Ort: Parc del Fòrum, Barcelona
Bands: Bridget St. John, Julien Baker, Soccer Mommy, Stephen Malkmus & the Jicks, Apparat, NAS, Guided by Voices, Erykah Badu

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Julien Baker hat mich im Auditori absolut überzeugt. Ihre Stimme ist toll, ihr Gitarrenspiel famos. Begleitet wird sie bei vielen Songs von einer Violinistin, die die hauptsächlich neuen Songs noch eine Spur charmanter macht. Bei meinen letzten Primaveras war ich gegenüber ihren Konzerten immer skeptisch und sie stellten mich nie rundum zufrieden. Mittlerweile aber, so kommt es mir vor, hat sich Julien Baker enorm weiterentwickelt und im Konzertsaal des Auditori klingt alles absolut ausgependelt und harmonisch. Hätte ich nicht gedacht, als ich sie hier vor Jahren auf der adidas Bühne erstmals gesehen habe.

Bridget St. John

Zuvor Bridget St. John. Am frühen Nachmittag (spanischer Zeit) ist das Auditori schon gut gefüllt. Nahezu 3000 Plätze sind voll, als die britische Singer/Songwriterin und Folk-Ikone Bridget St. John den Primavera Tag eröffnet. Es wäre falsch zu behaupten, ich kenne etwas von ihr. Dafür bin ich nicht so stark drin im Folk. Bekannt kommen mir nur zwei Songs vor, Coverversionen. Joni Mitchell und Bob Dylan, so google ich später, waren die ursprünglichen Interpreten. Auch das wusste ich nicht. Aber das Konzert ist eine schöne Einstimmung auf den Tag und nach der knappen Stunde bleibe ich einfach sitzen, um mir anschließend Julien Baker anzuschauen. Es gibt schlimmeres.

Julien Baker

Zurück auf dem Gelände geht’s zur Ray-Ban. Hier spielen gleich Soccer Mommy. Die Band mit dem vielleicht besten Bandnamen. Und den wildesten Indierockgitarristen des Festivals. Gegen Ende des Konzertes nickt er so heftig mit seinem Kopf, dass ihm die Brille von der Nase fliegt. Soccer Mommy machen guten Indierock in bewährter 1990er Jahre Tradition. Das klingt nicht neu, mir gefällt sowas aber nach wie vor.

Stephen Malkmus and the Jicks. Schnell zusammengefasst lautet mein Fazit über das Konzert: Das war irgendwie nicht ganz so doll. Mir fehlten ein bisschen der Esprit und die tänzelnde Leichtfüßigkeit eines Stephen Malkmus. Lag es an der Sonne oder an einem nachmittäglichen Umtrunk an der Hotelbar mit Robert Pollard? Im letzten Jahr sah ich Stephen Malkmus and the Jicks besser.

Soccer Mommy
Stephen Malkmus

Auf dem erneuten Weg zum Auditori rede ich die ganze Zeit etwas über eine tolle Lichtshow und das es vielleicht nicht so schlimm wäre, sich das Elektrokonzert von weiter hinten in aller Übersichtlichkeit anzuschauen.
Dass ich dabei Moderat mit Apparat verwechsle, bemerke ich eigentlich erst so richtig, als sechs Musiker die Bühne des Auditori betreten. Gut, die Lichtshow wirkt von weiter hinten betrachtet wirklich besser, aber es wäre genauso schön gewesen, den Musikern aus näherer Nähe bei der Arbeit zuzuschauen. ‘1,2,3, Apparat.‘ Sänger Sascha Ring gibt den Ton an. Eine Stunde lang genieße ich seinen sanften Gesang und die schönen ruhigen Elektro-Techno-Songs. Das ist sehr entspannend und  ein erster Ruhepol im hektischen Primaveragewusel. Das Auditori ist dunkel, die Lichtblitze zucken dezent, von der Bühne höre ich Streichmusik und einiges vom Album Krieg und Frieden. Ich gebe zu, dass macht Spaß und im Nachgang muss ich sagen, dass das Apparat Konzert eines der Höhepunkte des Primavera war.

Apparat

Genrewechsel. Auch das finde ich so toll am Primavera, dass man musikalisch nicht auf eine Richtung festgelegt wird. Gerade noch ein bisschen Elektro und zuvor Indierock, nun qualitativ guter Hiphop. NAS, einer der älteren Männer im amerikanischen Hiphip. Illmatic erschien 1994, danach veröffentlichte NAS zehn weitere Alben. Vor der Ray-Ban Bühne ist es proppenvoll, ich komme kaum von der einen zur anderen Seite. Die Sample stimmen („If I ruled the world“, “Glory box”, “Wannabe” von den Spice Girls im Mash mit ‘some classical music from Bedhowen’ – wie NAS es ausspricht) und „N.Y. State of Mind” sowie „It ain’t hard to tell“ gehören zur Setlist. Das passt!

NAS

 ‘GbV‘,‘GbV‘,‘GbV‘ hallt es vor der Primavera Bühne. Die Fangemeinde ist groß, die Erwartungshaltung vorfreudig. Lange schon sah man die Band um Sänger und Schreiber Robert Pollard nicht mehr in Europa. Da machen sich Entzugserscheinungen breit. Mein letztes Guided by Voices liegt auch schon mehrere Jährchen zurück, so dass auch meine Vorfreude auf das Konzert groß war. Vielleicht sind Guided by Voices auch meine geheimen Headliner des gesamten Primavera Sound Festivals. Zumindest dachte ich das in den letzten Wochen ein ums andere Mal. Im Sommer erscheinen die Alben 106 und 107(!!!). Drei Ausrufezeichen. Kurz überlegt, ich besitze knapp 10% des Pollard’schen Gesamtwerkes. Eigentlich nicht viel, aber damit gehört die Guided by Voices Sektion in meinem CD Regal schon zu den breiteren Bereichen. Es ist definitiv die platzeinnehmendste 10% Sektion meiner CD Sammlung. Der Output dieses Mannes ist einfach schier unglaublich.
„My future in Barcelona“. Treffender kann ein Songtitel nicht sein. Er ist der Opener des Guided by Voices Konzertes. Obwohl ich lange keine Guided by Voices Songs mehr gehört habe, fallen mir die Refrains von Songs wie „I am a tree“, „Teenage FBI“ oder „I am a scientist“ direkt ein. Das zeugt wohl von Qualität. Sie spielen viel von ihren – in meinen Ohren – besten Alben Mag Earwhig! (1997), Do the collapse (1999), Isolation Drills (2001) und Under the bushes under the stars (1996). Das gefällt mir natürlich. Am Ende der gut anderthalb Stunden und 30 gespielten Songs ist die Plastikkühlbox, die neben dem Schlagzeuger steht und aus der eine Dose nach der anderen in die Hände der Musiker wandert, leer.

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Was soll ich sagen. Es war ein wunderbares Wiedersehen. Guided by Voices dürfen ruhig öfter vorbeischauen. Das hat Spaß gemacht. Dadurch, dass ich Guided by Voices bis zum letzten Ton sehe, komme ich zum Erykah Badu Konzert 20 Minuten zu spät. Der Weg ans andere Ende des Parc del Fòrum ist lang und eine Stunde nach Mitternacht nicht mehr ganz so einfach zurückzulegen.

Eine knappe Stunde lauschen wir dem sehr relaxten R’n’B Hiphop. Erykah Badu ist vielleicht der entspannteste Headliner, den ich in den letzten zehn Jahren beim Primavera gesehen habe. Obwohl gesehen nicht so ganz richtig ist. Auf dem großen Platz zwischen den beiden Hauptbühnen, der erstmals mit Kunstrasen ausgelegt ist, ist es ordentlich voll. Wir verharren ungefähr in der Mitte und setzen uns. Der Rollkunstrasen ist super, der Schotter/Asphaltbelag der letzten Jahre war nicht so bequem. Von den Leinwänden kommen viel rot- und Erdfarben. Erikyah Badu scheint viel Kleidung zu tragen. Ich erkenne einen riesigen Hut und wallende Umhänge.
Die letzten Klänge von Eryka Badu und die nach ihr auftretenden Future begleiten uns bis fast zum Hotel. Die Strandstrasse ist gegen halb drei an diesem frühen Freitagmorgen kaum befahren und der Wind treibt immer wieder ein paar Songfetzen zu uns hinüber. Das Wetter ist mild und es macht trotz guten sieben Stunden Festival und kaputten Füßen sogar ein bisschen Spaß, die halbe Stunde zu Fuß zum Hotel zu gehen. Auf der Rambla de Pobleneau begegnen uns ein paar Jugendliche und auf den Bänken sitzen ein paar Nimmermüde. Eine Gitarre klingt von irgendwoher und jemand führt seinen Hund Gassi. Himmel, es ist bald drei Uhr nachts. Muss hier morgen niemand früh raus?

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Im Hotel haben wir Gesellschaft. Dass wir im IBIS Music, so nennt sich passenderweise das IBIS am Plaza Glòries, nicht die einzigen Primavera Gäste sind, war zu erwarten. Nun ist es Gewissheit. Mit uns trudeln noch weitere Bändchenträger ein. Bis morgen!

Kontextkonzerte:
Julien Baker – Primavera Sound Festival Barcelona, 04.06.2016
Julien Baker – Primavera Sound Festival Barcelona, 29.05.2019
Stephen Malkmus and the Jicks – Köln, 20.08.2012 / Gebäude 9
Stephen Malkmus & The Jicks – Berlin, 27.01.2014 / Postbahnhof
Stephen Malkmus & The Jicks – Köln, 31.01.2014 / Gebäude 9
Apparat – New Fall Festival Düsseldorf, 30.10.2015 / Robert Schumann Saal

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