Ort: Parc del Fòrum, Barcelona
Bands: Bis, The Wave Pictures, Surfer Blood, Broken Social Scene, The Fall, Superchunk, The xx, Pavement
Der Grund unseres Barcelonatrips waren Pavement. Als bekannt wurde, dass die Indieamis auch in Barcelona spielen würden, war der Kartenkauf schnell getätigt. So schnell, dass der Name Pavement der einzige auf der Bandliste war, als wir die Kreditkarten zückten. Seinerzeit hatten wir keine Sorge, dass weitere tolle Bands hinzukommen würden. Die Jahre vorher zeigten, dass das Primavera Sound Festival blind gebucht werden kann.
Neben Pavement bescherte so der erste Tag unserer Reisegruppe noch: Bis, The Wave Pictures, Surfer Blood, The xx, Broken Social Scene, The Fall und Superchunk.
Bis eröffneten den Abend auf der großen Bühne. Mancher mag fragen, warum, bzw. wer, und auch ich hatte mit dem Bis-schen Pop, der in meinen Ohren deutliche Skaanklänge hat, nach einer halben Stunde zu kämpfen. Dass Bis jedoch noch eine lustige Episode des Festivals sein werden, dazu ein anderes Mal etwas mehr. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich das noch nicht wissen, sonst hätte ich vom Fleck weg all ihre bisherigen Alben gekauft.
Also machte ich mich noch vor Ende ihres Sets auf den Weg. Hier ein wenig Surfer Blood, dort ein paar Minuten Wave Pictures. Ein Zugeständnis an die sich überschneidenden Doppelansetzungen auf unterschiedlichen Bühnen. Immerhin bietet das Primavera sieben verschiedene Bühnen und Bühnchen.
Die doppelten x’e waren der erste Höhepunkt an diesem Tag. Passend zum Sonnenuntergang waren The xx auf der zweitgrößten Festivalbühne angesetzt. Es war die Show mit dem bis dahin größten Zuschaueranspruch. Da konnte auch der alte Mann auf der Hauptbühne nicht mithalten, der in knielanger Lederjacke und Jeansbuntfaltenhose die englische Indiemusik der letzten dreißig Jahre präsentierte. Genau, ich meine Mark E. Smith. Ab halb zehn boten The xx die moderne Antwort auf The Fall, eine Antwort, die kaum einer verpassen wollte. Also dichtes Gedränge vor der Bühne, volle Treppenstufen am Rand des Platzes. Es war mein zweites The xx Konzert, und im Vergleich zum letzten Mal gab es markante Unterschiede. Die zum Trio geschrumpfte Band wirkte deutlich abgebrühter und bühnenerfahrener als vor einem dreiviertel Jahr. Die Unsicherheit, Nervosität und sympathische Schüchternheit, die wie bei keiner anderen Band so perfekt zu ihrer Musik passt, war nicht mehr da. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie die Band von Konzert zu Konzert geprügelt wird. Aufritte am Fließband, nur im Februar gab es eine kleine Konzertpause. Die Setlist offenbarte nichts neues, das Debütalbum wurde durchgezuckelt und mit dem ein oder anderen Cover ergänzt. Toll ist das aber immer noch. The xx sind nach wie vor live ein besonderes Erlebnis, auch wenn wie in Barcelona der Bass zu übersteuert und das Publikum zu sehr in Feierlaune war. Ich denke, dass ein Song wie „Crystalized“ eher nicht zum rhythmischen Mitklatschen gedacht ist, genauso wenig wie „Heart skipped a beat“. Aber gut, vielleicht waren das erste böse Anzeichen dafür, dass die Band bald in Ibizadiscos oder auf SWR3 landen wird. Nach ihrem Auftritt hatten wir irgendwie das Gefühl, das die x’e ihren Höhepunkt überschritten haben. Ich bin sehr gespannt, wie es mit der Band weitergeht, und ob es überhaupt ein zweites Album geben wird.
Primavera hat der Auftritt gefallen, und so bildeten The xx den Co-Headliner des ersten Festivaltages.
Uneingeschränkter Hauptakt waren natürlich Pavement.
Einen aus der Band sahen wir bereits zwei Stunden zuvor. Scott Kannberg a.k.a. Spiral Stairs hatte einen kleinen Gastauftritt bei der Broken Social Scene. Die übrigen Verdächtigen Mark Ibold, Steve West, Bob Nastanovich und Stephen Malkmus schlurften gegen kurz nach eins in die Nacht Barcelonas. „Cut your hair“, welch eine Konzerteröffnung. Vor der Bühne setzten wellenartige Bewegungen ein, erste ‚Opfer‘ der jubelnden Menge verzogen sich zur Seite, andere nutzten den Moment, um sich nach vorne spülen zu lassen. Festivalsituationen, die wohl jeder kennt.
