Ort: Parc del Fòrum, Barcelona
Bands: James Ellis Ford, John Cale, The Voidz, Gaz Coombes, The war on drugs

Primavera Sound Festival – Barcelona, 03.06.2023

War On Drugs, beer commercial rock
War On Drugs loves Fleetwood Mac
War On Drugs loves Mellencamp
War On Drugs, let’s give ‚em a cheer

Erneut ein Tag nicht erlebter, vermutlicher Lieblingskonzerte. Arlo Parks, Surf Curse und  St. Vincent verpasse ich nur aus einem Grund: ich hatte die fixe Idee, John Cale im Auditori aus nächster Nähe zu sehen. Was wiederum bedeutet, auch James Ellis Ford, der vor John Cale im Auditori Fòrum CCIB auftritt, aus nächster Nähe zu sehen.

Denn klar, ich kann nicht erst 10 Minuten vor Konzertbeginn ins Auditori stürmen und im Halbdunkeln darauf hoffen, in den ersten Reihen einen Sitzplatz zu ergattern. Das hätte ich aber machen müssen, um zumindest die Hälfte des Surf Curse oder Arlo Park Sets mitzubekommen. Überdies fand ich die Parallelansetzung auf Bühnen – das kommt hinzu und ließ einen Bühnenhopping unmöglich machen -, die nicht viel weiter auseinander liegen können, schon dumm. Und bevor ich mich zwischen den beiden Acts entscheiden muss, nehme ich lieber den dritten. Und das ist James Ellis Ford; wem der Name nichts sagt, das ist der Typ von Simian Mobile Disco. Wem das nichts sagt, nun gut. Und während also draußen Arlo Parks bluesrappt und Surf Curse indierocken, höre ich ruhigen Easy listening mit Synthesizern und Saxophon.

James Ellis Ford - Primavera Sound Festival Barcelona, 03.06.2023

James Ellis Ford und Musikerkolleg*innen spielen ein unaufgeregtes, gutes Konzert. Nach mittlerweile drei Tagen Primavera ist es ganz gut, ein bisschen entspannt in den Sesseln des Auditori zu hängen und bei guter Musik vor sich hinzudösen. Unser Plan geht übrigens perfekt auf. Der Saal ist nicht allzu stark frequentiert und wir ergattern vordere Sitzplätze nahezu bühnenmittig. Das Auditori Doppel verschafft uns die erhofften guten Plätze. Nach einer halbstündigen Umbaupause dann John Cale
John Cale kommt mit Band. Das Konzert ist beeindruckend. Es fällt mir schwer zu glauben, dass der Mann bereits in den 80er Jahren seines Lebens sein soll. Seine Stimme ist so kraftvoll wie die eines 50jährigen, den Hocker, den man an sein Keyboard gestellt hat, braucht er fast gar nicht. Nur einmal setzt er sich kurz hin, ansonsten spielt er das 60 Minuten Konzert im Stehen. „Rosegarden funeral of sores“ wechselt er an die Gitarre, das einzige Mal, dass er sein Tasteninstrument links stehen lässt.

Überraschenderweise spielt er bis auf „Moonstruck“ und „Out your window“ nichts von seinem aktuellen Mercy Album. Fine ich ein bisschen schade, denn Mercy ist ein verdammt gutes Album Allerdings hat es auch sehr viele Gastmusiker, eventuell ein Umstand, der ihn davon abhält, mehr Songs vom Album zu spielen. Denn wer soll im Auditori die Gastmusikerrollen übernehmen? Egal wie, es wäre nicht dasselbe und eher ein fauler Kompromiss.

Stattdessen spielt er ein Elvis Presley Cover („Heartbreak Hotel“) und einen Velvet Underground Song („I’m waiting for the man“). Neben uns sitzt ein italienischer Hardcorefan. Er kennt jede Textzeile, bei jedem Song. Gott sei Dank singt er nicht mit, sondern bewegt nur synchron seinen Mund. Im Abschlusskonzert von Laurie Anderson soll das genauso der Fall gewesen sein, höre ich später. Ich bin da aber nicht mehr im Auditori.

