Ort: Primavera Sound 2010 Festival Barcelona
weitere Bands: Florence & the Machine, Grizzly Bear, Dum Dum Girls, Pet Shop Boys
Um halb zwölf, so ziemlich zur Hälfte des Sets, springt ein grau melierter Mann auf die Bühne. Die Band ist überrascht. „It’s Tims birthday. It’s his birthday today!“ aha. Es war der zweite Geburtstag, den das Publikum vor der Hauptbühne miterlebte. Gute drei Stunden zuvor ließ Florence Welsh ihrer Managerin Mireille Geburtstagswünsche hochleben. Tim Burgess bekam ein Stückchen Kuchen oder Muffin auf einem Teller serviert, den verschlang er noch vor dem nächsten Song. Also auch spindeldürre Popstars essen was und ernähren sich nicht nur von Alkohol und Drogen anderen Dingen.
Die Charlatans, meine persönliche Hauptattraktion des letzten Festivaltages. Genau vor 20 Jahren veröffentlichten sie ihr Debütalbum „Some Friendly“. Ich hatte es ewig nicht gehört. Geht auch gar nicht, denn ich besitze es nur auf Kassette und einen Kassettenspieler habe ich nicht mehr (anders als Euro-Lena). Lustig ist auch, dass „Some Friendly“ genau wie Doolittle oder Nevermind zu meinen Lieblingen gehört, die ich nie auf Platte oder CD besessen habe. Eine Schande! Es sind alles Alben, die damals mein Kumpel gekauft hat. Mangels Geld hatten wir so was wie eine Kaufgemeinschaft. Ich kaufte die Happy Mondays, er die Charlatans, ich kaufte Pearl Jam, er Nirvana.
Das Barcelona Festival ist eins von zwei Festivals, das die Charlatans in diesem Sommer mit der „Some Friendly“ Jubiläumsshow bespielen. Man könnte sie noch in Zottegem (Belgien) bewundern. Und natürlich noch ein paar Mal auf der Insel. Ihr Show hatte somit etwas leicht exclusives.
Lord Helmchen, Tim Burgess Frisur ist immer noch die alte, nur in etwas länger, ist gut drauf an diesem Abend. Tanzend und die Arme schwingend wie ein Kricketspieler springt er ins einen skinny Jeans und XL-T-Shirt über die Bühne. Sah so aus, als ob er Spaß hat an seinen alten Gassenhauern.
Wovon es neben DEM Charlatanssong ganz viele auf dem Debütalbum gibt. „Then“, „Opportunity“ oder „You’re not very well“. Mensch, das hat uns Spaß gemacht diese Popperlen live zu erleben. Das Gefühl hatten wir nicht allein, und so schwang der vordere, mittlere und hintere Publikumsbereich elegant zur Schweineorgel. Die Augen leuchteten und auch die Charlatansskeptikerin in unserer Reisegruppe fand an dem Set nichts rumzunörgeln.
„We have to end with this.“ „Sproston green“, ach ja, der heimliche große Song des Albums kam natürlich zum Schluss. Wie auf dem Album. Ansonsten hielten sich Manchestermänner nicht strikt an die Albenfolge der Songs. Und neben den 11 Stücken des Albums bauten sie noch „You can talk to me“ und „Indian rope“ ein, die beide im selben Jahr als 12‘‘ veröffentlicht wurden.
Es war überdies der Charlatans Tag des Primavera. Gute drei Stunden vorher gaben sie ein kurzes unplugged Stelldichein in einem kleinen und damit hoffnungslos überfüllten Zelt, das nach einer Sonnenbrillenmarke benannt war. Ob Tim Burgess eine solche auf der Nase trug, war für uns nicht zu erkennen. Wir standen außerhalb des Zeltes, weil wir wie so oft in diesen Tagen zu spät dran waren. Überdies dröhnte der Bühnennachbar The Slits so stark, dass wir kaum etwas von dem Geklimper hörten.
Da kam der Auftritt von Florence & the Machine gerade recht. In einem weißen, luftigen Kleid gewandet hatte sie die beachtliche Anzahl von Zuschauern vor der Hauptbühne locker im Griff. Einen neuen Song spielte sie, und natürlich alle Hits ihres „Lungs“ Albums. „You’ve got the look“ und „Kiss with a fist“ setzten zur Mitte Sets erste Höhepunkte. Grandios!
Doch wir wollten zu der Band, die ihren Song nicht der Mobiltelekommunikation zur Verfügung stellte, sondern lieber eine bestimmte Automarke fährt. Grizzly Bear, mir bis auf diesen einen Song völlig unbekannt, werden dies auch bleiben. