Ort: Parc del Fòrum, Barcelona
Bands: Nilüfer Yanya, Built to spill, Shellac, Loyle Carner, Jarvis Cocker, Solange, Primal Scream, Stereolab

Parc del Forum

Am Samstag ist es eine Qual. War es vor 10 Jahren eigentlich einfacher und weniger anstrengend, vier Tage Primavera durchzustehen? Ich kann auf diesen Beton/ Pflastersteinen einfach nicht mehr wirklich ausgiebig lang stehen und nehme längere Sitzpausen an der Ray-Ban Bühne dankend an. An diesem Samstag beginnt die erste Pause bereits nach einer Stunde Parc del Fòrum. Shellac brauche ich nicht aus der ersten Reihe, genauso wenig wie Stunden später ein komplettes Primal Scream Konzert.

Bei Nilüfer Yanya dagegen mache ich noch keine Gefangenen. Die jungen Menschen aus sind mein erstes Konzert des Tages. Dieser Samstag beginnt für mich damit später als die Tage zuvor. Erst gegen 19 Uhr schleiche ich auf das Gelände, nachdem ich zuvor zwei Straßenbahnen hab sausen lassen müssen. Sie waren randvoll. Also ging ich wohl oder übel zu Fuß die Diagonal entlang, das erste Mal in diesem Jahr. Gott sei Dank!
Der Samstag ist traditionell der vollste Primavera Tag. Musikalisch ist er nicht immer der beste, aber in diesem Jahr zieht scheinbar Rosalía ihre Mitbewohner in den Parc del Fòrum. Um 22 Uhr stehen die Massen vor der größten Festivalbühne. Es sind mehr als bei James Blake oder Solange, die nach der in Barcelona wohnenden Sängerin auf den Bühnen am großen Festivalplatz auftreten. Ich lese das erst später, am Abend bin ich nur darüber verwundert, dass mir elendig viele Leute entgegenkommen, als ich mich zum Solange Konzert aufmache.

Nilüfer Yanya

Hiphop ist also bigger than the government. Ein paar dieser Erykah Badu T-Shirts sehe ich hier und da. Für ich ist an diesem letzten Primavera Abend Hiphop zumindest bigger than Gitarrenmusik. Denn eigentlich sind da nur Shellac, die für Kontrast sorgen.
Durften die Amis, die Stammgäste auf dem Primavera sind, schon mal auf so einer großen Bühne ran? Ich kann mich nicht erinnern.

Here we are again

Shellac

Vor der Ray-Ban ist denn auch nicht voll. Das rabiate und mit längeren Monologen durchsetzte Konzert ist anstrengend und arg gewöhnungsbedürftig.Ich sitze auf den Steinstufen und verspeise dazu mein Boccadilla. So lässt es sich aushalten und meine Füße danken mir die kleine Sitzpause. Gedanklich hänge ich noch dem Nilüfer Yanya Konzert nach. Das hatte mich sehr überzeugt. Die Briten lieferten schönen Northern R’n’B und wirkten mit ihrer leichten aber sichtbaren Nervosität sehr sympathisch.

Und die beiden Jungs der Band in ihren Liverpool Trikots fieberten bestimmt dem Finale entgegen. Genau wie Loyle Carner. Er hatte nur das Pech, zur ersten Halbzeit auf die Bühne zu müssen, freute sich aber ungemein über die Information, dass es 1:0 steht. ‘For them or for us?‘ fragte er mehrmals, als könne er die frühe Führung nicht glauben. ‘For us?! Yesssss!‘ gefolgt von einem Hüpfer.
Auch sein Konzert gefiel mir außerordentlich gut. Ich glaube, ich mag die britische Art, Hiphop zu spielen. Sie wirkt nicht so hart und schroff, ist melodischer und melancholischer als das amerikanische Pendent. Gerade im direkten Vergleich zu Pusha T. fiel mir das besonders auf. Nach einer Stunde und einem kurzen Gruß ins Publikum (‘Hi Jeff, good to see you.‘) war Loyle Carner durch und hatte endlich Zeit, zumindest die 2. Halbzeit des Champion League Finales im Fernsehen zu verfolgen. Nilüfer Yanya und Loyle Carner sind so zwei Entdeckungen des diesjährigen Primavera. Und die Erkenntnis, dass das Saxophon tatsächlich wieder eine gewichtige Rolle im Indie spielt. Und der Yachtrock.

