Ort: Parc del Forum, Barcelona
Bands: Wild nothing, Savages, Metz, Bob Mould, Dinosaur Jr., Grizzly Bear, Phoenix

Savages

Dye your hair black. (Eddie Argos)

‚Welches war dein bestes Primavera Konzert?‘ Eine Frage, die mich am Tag nach dem viertägigen Primavera Sound 2013 komplett überforderte. Zu stark waren die Eindrücke, zu hoch die Zahl der Bands, die ich in den letzten Stundenlive gesehen hatte. Was waren meine Höhepunkte? Ich war sprachlos und musste überlegen. Bob Mould sagte ich dann irgendwann, und Savages, Dinosaur Jr., Phoenix. Ich hatte Angst, etwas zu vergessen, aber die vier Bands und Musiker waren schon eine Klasse für sich. Abgesehen von The Jesus and Mary Chain, Sea and Cake oder Wild Nothing, die mich ebenso stark begeisterten.

Wild Nothing

Aber der Reihe nach und in aller Ruhe. Wie startete das Primavera nochmal im offiziellen Festivalteil. Der Wartebereich des Flughafengebäudes und der heimbringende anderthalb Stunden Flug boten eine erste Gelegenheit, den Barcelonaausflug Revue passieren zu lassen.

„Shadow“ von den Wild Nothing empfing uns am Donnerstagabend vor der großen Heineken Bühne. Kann es einen schöneren Start für ein Festival direkt am Mittelmeer geben als diesen verträumten, leicht tanzbaren Song? Schon länger hatte ich nicht mehr die Möglichkeit, mit einer Lieblingsband in ein Festival zu starten. Es ist ein gutes Gefühl, dass mich sofort ankommen ließ. Das Fieber war direkt da, es gab kein zartes Einfinden und Umgucken, Pläne wälzen oder an Ständen vorbeischlendern. Nein, dieser Donnerstag begann für mich gleich mit einem Knaller und zog mich förmlich in den Abend. Ich mag Wild Nothing, ich mag ihre melancholischen Songs, ihre unaufgeregte Art. Natürlich passten sie nicht ganz zur größten Festivalbühne, aber das war wurscht. Im letzten Jahr im Gebäude 9 war es gemütlicher, weniger Zuckerwatte als damals gab es vor tausend Zuhörern aber nicht. Zehn Songs lang versprühten die Amerikaner größtmöglichen Charme: „Nocturne“, „Paradise“ und „Golden haze“. Nein, besser als mit Dreampop kann man nicht in ein Festival starten.

Setlist Wild nothing:
01. Shadow
02. Confirmation
03. Counting days
04. Golden haze
05. Only heather
06. Paradise
07. Nocturne
08. The blue dress
09. Summer holiday
10. Ride

SavagesVon Savages habe ich schon einiges gelesen und gehört. Es machte sich Vorfreude breit, als wir zum anderen Ende des Geländes gingen. Ihr Konzert im Gebäude 9 hatte ich vorletzte Woche leichtfertig sausen lassen, ich würde sie ja noch in Barcelona sehen, so mein „ich bleibe zuhause“ Argument. Im Nachhinein muss ich mir eingestehen, dass es die falsche Entscheidung war. Wenn Savages schon eine Festivalbühne derartig beeindruckend Bespielen, wie sehen dann erst ihre Klubkonzerte aus? Vor der knallvollen Pitchfork Bühne waren wir nicht die einzigen, die gespannt auf den britischen Hype des Jahres warteten. Ganz in schwarz (das rote T-Shirt der Schlagzeugerin war die Ausnahme) und mit viel Bühnennebel (also mit so viel Bühnennebel, wie eine Freiluftbühne halten kann) beeindruckte mich die Girlieband mächtig. Tosender Applaus schallte nach ihrem tollen knapp 50 minütigen Auftritt der Abend zurecht entgegen. Savages haben in Jehnny Beth eine Sängerin, die einem gewissen Ian Curtis nicht unähnlich sieht. Der Vergleich ist abstrus, aber es mag an der Art von Rockmusik liegen, die ihn einen direkt in den Kopf steigen lässt. Joy Divisison, Siouxie and the Banshees, man hört die 80er Jahre schon deutlich aus dem Savages Sound heraus. Und der New Wave Look der Sängerin und Gitarristin Gemma Thompson tut sein Übriges. Das aber die Bassistin unfreiwillig der Star des Konzertes wurde, war unplanmäßig. Eine längere Gitarrenstörfunktion sorgte dafür, dass Ayse Hassan eine Bassschleife nach der nächsten spielen durfte, bis nach vielen, vielen Minuten endlich eine Ersatzgitarre funktionsfähig war. Das war ungefähr in der Mitte des Sets zu „Strife“ und hatte zur Folge, dass das gesamte Konzert um einen Song gekürzt werden müsste. Im folgenden „Flying to Berlin“ wunderte ich mich überhaupt nicht, dass es ausgerechnet Berlin sein musste. Welche Stadt passt den bitteschön besser zu einer modernen New Wave Rockband.
Ein sehr starker und Auftritt mit einer beeindruckender Jehnny Beth. An ihr merkte ich wieder, wie sehr doch die Dynamik einer Show von der Sängerin abhängig ist. Savages werden eines der Ausrufezeichen des Festivals sein, das sollte um halb neun Abends schon klar sein.

