Ort: Paral.lel 62, Barcelona
Bands: Cap’n Jazz, Kim Deal

Kim Deal - Primavera a la Ciutat Barcelona, 08.06.2025

Zum Abschluss der Primavera Sound Woche noch ein letztes Mal in die Av. del Paral.lel ins Paral.lel 62. An diesem Abend spielen hier im Rahmen des Primavera a la Ciutat eine Handvoll Bands, teils uninteressant, teils interessant, teils ‘irgendwas dazwischen’. Interessant ist auf alle Fälle das Konzert von Kim Deal, ‘irgendwas dazwischen’ der Auftritt von Cap’n Jazz. Und obwohl die Nacht von Samstag auf Sonntag sehr lang bzw. kurz war und obwohl sich alle Füße und Rücken schon in einem ordentlichen Maß bemerkbar machen und sagen ‘lass uns im Liegestuhl bleiben und die Abendsonne genießen’ zieht es mich zum Konzert von Kim Deal. Es nützt ja nichts, und wenn ich schon mal da bin – sprich, wenn man noch in Barcelona ist – kann ich auch noch ein letztes Mal ins Paral.lel 62 fahren. Erst recht, wenn auf der Metro-Zehnerkarte noch zwei Fahrten offen sind. Die kann man ja nicht einfach so verfallen lassen. Kim Deal ist dann auch der kleinste gemeinsame Nenner, auf den wir uns einigen können. Zu mehr reicht es dann doch nicht. Selbst die Idee, das Cap’n Jazz Konzert in Gänze mitzunehmen, wurde gestrichen. Dass das keine allzu dumme Entscheidung war, zeigt sich, als ich die letzten Takte der amerikanischen Band höre.

Als ich in der Vorbereitung auf das Primavera ein paar Videos von Cap’n Jazz gesehen habe dachte ich noch, das könnte vielleicht interessant sein. Die Musik klang nach einer guten Mischung aus Emo und alternativ Rock mit leichten Hardcore-elementen.
Live ist es das dann aber nur bedingt. Dabei ist Cap’n Jazz die erste Band der Brüder Tim und Mike Kinsella. Letzterer ist immerhin Gitarrist und Sänger der von mir geschätzten  American Football. Während die Band die letzten Songs spielt, recherchiere ich ein wenig. Cap’n Jazz haben ein Album veröffentlicht. Kurz danach lösten sie sich auf.  So knapp die Bandgeschichte, umso länger der Albumtitel ihrer einzigen Veröffentlichung: 1995 erschien Burritos, inspiration point, fork balloon sports, cards in the spokes, automatic biographies, kites, Kung Fu, trophies, banana peels we’ve slipped on, and egg shells we’ve tippy toed over. Ein Titel wie ein Essay und definitiv die Platte mit dem längsten Namen, die ich kenne. Kurz schaue ich hoch, als sie zu einer interessanten Coverversion ansetzen: „Take on me“ von a-ha. Okay, reicht aber nicht, um mich zu überzeugen.

Kim Deal ist für 22.30 Uhr angesetzt. Es bleibt eine halbe Stunde Umbaupause, in der sich das Publikum im Saal nahezu komplett austauscht. Alle Emo-Kids und twentysomethings raus und die älteren Semester in die ersten Reihen. Von meinem Sitzplatz in der ersten Etage aus konnte ich das Spielchen leicht amüsiert, gut beobachten das Konzert. Sicher passiert nach Kim Deal genau dasselbe, denn dann spielen hier noch The Jesus Lizzard

Kim Deal sah ich zum ersten Mal, als sie noch bei den Pixies spielte: 1991 beim berühmt, berüchtigten Gießener Open Air im Waldstadion des VFB Gießen.

Für 1991 hatte sich die Stadt etwas Besonderes ausgedacht: ein zweitägiges Spektakel mit etwas anderen Gruppen als üblich. Das »Bizarre-Festival« dieses Jahres gilt bis heute als »Totengräber« des Gießener Openair im Waldstadion. Ob berechtigt, sei dahingestellt. Jedoch kamen an die 25 000 Menschen – vorwiegend von auswärts – nach Gießen, wo sie auf eine weitgehend unvorbereitete Stadt trafen. Also nächtigten die Besucher dort, wo sie noch etwas Freies fanden. Die Beschwerdewelle schwappte über, es ging um Regresszahlungen, die »große Politik« schaltete sich ein.

