Verkauf erwirbt, passiert das eben. Und da ich zehnmal in Folge das Gefühl hatte, nächstes Jahr wieder hierhin zu fahren, passierten eben 10 Primavera Sound Festivalbesuche.
Am ersten Besuch 2010, und damit zum Auslöser des Ganzen, tragen Pavement eine gehörige Mitschuld. Was? Wieso? Warum? Kurz erklärt:
2009 kündigten Pavement vier Reunionkonzerte für den September 2020 im New Yorker Central Park an. Soweit, so gut. Die Idee, eines (oder zwei) der Konzerte zu besuchen, wurde relativ schnell konkret. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich gegebenenfalls später mal erzählen kann. Barcelona kam ins Spiel, als sich aus den vier Reunionkonzerten eine Reunionwelttournee entwickelte, an deren Ende die eigentlichen Reunionkonzerte standen. Und es ist doch klar, dass ich, wenn ich schon das Reunionkonzert besuchen wollte, auch die pre-Reunionkonzert Tour besuche. Lange bevor dann Konzerte in Berlin (näher), Brüssel (noch näher) oder Nijmegen (auch nah) die Liste füllten, stand das Primavera Sound Festival auf dem Pavement’schen Tourplan. Barcelona? Da war ich noch nicht. Und Gegenargumente fielen mir absolut keine ein. Immerhin ist es näher als New York (wo ich später auch war) und spannender als die von mir schon besuchten Berlin, Brüssel und Nijmegen. Und überhaupt! Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass sich Pavement nach ihrer Auflösung noch einmal zusammentun würden. Wann habe ich sie das letzte Mal live gesehen? Es muss im Theater am Rudolfsplatz in Köln gewesen sein. Vor einem Jahrzehnt.
Dass sie es doch taten war für mich der Startschuss für eine andauernde Primavera Sound Verbindung, die 2020 in seine 11. Auflage hätte gehen sollen. Bekanntermaßen wurde das verhindert. Nachdem auch der Septembertermin 2020 abgesagt wurde, blieb mir noch mehr Zeit, meinen ‘10 Jahre Primavera Sound Festival’ Bericht fertigzustellen. Allerdings schludderte ich und kam nicht so richtig aus den Puschen. In diesen Tagen nun ist die Facebook Erinnerung voll von Barcelona Fotos und ja, es ist an der Zeit, den an den Bericht zu schreiben und zurückzublicken.
Nach 2010 zum Beispiel, dem Jahr, in dem ich erstmals Barcelona besuchte. Und in all die anderen Jahre. Himmel, da ist einiges passiert. Wie viele Konzerte habe ich gesehen? (Spoiler: ca. 300). Wie viele Kilometer bin ich gelaufen? Wie viele Stunden habe ich gewartet, wie oft saß ich auf den Stufen vor der Ray Ban Bühne (die über die Jahre ihren Namen nie geändert hat)? Wie oft stand ich unter dem Solarsegel im Parc del Fòrum und ließ meinen Blick über Mittelmeer und Festivalgelände schweifen? Wie oft harrte ich in der Schlange vor dem Auditori?
Es gibt einiges zu berichten und aufzuarbeiten.
Bühnennamen kamen und gingen, nur die Ray Ban Bühne blieb die Ray Ban Bühne.
Die auffälligste Veränderung über die Jahre ist – irgendwie logisch – die Größenzunahme des Festivals. Zeitlich als auch räumlich. Über eine ganze Woche verteilt gibt es mittlerweile in den Klubs der Stadt Konzerte, die man mit dem Festivalticket in der Hand besuchen kann. 2010, soweit ich mich erinnere, beschränkte sich das auf den Sonntag. 2019 sah der Fahrplan von Montag bis Sonntag Konzerte im Sala Apolo und anderswo vor.
Doch zurück zum eigentlichen Festivalgelände: Der Parc del Fòrum ist ein öffentliches Gelände direkt am Mittelmeer. Zum Kerngebiet gehört ein großer betonierter Platz sowie ein atriumähnlicher Platz mit Steinstufen. 2004 wurde der Park gebaut, markantes architektonisches Landmark ist ein großes Solarsegel. Auf diesem Kerngebiet fand 2010 mein erstes Primavera Sound Festival statt. In den nächsten Jahren erweiterte sich das Gelände um Areale im Süden und später im Norden des Parc del Fòrum. Die Folge war, ich musste mehr Meter laufen, um von A nach B zu kommen. Und ich musste mehr Zeit einplanen. Auch wichtig: Getränkekäufe konnten nicht mehr mal eben so nebenbei getätigt werden. Dazu war es schlicht zu voll und die Wege zu weit.
Parc del Fòrum 2019 Parc del Fòrum 2018 Parc del Fòrum 2017 Parc del Fòrum 2016 Parc del Fòrum 2015 Parc del Fòrum 2014 Parc del Fòrum 2013 Parc del Fòrum 2012 Parc del Fòrum 2011 Parc del Fòrum 2010
2014 habe ich versucht, meinen Festivalaufenthalt mithilfe von GPS Daten aufzuzeichnen. Es ist mir leider nur teilweise gelungen, der Akku und mein Mobiltelefon wollten nicht so wie ich es mir vorstellte. Das Ergebnis steht in diesem Blogartikel:
Link: GPS-Tracking eines Festivalbesuches
Den größten Sprung machte das Gelände 2013/2014, als am anderen Ende des Festivalgeländes dieser riesengroße Schotterplatz im Lageplan auftauchte, an dessen Enden die beiden Hauptbühnen standen. Später wurde der Schotter mit Kunstrasen belegt, was das Sitzen angenehmer machte. Das Festival teilte sich nun räumlich in Bereiche. Ich nannte sie den Headlinerbereich (= Schotterplatz), den ich oft erst um Mitternacht aufsuchte oder wenn Solange spielte, und in den Indiebereich (= Gebiet des 2011er Primaveras), der zu meiner bevorzugten Spielwiese wurde. Den Elektrodancebereich hinter dem Yachthafen (ab 2017 im Programm) besuchte ich bisher nicht.
Das 2013 auf dem Gelände installierte Riesenrad betrat ich ebenso wenig wie 2018 den Mango Pop-Up Store und 2019 den Polar Bear Laden.
Neben den Außenbühnen spielte das ebenfalls am Gelände beheimatete Auditori immer eine Rolle in meinen Festivalplanungen. Das Auditori ist Teil des Barcelona International Convention Centre, das am Rande des Parc del Fòrum liegt. In diesem großen Konzertsaal mit 3000 Plätzen finden die ruhigen, etwas besonderen Konzerte statt. Spiritualized (okay, nicht wirklich ruhig) spielten hier mit Orchester, The Magnetic Fields an zwei Abenden zwei komplett unterschiedliche Sets. Auch Colin Stetson und Mercury Rev sah ich im Auditori.
Doch das Primavera Sound ist nicht nur das Gelände am Parc del Fòrum. Mittwochs und am Wochenende gab und gibt es frei zugängliche Konzerte in den Parks der Stadt. Bespielt wurden der Park am Arc de Triomphe, der Parc Central del Poblenou, der Parc de la Ciutadella oder der Jardín Botánico, wo ich 2011 allerdings Echo and the Bunnyman verpasste, weil es zu voll war, um noch Einlass zu bekommen. Am schönsten fand ich die ersten Parkkonzerte im Parc Central del Poblenou. Die waren gemütlich, gar beschaulich.
Seit einigen Jahren gibt es keine Parkkonzerte mehr. Stattdessen wurde quasi ein zweiter Festivalstandort im Innenhof des CCCB installiert, in dem am verlängerten Primavera-Wochenende für alle kostenfrei Bands auftreten. Das CCCB ist das Centre de Cultura Contemporània de Barcelona, es liegt nur ein paar Blocks von der großen Rambla entfernt mitten im Zentrum von Barcelona.
Parc Central del Poblenou CCCB
Das mittwöchliche Eröffnungskonzert findet seit 2013 auf dem Gelände des Parc del Fòrum statt. Anfangs vor der Ray Ban Bühne, später dann vor der nächst größeren Bühne (2014 war das die Primavera Stage). Eine Maßnahme, die wohl dem großen Andrang geschuldet wurde.
Im Laufe der Jahre wurde der Mittwoch fester Bestandteil meiner Barcelonaausflüge. Und die Bands immer größer…herausragend für mich der Auftritt von Spiritualized im Auditori samt Orchester.
Mein Mittwochsüberblick:
2010 | – | ||
2011 | Echo and the Bunnymen (geplant) | ||
2012 | Jeremy Jay | The wedding present | |
2013 | The Vaccines | ||
2014 | Sky Ferreira | Holy Ghost | |
2015 | Cinerama | Albert Hammond jr | OMD |
2016 | Goat | Suede | |
2017 | Dancefloor Meditations | St. Etienne | |
2018 | Spiritualized with Orchestra | Belle & Sebastian | |
2019 | Hatchie | Big red machine |
2014 kam eine weitere Neuerung dazu. Die sogenannte Hidden Stage. Die war nur diesbezüglich hidden, dass sie im Erdgeschoss des Parc del Fòrum (normalerweise das Parkhaus) aufgebaut war. Exklusiv war sie, weil man im Vorfeld ein bisschen darauf achten musste, ab wann und wo man Tickets für diese kleine Bühne im Unterdeck des ergattern konnte. Meistens war das um 14 Uhr nachmittags an irgendeinem Büdchen auf dem Festivalgelände der Fall. Total blöd, weil man extra dafür raus zum Parc del Fòrum musste. Konzerte waren erst ab 17.00, 18.00 Uhr, das brachte also den ganzen tagesplan durcheinander. Dennoch sah ich einige tolle Konzerte auf der Hidden Stage: Bob Mould und Lee Ranaldo nenne ich dabei an erster Stelle, Thurston Moore und Jarvis Cocker folgen dicht dahinter.
Symptomatisch, dass die Hidden Stage in den nächsten 5 Jahren so unhidden wurde, dass sie sich 2019 gegenüber der drittgrößten Bühne oberirdisch auf dem Festivalgelände wiederfand. Einlasstickets brauchte man auch keine mehr, man musste nur rechtzeitig vor Ort sein, um unter den ersten 500 Leuten (mehr wurden nicht vor die Bühne gelassen) zu sein. Dann war alles gut. So wie 2018 bei Belly. 2019 war dann gar nichts mehr hidden. Stattdessen wurde die Bühne als reguläre Spielfläche in das Festival integriert.
Musikalisch wurde das Primavera in den letzten 10 Jahren vielschichtiger und abwechslungsreicher, blieb dabei aber immer qualitativ hochwertig. Ein Spagat, den nicht viele Veranstaltungen schaffen, die Macher des Primavera haben das über die Jahre sehr gut hinbekommen. Also nicht Masse statt Klasse, sondern nur immer mehr Klasse. Hip-Hop mischte sich unter die Indiebands, später Elektro und Pop.
2010 war das Primavera Sound ein Indiefestival auf fünf Bühnen; 2019 ein Multimusikstil Festival mit 3 riesengroßen Bühnen und vielen kleineren Bühnen. Mittlerweile bedeuten die drei Worte Primavera Sound Festival für mich Konzerte an 6 Tagen. Und das nicht allein im Parc del Fòrum.
Dass das Primavera so groß geworden ist, hat mich nie gestört. Im Gegenteil, so konnte ich abseits der üblichen Indiebands auch Musiker*innen sehen, die ich sonst nie gesehen hätte. Miley Cyrus, NAS oder Brian Wilson zum Beispiel; und erst durch ihr Primaverakonzert wurde ich zum Solange Fan.
Ich kann aber beim besten Willen nicht alle Konzerte aufzählen, die mich beeindruckt haben. Es waren einfach zu viele. Überragend und unvergesslich waren dagegen nur wenige. Ich müsste lügen, wenn es anders wäre. Allen voran Pavement, das ist logisch. Aber auch Sufjan Stevens im Auditori, The xx auf der Ray Ban 2010, 2019 Suede auf der Ray Ban, The Sea and Cake auf der ATP Bühne, Perfume Genius auf der Pitchfork Stage. Solange hatte ich ja bereits erwähnt. Fehlen darf auch der 5-stündige The Cure Auftritt nicht, den ich zwischendurch für ein anderes Konzert verlassen hatte.