Setlist Savages:
01. Shut up
02. City’s full
03. I am here
04. Give me a gun
05. Strife
06. Flying to Berlin
07. No face
08.She will
09. Husbands

MetzSie waren aber nicht das einzige Ausrufezeichen am Donnerstag. Nicht weniger neugierig war auf die Kanadier Metz. Als ich zu Beginn des Jahres ihr Debütalbum Metz entdeckte, war ich sofort begeistert. Das erinnerte sehr an Grunge und all den alten Kram. Live fiel spontan der Name Japandroids. Genauso wie die anderen Kanadier sind die drei Metz‘er auf der Bühne hyperaktiv. Den genügenden Platz dafür haben sie. Ein Schlagzeug und zwei Mikrofonständer, mehr Bühnenaufbauten braucht es nicht. Ähnlich wie Savages zuvor beeindruckten mich Metz stark. Es war ein gutes Pitchfork-Doppel, dass uns hier geboten wurde und es war das einzige Mal an diesem Wochenende, dass ich die Bühne nicht nach einer Band wechseln musste.

Dinosaur Jr.

Waren die drei Kanadier die junge Generation der Krachrocker, so konnte ich im Anschluss ihre alten Helden bewundern. Nacheinander waren dies Dinosaur Jr. und Bob Mould. Dass Dinosaur Jr. auf der zweitgrößten Bühne angesetzt waren, wunderte mich etwas und so wirkte das Ganze auch leicht überdimensioniert. Schaute ich mich aber während ihres Konzertes um war diese Entscheidung der Primaveraleute mehr als gerechtfertigt. Es war für mich überraschend voll, scheinbar sind J. Mascis und Lou Barlow in Spanien eine größere Nummer als in Deutschland. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass es um diese Uhrzeit keinerlei Alternativen zu Dinosaur Jr. gab. Erste Überraschung, am Schlagzeug saß jemand mir unbekanntes. Im Verlauf des Konzertes stellte ihn J. Mascis als Kyle vor und warf ein, dass Murph – der etatmäßige Drummer – keine Zeit für Barcelona fand. Wessen Kyle es war, blieb an diesem Abend unklar. (Mittlerweile ist es klar: der Kyle Spence, der auch bei The fog das Schlagzeug bedient). Überraschung Nummer zwei: Zum letzten Stück, dem Last Rights Cover „Chunks“, kam Fucked up Sänger Damian Abraham auf die Bühne. Dazwischen lag alles wichtige: „Just like heaven“, „Freak Scene“, „Feel the pain“, „Out there”, “Start choppin’”.

Setlist Dinosaur Jr.:
01. The Lung
02. No Bones
03. Budge
04. Watch the corners
05. Rude
06. Feel the pain
07. Out there
08. Start choppin’
09. Training Ground
10. Freak scene
11. Just like heaven
12. Sludgefeast
13. Chunks

Bob Mould

Der Tisch war somit gedeckt und Bob Mould, endachtziger/neunziger legende Nummer zwei, konnte nachlegen. Und wie er das tat. Zusammen mit Jon Wurster und Jason Narducy spielte er ein grandioses Konzert. Die ganze Nacht durch bekam ich „Hoover Dam“ nicht mehr aus dem Kopf. Auf Bob Mould freute ich mich ungemein, vielleicht sogar am allermeisten. Innerlich hatte ich sehr stark die Faust geballt, als ich seinen Namen auf dem Line up des Primaveras entdeckte. Endlich hatte ich die Gelegenheit, ihn einmal live zu sehen. Und ich hoffte sehr darauf, dass er einige Sugar Songs spielen wird. Als ich an der windigen ATP Bühne ankam, war es überschaubar leer. Ohne Mühe konnte ich in die vorderen Reihen vordringen und mich am rechten Bühnenrand positionieren. Das bisschen laut und den heftigen Bass, der mir dadurch in den nächsten Minuten in die Ohren und in den Magen sauste, nahm ich dankend hin. Diesen Platz werde ich nicht verlassen, auch nicht, wenn ich anschließend kein Trommelfell haben sollte. Oh ja, es war sehr laut, dieses Bob Mould Konzert. Oder soll ich sagen das Sugar/ Hüsker Dü Konzert.
Bob Mould begann konsequent mit Sugar Songs. “The act we act”, “A good idea”, “Changes”, “Helpless” und “Hoover Dam” direkt zu Beginn und nacheinander weggeprügelt waren großartig. Wie lange hatte ich darauf gewartet, all diese Copper Blue Sachen live zu hören und zu sehen. Copper blue halte ich für eines der besten Alben der 90er Jahre, Sugar für eine der am meisten unterschätzten Bands. Und jetzt das hier! Das war toll, und Bob Mould setzte ein noch größeres Ausrufezeichen als Savages Stunden zuvor. Wie viel Wucht und Krach von der Bühne herunterprasselte war unglaublich. Nach und nach füllte es sich dann auch immer mehr und zum Ende hin (den Abschluss bildeten viele Hüsker Dü Songs) war der Platz vor der Bühne voll. Sehr zurecht! Wahrscheinlich war der Bob Mould Auftritt das beste Konzert des Wochenendes. Bei ihm haben Metz (und viele andere junge Bands) vieles abgeguckt, das war nicht zu übersehen.

Danach ging erst einmal nichts mehr. So ein Auftritt muss erst weggesteckt werden. Bis Phoenix sollte noch zwei Stunden Zeit sein, dazwischen lagen Grizzly Bear und eine Konzertpause. Gegen halb eins trafen wir im Food Court zusammen und tauschten uns kurz aus. Wie waren Postal Service, wie Deerhunter. Was liegt noch vor uns, wie sind die Pläne. Bevor wir uns in Richtung Hauptbühne aufmachten, schauten wir noch kurz bei Grizzly Bear vorbei. Wir hätten es uns auch schenken können. Die ruhigeren Songs gingen im allgemeinen Geplapper der umstehenden Spanier komplett unter. Da wir nicht den Eindruck hatten, etwas zu verpassen, machten wir uns zeitig auf den Weg zu Phoenix. Dort wollten wir nicht irgendwo unter ferner liefen stehen, sondern schon relativ nah vor der Bühne.

Phoenix

Phoenix waren der gerechtfertigte Hauptakt des ersten Abends. Ihre Show ein würdiger Tagesabschluss. Was ist aus dieser Band nur geworden. Vor einem Album spielten sie noch in kleinen Klubs, jetzt vor geschätzten 30000 Leuten. Und sie machten das richtig gut. Thomas Mars läuft zweimal durch den vorderen Bühnenbereich, lässt sich auf Händen tragen und versprüht die Leichtigkeit und das Entertainment, die Phoenix so sehenswert machen. Die Band startet in knallrotem Bühnenlicht zu „Entertainment“, spielt danach die älteren „Lasso“, „Lisztomania“ und „Long Distance Call“. Leider lassen sie „If I ever feel better“ ausfallen, inszenieren dafür einen knapp 10-minütigen Mix aus dem wunderschönen „Love like a sunset“ und „Bankrupt!“, zu dem Geldscheinkonfetti auf uns niederprasselt. Auf der Bühnenleinwand prangt ein in Technicolorfarben der Abendsonne entgegen blickender Mont Blanc und eine alte Aufnahme des Schloss Versailles. Großes Kino, Headlinershow! Und als zum finalen „Entertainment (Part 2)“ J. Mascis die Bühne betritt und ein paar Schlussakkorde auf der Gitarre schrammelt, sind der Abend und das wundervolle Phoenix Konzert perfekt.

Setlist Phoenix:
01. Entertainment
02. Lasso
03. Lisztomania
04. Long distance call
05. Too young
06. Girlfriend
07. Trying to be cool
08. Chloroform
09. Love like a sunset
10. Fences
11. The real thing
12. Armistice
13. 1901
14. Countdown
15. Don’t
16. Rome
17. Entertainment (reprise)

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