Denn nach John Cale nehme ich für ein paar Minuten einen der Hypes des Primaveras mit. The Voidz mit Julian Casablanca spielen auf der kleinen Ron Brugal Bühne. Davor ist es sehr, sehr voll. Und es wird sehr, sehr viel gekreischt, als Julian Casablanca nach allen anderen Musikern und ein paar Sekunden Pause die Bühne betritt. Es ist ein Rockstarauftritt aller erster Güte. Leider empfinde ich ihre Songs nicht der Kategorie aller erster Güte zugehörig. The Voidz überzeugen musikalisch nicht.

The Voidz - Primavera Sound Festival Barcelona, 03.06.2023

Mir ist das bisschen zu nichtssagend, ich gehe weiter zu Gaz Coombes. Der Sänger von Supergrass spielt auf der kleinen Dice Bühne. Ganz rüber zu St. Vincent will ich nicht laufen, da die War on drugs, die ich sehen möchte, hier gleich um die Ecke auftreten. Gaz Coombes hat in den letzten Jahren einige Soloalben veröffentlicht, deren Songs er eine knappe Stunde lang performt. Wer auf einen oder zwei Supergrass Schmankerl gehofft hat, wird enttäuscht. Ich kenne die Solosachen nicht, und ehrlich gesagt, reizt mich nach dem Konzert auch nichts, sie näher kennenzulernen. Dieser erste Eindruck reicht mir, so super spannend finde ich das Konzert nicht.

Gaz Coombes - Primavera Sound Festival Barcelona, 03.06.2023

Ganz im Gegensatz zum The war on drugs Auftritt. Der ist gut. Verdammt gut. Ich schaffe es nicht mehr, bis direkt vor die Bühne zu kommen. Dafür bin ich etwas zu spät dran. Ich sortiere mich weiter hinten ein, ein gutes Stück weiter hinten. Aber trotz all der Unruhe und dem Gelaufe, das zeitweise um mich herum herrscht (Getränkestände sind nicht weit entfernt, die Klos auch nicht), nehmen sich The war on drugs komplett gefangen. Es gibt Augenblicke, da nehme ich nichts um mich herum wahr. Da schaue ich zur Bühne, höre nur die ausufernden The war on drugs typischen Gitarrensoli und sonst nichts. Himmel ist das gut. 

„Under pressure“, untermalt von einem Stimmengewirr aus spanisch, englisch und deutsch klingt wunderschön. Wenn mich zukünftig jemand fragen sollte, würde ich sagen, The war on drugs ist die perfekte Festivalband. Ihre langen, epischen Songs funktionieren blind. Zumindest für mich. Mark Kozelek sieht das eher anders. Er steht nicht so auf die Band. Nachhören kann man das in einem Song, den er über The war on drugs geschrieben hat. Die taz erzählt die Geschichte in wenigen Worten so:

Selten wird ein Beef im Indierock so hiphopesque durchexerziert wie von Mark Kozelek gegen die amerikanische Indierockband War On Drugs. Begonnen hatte alles auf einem Festival, als sich Kozelek beschwerte, War On Drugs auf der Nebenbühne würden zu laut spielen und so seinen eigenen Sound übertönen. Mehrfach hat Kozelek nachgelegt und nun sogar einen achtminütigen Diss-Track mit dem Titel „War on Drugs: Suck my cock“ geschrieben. Zustände, wie man sie sonst nur aus dem Hip-Hop kennt!

We were up on stage I heard a classic drum fill
Blasting 100 decibels over the hill
It was getting pretty loud, I asked who it was
A guy in a raincoat shouted back “They’re called War On Drugs”
It sounded like basic John Fogerty rock
I said, “This next song is called ’The War On Drugs Can Suck My Cock.’”
War On Drugs, beer commercial rock
War On Drugs loves Fleetwood Mac
War On Drugs loves Mellencamp
War On Drugs, let’s give ‚em a cheer

The war on drugs - Primavera Sound Festival Barcelona, 03.06.2023

Allen anderen möchte ich aber unbedingt den Tipp geben, The war on drugs einfach mal auszuprobieren. Die sind toll!

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