Neben unvergesslichen Konzerten gibt es auch die anderen Konzerte, die im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten sind: Sharon van Etten zum Beispiel, oder Coco Rosie und Male Bonding. Auch an Yo la tengo habe ich nur schwache Erinnerungen. Blöderweise – weil eigentlich uneingeschränkte must-see Konzerte – zählen dazu auch die Auftritte von The Fall, Television, Pet Shop Boys und Florence and the Machine.
In den letzten Jahren reizte es mich immer mehr, andere Musik kennenzulernen. Der ganze HipHop Kram zum Beispiel, der mir geboten wurde, gehört dazu. NAS, Loyle Carner, der Wu-Tang Clan und Das Racist fallen mir da spontan ein. Miley Cyrus und Chet Faker brachten mehr Mainstream Pop in mein Festivalleben und, anderes Beispiel, Thundercat, Colin Stetson, Boredoms und Tortoise mehr Jazz. Vergessen darf ich natürlich nicht Brian Wilson, Bridget St. John und Jane Birkin, die mich mit ihren Klassiker begeisterten.
Bands aus 10 Jahren Primavera Sound Festival:
In Summe sah ich ca. 300 Konzerte, machte 31 GB an Fotos und gab bestimmt ein kleines Vermögen für Flüge und Übernachtungen aus.
Natürlich sieht man innerhalb von 10 Jahren Bands auch mehrmals. Bei meiner Auswertung stellte ich jedoch fest, dass ich gar nicht so viele Triple-Belegungen habe wie gedacht. Gefühlt war ich über die Jahre der Meinung, jedes zweite Jahr Interpol oder Arcade Fire oder Pulp oder Suede gesehen zu haben. Da trug mein Gefühl ganz gewaltig.
Meine Mehrfachkonzertliste in alphabethischer Reihenfolge:
Arcade Fire | 2014 | 2017 | ||||||||
Bob Mould | 2013 | 2016 | ||||||||
Car Seat Headrest | 2016 | 2018 | ||||||||
Dinosaur Jr. | 2013 | 2016 | ||||||||
Grizzly Bear | 2010 | 2013 | 2018 | |||||||
James Blake | 2011 | 2013 | ||||||||
Japandroids | 2010 | 2012 | ||||||||
Julien Baker | 2016 | 2019 | ||||||||
Kelela | 2015 | 2018 | ||||||||
Lee Ranaldo | 2014 | 2016 | ||||||||
Low | 2011 | 2019 | ||||||||
Metronomy | 2014 | 2017 | ||||||||
Real Estate | 2012 | 2014 | ||||||||
Ride | 2015 | 2018 | ||||||||
Saint Etienne | 2012 | 2017 | ||||||||
Shellac | 2018 | 2019 | ||||||||
Sleaford Mods | 2015 | 2017 | ||||||||
Solange | 2017 | 2019 | ||||||||
Spiritualized | 2015 | 2018 | ||||||||
Suede | 2016 | 2019 | ||||||||
Swans | 2011 | 2013 | 2017 | |||||||
The Afghan Whigs | 2012 | 2017 | ||||||||
The sea and cake | 2013 | 2018 | ||||||||
The xx | 2010 | 2012 | 2017 | |||||||
Warpaint | 2011 | 2014 |
Am meisten gebucht wurden übrigens Shellac – seit 2010 jedes Jahr dabei -, ich habe sie nur nicht jedes Jahr gesehen. Erst in den letzten beiden Jahren bot sich Zeit, Gelegenheit und Lust.
Oft kam es auch vor, dass Bands an den Festivaltagen mehr als einmal auftraten: auf einer der Bühnen, in einem Promozelt, nachmittags im Park, nachts in einem Club, undsoweiterundsoweiter. Eine dieser Bands neben vielen anderen war die amerikanische Band Merchandise. Ich erinnere mich gut, ihre elegischen Songs fand und finde ich völlig irre. Sie sah ich bei einem Primavera mit Abstand am häufigsten. Viermal (Ray-Ban Zelt, Sala Apollo, Parc de la Ciutadella, ATP Bühne) spielten Merchandise auf dem 2013er Primavera, dreimal sah ich sie. Leider hat die Band aus Tuscon seither nicht mehr viel von sich hören lassen. (PS: Ich stand direkt neben der Filmerin und habe sie für ihr Durchhaltevermögen sehr bewundert.)
Aber es gab auch Bands, die ich nie sah, weil sie nicht gebucht wurden. Die Eels zum Beispiel würde ich zu gerne im Auditori erleben.
Apropos, das Auditori ist ein Saal der besonderen Konzerte und Augenblicke. Was habe ich mich in den gemütlichen Sitzen des Saals gefläzt, mich vom vielen Stehen und Gedränge draußen erholt. Und vor allem: was habe ich hier für schöne Konzerte gesehen. Sufjan Stevens, Spiritualized, Mercury Rev, The Magnetic Fields. Leider verpasste ich 2015 Sun Kil Moon.
Seit drei Jahren hat sich eine gewisse Barcelonagelassenheit bei mir eingestellt. Trotz mehr Bands, mehr Bühnen und mehr Menschen genieße ich die Festivaltage enorm. Angefangen beim Frühstück bis hin zu den nächtlichen Erholungsphasen auf den Stufen an der Ray Ban Bühne oder weit hinten auf der Rampe vor der drittgrößten Bühne, die früher mal San Miguel Bühne hieß und deren Name von Jahr zu Jahr wechselt. Leider vergesse ich da, dass ich meine Schuhe lieber nicht ausziehen sollte, um meine Füße zu kühlen. So nahm ich in den letzten drei Jahren jedes Mal geschwollene Fußknöchel mit nach Hause, blutsüchtigen Insekten sei Dank.
Der halbstündige Fußweg zum Hotel ist zwar immer noch anstrengend, aber ich habe mich an ihn gewöhnt. Genauso wie an die kleinen Wasserflaschen, die man – im geöffneten Zustand – mit auf das Gelände nehmen darf und an die Bocadillos aus dem Carrefour des Diagonal Einkaufszentrums.
Ich muss nicht mehr jede Band sehen, aber ich bin manchmal trotzdem nachmittags unter den ersten Besuchern, um diese (noch) kleine Band im gleißenden Sonnenlicht auf der viel zu großen Bühne spielen zu sehen. Oder die nie groß gewordene Band, die eigentlich nachmittags um fünf Uhr in der Sonne nicht funktioniert (Disappears). Und ich fahr trotz aller Zeithetze nachts in den Sala Apollo, um auf diese eine Band zu warten.
All das wird von Jahr zu Jahr anstrengender. Aber es macht mir immer noch einen Riesenspaß, mir vier, fünf Tage en bloc die Nächte um die Ohren zu schlagen, stundenlang auf hartem Asphaltboden zu stehen, nachts im Apollo abzuhängen, Barcelona zu besichtigen und das frühsommerliche Wetter zu genießen.
2010 schrieb ich:
Dieser erste Tag zeigte bereits, dass das Primavera Sound Festival ein tolles Festival ist. Von Hektik ist wenig zu spüren. Zum Greifen liegt das entspannt sein wie ein Ballon über dem Gelände und hüllt alle förmlich ein. Ist es die einfache Anreise per Metro, das ach-schnell-aus-der Bar-zum-Festival Gefühl oder die ich-kann-heute-Nacht-in-einem-Bett-schlafen Sicherheit eines städtischen Festivals? Ich weiß es nicht.
10 Jahre später weiß ich es. Es ist all‘ das!
Vor 11 Jahren hatte ich nie und nimmer gedacht, dass ich in den nächsten Jahren Ende Mai immer einen Termin haben werde. Umso komischer fühlten sich die letzten beiden Maimonate an. Keine Reisevorbereitungen, keine Festivalplanungen.
2022 wird eine ganz besondere, neue Herausforderung. Dann habe ich in einem Jahr quasi zwei Primavera Termine. Verteilt auf zwei nacheinander folgende Wochenenden. Himmel, ich freu’ mich!
Puh, das war jetzt eine Menge Text. Ich hätte die 10 Jahre auch in ein oder zwei Sätzen zusammenfassen können. Das liest sich dann folgendermaßen:
2010: Pavement. Der Grund, hier zu sein. Und Yo la tengo inkognito aka Condo Fucks.