Giessener Allgemeine

Ja, es war sehr chaotisch. An den Pixies Auftritt am ersten Abend erinnere ich mich nicht mehr genau, an das Chaos drumherum schon. Wir brauchten ewig, um ein freies Plätzchen zum Campen zu finden und bauten unsere Zelte schließlich im Gießener Stadtpark auf. Auch erinnere ich mich an McDonald’s Frühstücke ohne McDonald’s Frühstück. Das gab es damals noch nicht. Musikalisch denke ich an Konzerte von Lush, Ride, Stereo MC’s, The House of love, Jesus Jones, The Alarm, Danzig und Iggy Pop. Auch das Konzert der Freaky Fukin Weirdoz bleibt bei mir hängen. Meine Kumpels wollten die unbedingt sehen, und so mussten wir früh raus, weil ihr Konzert am Sonntagmorgen um 11 Uhr angesetzt war. Über die nächtliche Rückfahrt ins Münsterland möchte ich lieber nicht reden. Während meine mit drei Mitreisenden gemütlich auf dem Beifahrersitz und auf der Rückbank schliefen, durfte ich mehr oder weniger wach Mutters Opel City nach Hause fahren.
Später in den 1990er Jahren sah ich Kim Deal dann mit ihren anderen Bands The Breeders und The Amps. Interessanterweise wurde ich seinerzeit mit beiden Bands nie so richtig warm. Ihr doch sehr ruppiger Gitarrenindie passte mir nicht in den Kram. Mein Kram war Mitte der 1990er Jahre in der Hauptsache Blur, Oasis, Bluetones, etc.. Selbst „Cannonball“ entdeckte ich erst viel später. Doch sei es drum. 2025 ist meilenweit von diesen Erinnerungen entfernt und seit einigen Jahren sehe ich Kim Deal in einem anderen Licht.

Diese hier ist ihr zweiter Auftritt beim Primavera Sound Festival. Tags zuvor spielte sie bereits einen Slot auf einer der großen Bühnen. Den ließ ich sausen, wohl wissend, dass ich an diesem Abend im Paral.lel seine werde. und wer braucht schon Kim Deal abends um 18 Uhr auf einer der Hauptbühnen, wenn er sie auch in einem Club sehen kann? Letztes Jahr veröffentlichte Kim Deal ihr erstes Soloalbum, Nobody loves you more. Natürlich stehen Songs aus diesem Album auf der Setlist. Die erste Hälfte des Konzerts gehört dem Album, von dem sie sieben Songs spielt. In der zweiten Hälfte folgen dann die alten Breeders Hits und – was nicht fehlen darf und auch nie fehlt – der Pixies Kracher „Gigantic“. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Bläser und die Violinistin bereits frei, ihre Arbeit ist nach den neuen Songs getan. Auf der Bühne verbleiben die Gitarristen und das Schlagzeug.

Das Konzert ist schön und es ist ein würdiger Abschluss meiner diesjährigen Primavera Sound Woche. Die war hochspannend, aber auch körperlich sehr anstrengend. War das früher auch schon so intensiv? Hatte ich früher andere Füße? Ist es das Alter? Fakt ist, die Regeneration dauert auffallend länger. Nichtsdestotrotz, Primavera 2026 ist eingeplant. Ein early bird Ticket liegt schon im digitalen Posteingang. Ich werde nicht jünger, ich muss das jetzt machen und nicht erst wieder in Jahren. Und so langsam habe ich auch den Dreh raus, wie man die Tage ganz entspannt und mit einem okayen Zeitmanagement angehen kann, ohne Wichtiges zu verpassen. Ich habe sogar meinen Frieden mit den großen Bühnen gemacht; ja, ich kann die Konzerte dort sogar geniessen. Es gibt nicht viel schöneres (also bezogen auf Musikfestivals) als nachts zwischen 2 und 3 Uhr dort am Rand der Bühnen etwas abseits zu stehen oder auf dem ausgelegten Kunstrasen zu sitzen und Musik zu hören und zu sehen.

Am Merchstand habe ich Glück. Ich ergattere den vorletzten Kim Deal Jutebeutel.

Primavera Sound Festival 2025

Setlist Kim Deal:
01: Nobody loves you more
02: Coast
03: Crystal breath
04: A good time pushed
05: Disobedience
06: Big Ben beat
07: Wish I was
08: No Aloha
09: Safari
10: Invisible man
11: Do you love me now?
12: Cannonball
13: Happiness is a warm gun
14: Drivin‘ on 9
15: Gigantic

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