Ort: Parc del Fòrum, Barcelona
Bands: Yuck, Warpaint, Dean & Britta, Mercury Rev, Dean Wareham

Das Fazit eines Festivals. Der dritte Tag. Und: Warpaint! Warpaint! Warpaint!
Es herrscht schon früh eine rege Betriebsamkeit rund um das Festivalgelände. Aber wir sind ja auch schon auf dem Gelände, warum sollten es uns die anderen nicht gleichtun. Es gab auch einen guten Grund.
Um 18 Uhr spielen Yuck, die neuen Lieblinge aller Blogger von heute und den Ausgaben der Musikmagazine von morgen, und eine dreiviertel Stunde später die vier Mädels von Warpaint.
Yuck liegen auf dem Weg zur Llevant Bühne. Daher plane ich den Abstecher ein. An diesem Samstag will ich alles richtig machen, und auf keinen Fall zu spät zur Llevant Bühne kommen. Warpaint möchte ich mir unbedingt von Anfang an und aus nächster Nähe anschauen. Ohne Wenn und Aber. Also setze ich mich nicht weit vom Ausgang auf die Tribüne an der ATP-Bühne.
Yuck, eine vierköpfige Band aus London. Obwohl ich sehr viele Artikelüberschriften in diversen Musikblogs über und mit ihrem Namen gelesen hatte, kannte ich ihre Musik nicht. Die Tage vor Barcelona waren mit lauter anderem Kram so zu, dass ich es vorher nicht geschafft habe, mir die ein oder andere Festivalband anzuhören. Schlechte Vorbereitung? Vielleicht.
Die ersten Songs sind toll. Ich bin angenehm überrascht von der klassisch altmodischen Herangehensweise der Band. Ihre Songs sind so konsequent 1990er Indierockpop, es macht Spaß ihnen zuzuhören. Zwischendurch frage ich mich, welche 1990er Band ich nach einer halben Stunde nicht gehört habe.
Nach der ersten Anfangseuphorie um „Holing out“, „The wall“ und „Georgia“ flacht die Begeisterung allerdings ein wenig ab. Yuck können qualitativ nicht mehr nachlegen, ihr Pulver scheint nach einer Viertelstunde verschossen. Also bleibt mir Zeit, sich den Auftritt näher anzuschauen. Und da kommt mir immer wieder ein Name in den Sinn: Robert Smith.
Nicht nur in Sachen Frisur hat der Yuck Sänger Daniel Blumberg große Ähnlichkeit mit dem Cure Frontmann. Auch seine Körperhaltung, das Tragen der Gitarre, seine verdrehten Beine, all das hätte bei einem ‚Robert Smith in concert‘ look-a-like Wettbewerb sehr gute Aussichten auf den ersten Platz.
Dass Yuck auch ab und an eine Cure Gitarre in ihren Songs haben, passt da gut. Während sie „Get away“ spielen überlege ich kurz, welche 1990er Jahre Band ich bisher noch nicht herausgehört habe. Mir fällt spontan nur eine ein: die Lemonheads.
Nach einer guten halben Stunde verließen wir aber die Band, um uns den anderen Cure an diesem Abend zuzuwenden: Warpaint.
Die Mädels sind relativ früh auf der zweitgrößten Festivalbühne angesetzt. Wie groß sind die Amis in Spanien? Ist die frühe Uhrzeit gerechtfertigt oder die große Bühne? Passt beides überhaupt überein? Fragen über Fragen, die ich mir in der Metrofahrt zum Parc del Fòrum an diesem Nachmittag gestellt hatte. Die Antworten sind einfach: groß, beides, ja.
Warpaint haben keine Mühe, die große Bühne für sich zu vereinnahmen. Anders als James Blake am Vortag wirkt ihr Auftreten auf der Llevant wie eine Selbstverständlichkeit, wie eine Normalität: Hey, wir sind Warpaint, wir haben ein klasse Album gemacht, natürlich müssen wir auf einer großen Bühne ran. Selbstsicherheit ohne eine Spur von Arroganz. Denn die sehe ich ihnen nicht an, ich sehe vier gut gelaunte Musikerinnen, denen ihr Auftritt sichtlichen Spaß bereitet. Und 3000 Leute vor der Bühne haben den auch. Ich glaube, Warpaint spielen ihr das Konzert ihres Lebens bisher, zumindest fühlt es sich so an. Viel besser kann ich sie mir nicht vorstellen. Sie legen eine irre Spiellaune an den Tag und genießen zwischendurch immer wieder den Blick aufs Meer.
Jemand sagte, er hält Warpaint für die beste Band der Welt. Nun, nach diesem Auftritt möchte ich ihm nicht widersprechen. Das war schon grandios. Bis zu diesem Samstagabend dachte ich, Sufjan Stevens könne bei diesem Primavera Sound Festival von keiner anderen Band getoppt werden. Warpaint schafften es. Sie lieferten mein Konzert des Festivals. Diesen Eindruck darf ich mir eigentlich verwässern, von nun an sollte ich keine Warpaint Konzerte mehr sehen. Sie würden mich nur enttäuschen. Aber ich überdenke den Ansatz nochmal. Warpaint nicht noch einmal live sehen wäre ja auch blöd!