Loyle Carner

Die Zeit zwischen Loyle Carner und Solange musste ich füllen. Ich entscheide mich, weil nun so wirklich gar nichts auf den Bühnen nach wow! Klang, für Pusha T. . Doch der Daytona Rap entpuppt sich als sehr uninteressant und so verdengel ich die Zeit irgendwie, nur nicht mit einem Konzert. Im Nachhinein gedacht wär ich doch lieber zu Rosalía vor die große Bühne gegangen, oder hätte den weiten Weg zum Primavera Bits auf mich genommen, um Lizzo zu sehen. Na, ja. Hinterher ist man immer schlauer.
Das Konzert von Solange nehme ich nur so am Rande wahr. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber meine Konzentration auf ihren Auftritt war unterirdisch schlecht. Vielleicht bin ich nach drei Tagen einfach überfordert, noch ein Konzert zu sehen, vielleicht bin ich einfach zu kaputt, um mehr Kraft aufzubringen. So bleibt es bei einer guten Handvoll Songs, die ich bewusst mitbekomme. Das ist ärgerlich.

Jarvis Cocker

Desgleichen bei Jarv is… a.k.a. Jarvis Cocker. Auch seinen Auftritt empfinde ich als anstrengend. Die Ray-Ban war somit an diesem Abend die Bühne der anstrengenden Konzerte. Jarvis erzählt viel, verwirrt die erste Reihe mit schwierigen Fragen (‘Wovor hast du am meisten Angst?‘) und spielt neben einem Pulp Song und zwei Songs von früheren Soloalben („His’n’hers“, „Further complications“, „Cunts are still running the world“) nur Sachen, die ich nicht kenne.

Primal Scream

Anyway, Primal Scream lassen mich danach kurz wach werden. Gleich zu Beginn feuern sie einige ihrer größeren Hits ab, die enorm viel Spaß machen. Doch als dann die ersten schwächeren Songs kommen, verzieh ich mich nach weiter hinten. Müdigkeit und so. Mein Primavera 2019 liegt in den letzten Zügen und irgendwie reicht es auch.

Im Anschluss noch einmal zur Ray-Ban, noch zwei, drei Songs Stereolab – ich kenne wirklich nichts von denen – und das Primavera Festival 2019 ist im Parc del Forum für mich endgültig beendet. Schön war es. Wie jedes Jahr.

My feet are aching. Though we had a good time.

Nächstes Jahr spielen Pavement auf dem Primavera Sound. Das wurde zwischendurch auf allen Videoscreens und vor allen Bühnen bekannt gegeben. Eigentlich sollte doch mein 10. Primavera mein letztes Primavera gewesen sein. Eigentlich.

Built to spill

PS:
Mit Built to spill schließe ich auf der aktuellen Keep it like a secret Geburtstagstour keinen Frieden mehr. Genau wie in Luxemburg überzeugten mich Doug Martsch und Kollegen auch in Barcelona nicht. Nach drei Songs ließ ich sie spielen und begab mich zu Nilüfer Yanyaz. Es war die richtige Entscheidung.

Kontextkonzerte:
Built to spill – Out of the crowd Festival Esch-sur-Alzette, 27.04.2019
Built to Spill – Köln, 13.11.2015 / Gebäude 9
Built to Spill – Köln, 26.09.2013 / Gebäude 9
Built to Spill – Bochum, 16.10.2008 / Bahnhof Langendreer
Built to Spill – Köln, 18.05.200 / Gebäude 9
Shellac – Primavera Sound Festival Barcelona, 29.05. bis 02.06.2018
Shellac – Primavera Sound Festival Barcelona, 29.05.2014
Loyle Carner – Köln, 02.03.2017 / Club Bahnhof Ehrenfeld

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