2011: Prepaid Aufladen der Getränkekarte. Ein früher Versuch der Digitalisierung. Funktionierte nicht und wurde nach dem ersten Tag ad acta gelegt.
2012: Kleenax Girl Wonder. Nie wieder was von denen gehört. Aber gut. Von The Cure nicht genug gehört: Konzertdauer 5 Stunden.
2013: Sufjan Stevens. Vielleicht das beste Konzert, das ich je beim Primavera gesehen habe. Aber auch das: Kälteeinbruch und Regen. Das bisher einzige Mal.
2014: Rocking Primavera mit Queens of the Stone age und den Nine inch Nails. Ferner lieben gelernt: Slint.
2015: Ferner lieben gelernt Teil 2: Mineral.
2016: Mein erst Mal hidden stage. Lee Ranaldo und Bob Mould. Und ja, ich habe Radiohead nicht gesehen.
2017: Zwei Abende, zwei Sets. The Magnetic Fields im Auditori und Geoff Barrow bespricht Filmmusik im Theater. Großartiges Entertainment, auch wenn der zweite Gesprächspartner kurzfristig abgesagt hat.
2018: Nachdem wir uns 8 Jahre aus dem Weg gegangen sind: endlich Shellac und ein neuer Konzertort: das L’Auditori. Eine Stunde Stranger Things Soundtrack am Nachmittag.
2019: Ein irrer Brett Anderson lässt das Suede Konzert zu einem Highlight werden.
Chronistenpflicht. Bands nach Jahren.
2010:
Bis, The Wave Pictures, Surfer Blood, Broken Social Scene, The Fall, Superchunk, CocoRosie, Japandroids, Wire, A sunny day in Glasgow, Condo Fucks, The xx, Pavement, Florence & the Machine, Grizzly Bear, Dum Dum Girls, Pet Shop Boys, The Charlatans
2011:
Flaming Lips, DM Stith, Sufjan Stevens, Suicide, Das Racist, Grinderman, The record summer, Islet, Triangulo de amor Bizarro, Toundra, Ducktails, Sonny & the sunsets, Male Bonding, James Blake, Half Japanese, Low, Explosions in the sky, Pulp, Yuck, Warpaint, Dean & Britta, Mercury Rev, Dean Wareham, Swans
2012:
The Wedding present, Jeremy Jay, Friends, Archers of loaf, Mudhoney, The Afghan Whigs, Kleenex girl wonder, The xx, Franz Ferdinand, Japandroids, The Chameleons, Rufus Wainwright, I break Horses, The Cure, Dirty three, Veronica Falls, Kings of Convenience, Atlas Sound, Dominique A, Real Estate, Saint Etienne, Wild Beasts, Yo la tengo, Refused, Grimes, Milagres, Sharon van Etten
2013:
Wild nothing, Savages, Metz, Bob Mould, Dinosaur Jr., Grizzly Bear, Phoenix, The Babies, Merchandise, Sean Nicholas Savage, The Sea and cake, Wu-Tang Clan, Meat Puppets, Liars, Deerhunter, Merchandise, Django Django, The Breeders, The Jesus and Mary Chain, James Blake, Blur, Sex Jams, Swans
2014:
Sky Ferreira, Colin Stetson, Julian Cope, Real Estate, Girl Band, Warpaint, SVPER, Future Islands, Queens of the stoneage, Arcade Fire, Metronomy, Julia Holter, Speedy Ortiz, Hamilton Leithauser, Slowdive, Lee Ranaldo and the dust, Slint, Darkside, Speedy Ortiz, Courtney Barnett, Television, Spoon, Goodspeed you! black emperor, The Dismemberment Plan, Cloud nothings, Nine inch nails, Foals
2015:
Cinerama, Albert Hammond Jr., OMD, Interpol, Twerps, Viet Cong, Ought, Kelela, Mineral, Spiritualized,Chet Faker, Sunn O))), Disappears, The KVB, The Ex Hex, Perfume Genius, The Julie Ruin, Sleater-Kinney, Ride, Sleaford Mods, DIIV, Tori Amos, Die einstürzenden Neubauten,Torres, Mourn, The New Pornographers
2016:
Suede, Beach Slang, Autumn Comets, Nothing places, Lee Ranaldo & El Rayo, Car Seat Headrest, Destroyer, Suuns, Protomartyr, LCD Soundsystem, Lush, Dinosaur Jr., Tortoise, Bob Mould, Boredoms, The chills, U.S. Girls, Brian Wilson, Drive like Jehu, PJ Harvey, Parquet Courts, Die Katapult, Julien Baker
2017:
Dancefloor Meditations (Jarvis Cocker), Saint Etienne, Geoff Barrow, Cymbals eat guitars, Nots, Alexandra Savior, Julia Jacklin, Solange, The Afghan Whigs, Nikki Lane, Alexandra Savior, Julia Jacklin, Weyes Blood, Sinkane, The Magnetic Fields, Arab Strap, The xx, Swans, Sleaford Mods, Front 242, Thurston Moore, The magnetic fields, Angel Olsen, Teenage Fanclub, Metronomy, Grace Jones, Arcade Fire, !!!
2018:
Spiritualized, Belle & Sebastian, The sea and cake, Hinds, Ezra Furman, Sparks, Kelela, Björk, Josh T. Pearson, John Maus, Sevdaliza, Thundercat, Charlotte Gainsbourg, Ride, Car Seat Headrest, Jane Birkin, Belly, Grizzly Bear, Kyle Dixon & Michael Stein, Shellac, Yellow Days
2019:
Nilüfer Yanya, Built to spill, Shellac, Loyle Carner, Jarvis Cocker, Solange, Primal Scream, Stereolab, Lucy Dacus, Snail Mail, BEAK>, Piroshka, Liz Phair, Jawbreaker, Suede, Miley Cyrus, Low, Tame Impala, Bridget St. John, Julien Baker, Soccer Mommy, Stephen Malkmus & the Jicks, Apparat, NAS, Guided by Voices, Erykah Badu, Hatchie, L8ching, Big red machine, Filthy Friends
Kontextkonzerte:
Primavera Sound Festival – Barcelona, 01.06.2019
Primavera Sound Festival – Barcelona, 31.05.2019
Primavera Sound Festival – Barcelona, 30.05.2019
Primavera Sound Festival – Barcelona, 29.05.2019
Primavera Sound Festival – Barcelona, 29.05. – 02.06.2018
Primavera Sound Festival 2017
Primavera Sound Festival – Barcelona, 04.06.2017
Primavera Sound Festival – Barcelona, 03.06.2017
Primavera Sound Festival – Barcelona, 01.06.2017
Primavera Sound Festival – Barcelona, 31.05.2017
Primavera Sound Festival Barcelona
Primavera Sound Festival – Barcelona, 04.06.2016
Primavera Sound Festival – Barcelona, 03.06.2016
Primavera Sound Festival – Barcelona, 02.06.2016
Primavera Sound Festival – Barcelona, 01.06.2016
Primavera Sound Festival – Barcelona, 30.05.2015
Primavera Sound Festival – Barcelona, 29.05.2015
Primavera Sound Festival – Barcelona, 28.05.2015
Primavera Sound Festival – Barcelona, 27.05.2015
Primavera Sound Festival – Barcelona, 31.05.2014
Primavera Sound Festival – Barcelona, 30.05.2014
Primavera Sound Festival – Barcelona, 29.05.2014
Primavera Sound Festival – Barcelona, 28.05.2014
Primavera Sound Festival – Barcelona, 25.05.2013
Primavera Sound Festival – Barcelona, 24.05.2013
Primavera Sound Festival – Barcelona, 23.05.2013
Primavera Sound Festival – Barcelona, 01.06.2012
Primavera Sound Festival – Barcelona, 31.05.2012
Primavera Sound Festival – Barcelona, 31.05.2012
Primavera Sound – Barcelona, 28.05.2011
Primavera Sound – Barcelona, 27.05.2011
Primavera Sound – Barcelona, 26.05.2011
The Charlatans – Primavera, 29.05.2010
A sunny day in Glasgow, Condo Fucks – Primavera, 28.05.2010
Pavement, The xx – Primavera, 27.05.2010
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