Nach diesem aufregenden Auftakt beruhigte sich das Konzert etwas. Ich hatte Pavement erst vor einigen Tagen in Berlin erlebt, da wirkten sie mir agiler. Mit Abstand die höchste Spiellaune hatte Spiral Stairs. Besonders Stephen Malkmus schien müde, seine Spielereien und ‚Turnübungen‘ waren bei weitem nicht so ausgeprägt wie Tage zuvor. Ich würde den Auftritt daher hinter dem Berlin Gig einordnen. Schön war, dass sie die Setlist variiert haben. Viele Sachen, die ich in Barcelona hörte, habe ich in Berlin nicht gesehen. So wurden es irgendwie zwei ganz unterschiedliche Konzerte. Musikalisch als auch auftrittstechnisch. Doch wie es sich für einen ordentlichen Festivalgig gehört, es gab lustige Dinge zu bestaunen. Zum Beispiel die Anzahl der Gastauftritte. Kevin Drew von BSS hatte bei „Kennel District“ seinen Gegenbesuch, über den er sich sichtlich freute. Irgendwann tanzte Bob Nastanovich mit Monotonix Sänger Ami Shalev Walzer über die Bühne. Dazu hatten sie rote Spanien T-Shirts übergezogen. Der Sinn hinter dieser Aktion blieb uns verborgen. ‚This is Ami Shalev from Monotonix. You should see them, great band‘, sagte Stephen Malkmus. Ich kenne Troubadix, Monotonix sagte mir nichts. Meine Neugierde war aber sofort geweckt, doch ein Blick auf den Primavera Spielplan verriet mir, dass ich sie hier nicht mehr live sehen kann, da sie bereits am frühen Abend auf der Vice Bühne auftraten. Schade. Aber das passiert halt, wenn man sich vorher nicht mit den Bands beschäftigt.
Schließlich schaute auch noch Low Frontmann Alan Sparhawk kurz auf einen Refrain vorbei. Das war dann auch genug der Gastmusiker.
Mit dem Standardfinale „Range Life“ war zu später Stunde Schluss des regulären Sets. Den Zugabeblock bestritt Spiral Stairs aus dem Fotografengraben heraus. Auf dem Rücken liegend. Trotzdem schaffte er es irgendwie, sekundengenau mit den anderen den letzten Ton von „Stop breathin‘“ zu spielen. Quasi blind, ohne Augenkontakt. Sehr beeindruckend. Bevor damit endgültig für uns Feierabend war, bildeten „Gold soundz“ und „Shady Lane“ ein wunderbares Zugabeneingangsdoppel.
Dieser erste Tag zeigte uns bereits, dass das Primavera Sound Festival ein tolles Festival ist. Von Hektik ist wenig zu spüren. Zum greifen liegt die Entspanntheit wie ein Ballon über dem Gelände und hüllt alle förmlich ein. Liegt es an der einfachen Anreise per Metro, an dem ach-schnell-aus-der Bar-zum-Festival Gefühl oder an der ich-kann-heute-nacht-in-einem-Bett-schlafen Sicherheit eines städtischen Festivals, ich weiß es nicht.
Wasser in Halbliterflaschen kostest unschlagbare und nie erlebte einen Euro (jawohl!!), Essen darf sogar mit auf das Gelände gebracht werden. (Mal sehen wie das Berlinfestival dagegen abschneidet!!!). ‚Don’t worry, we are in no hurry‘ ist das heimliche Motto für viele Besucher. Wer nicht dran ist, wartet ruhig in der Schlange, egal ob vor dem Klo oder am Sandwichstand oder am Auditori (das ist die Akustikhalle, in der einige Konzerte stattfanden.) Toll mitzuerleben, wie Warten funktionieren kann. Wenn, ja wenn keine Landsleute in der Nähe sind. Traurig aber wahr, zweimal sind uns Schlangenignorierer und Vordrängler aufgefallen, zweimal wurden sie von anderen darauf hingewiesen, sich bitte in der Reihe hinten anzustellen, zweimal brabberten sie etwas von ’nee, keine Lust‘ oder ‚ach das dauert so lange‘ in einer uns sehr verständlichen Sprache. Ist das Zufall, oder können wir es nicht besser? Sehr unsportlich, sehr respektlos. Dies aber blieb das einzige Ärgernis der drei Tage.
Setlist Pavement:
01: Cut your hair
02: Trigger cut
03: Rattled by the rush
04: Father to a sister of thought
05: In the mouth a desert
06: Kennel District
07: Grounded
08: Silent Kid
09: Ell ess two
10: Spit on a stranger
11: Unfair
12: Starlings of the slipstream
13: Fight this generation
14: We dance
15: Conduit for sale!
16: The Hexx
17: Here
18: Stereo
19: Two states
20: Range life
Zugabe:
21: Gold Soundz
22: Shady Lane
23: Stop breathin’
Kontextkonzerte:
The xx – Köln, 15.10.2009
Pavement – Berlin, 19.05.2010
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