Es war also ein gelungener Start in den letzten Tag, der noch die eine oder andere Überraschung parat halten sollte.
Ist es eigentlich mutig, PJ Harvey nicht zu sehen? Oder ist es stattdessen mutiger, sich im Auditori eine Band anzusehen, für die ich in ihrer Hochphase Ende den 1990ern nichts übrig hatte und deren gestenreichen Gesangstil des Sängers ich nie möchte?
‚Mercury Rev perform Deserter’s Songs‚, so wurde das Konzert angekündigt. Wem das nicht so viel sagt, dem sei es erklaert: Deserter’s Songs ist Mercury Rev’s viertes Studioalbum, das der NME 1998 zum ‚album of the year‘ kürte. Es ist quasi ihr Nevermind.
Nachdem wir uns Dean Wearham und seine Frau Britta im kleinen Zelt zu einer unplugged Session angeguckt hatten, beschlossen wir spontan, das Auditori der großen Bühne vorzuziehen. Ob das eine gute Idee ist, dessen schienen wir uns zwar nicht ganz sicher, wir wollen es aber drauf ankommen lassen.
Reserviert, wie zwei Tage zuvor für die Sufjan Stevens Show, haben wir diesmal nicht. Also stellen wir uns in die lange Reihe der nicht Reservierenden und hoffen, rechtzeitig in den Konzertsaal zu gelangen.
Es klappt so gerade. Zu den ersten Klängen von „Holes“ (sowohl Album- als auch Konzerteröffnungssong) finden wir Sitzplätze im gut besuchten, aber bei weitem nicht vollem Konzertsaal. Der erste Eindruck: der Ausdrucksgesang von Frontmann Jonathan Donahue ist noch da. Mein zweiter Eindruck: wow, da sind ja ein paar ganz gute Sachen auf Deserter’s Songs.
Ergänzt durch ein paar instrumentale Krümel spielen Mercury Rev das komplette Album. In Reihenfolge. Also auch die ein, zwei schwächeren Stücke, die wirklich langweilig sind. Aber wer außer Nirvana und Oasis schreibt schon ein Album voller Hits? Eben. Als Zugabe spielen sie Peter Gabriel‘s „Solsbury Hill“ sowie einen weiteren Song.
Es war ein lustiger Abend im Musiksaal. Mercury Rev lieferten eine eins-a 1990er Jahre Rockshow: viel Nebel, viel Pathos, viel Gepose. Immer hart am Rand des Kitsch. Gewöhnungsbedürftig. Aber die richtige Wahl und ein Konzert zum drüber erzählen.

Dean Wareham hatte ich bereits vor drei Stunden vor der kleinen unplugged Bühne stehen sehen. Er und seine Frau Britta unterhielten sich mit anderen Leuten, bevor sie ein kurzes Stelldichein im Ray-Ban Zelt geben sollten, in dem sie drei, vier Songs spielten (darunter das tolle „Snowstorm“) und abschließend einige Fragen beantworteten.
Nun also ihr reguläres Konzert auf der ATP-Bühne. Ich gestehe ein, dass ich Galaxy 500 vor Jahren vollständig verpasst habe. Aber, es ist ja nie zu spät, Dinge nachzuholen. Und so wurden Dean Wareham bzw. Galaxy 500 zu meiner persönlichen Barcelonaentdeckung. „Blue thunder“ oder das schon erwähnte “Snowstorm”, im Intervall zwischen Guided by voices bis Yo la tengo passt Dean Wareham perfekt in meinen Musikkosmos. Schönster, klassischer amerikanischer Indie. Sanft, weich, melodiös. Es war ein tolles Konzert, ein guter Festivalabschluss.
Nachdem ich mein restliches Prepaidkartenguthaben wieder gegen Bargeld eingetauscht hatte und noch eine gute halbe Stunde Swans genoss, beschlossen wir, das Primavera Sound Festival 2011 für uns gemütlich ausklingen zu lassen. Für heute hatten wir genügend gute Konzerte erlebt.
Und wer kommt nächstes Jahr? Radiohead, Ash, und eine Sleater Kinney Reunion wären doch was.
Kontextkonzerte:
Primavera Sound Festival – Barcelona, 27.05.2011
Primavera Sound Festival – Barcelona, 26.05.2011
The Charlatans – Primavera Sound Festival, 29.05.2010
A sunny day in Glasgow, Condo Fucks – Primavera Sound Festival, 28.05.2010
Pavement, The xx – Primavera Sound Festival, 27.05.2010
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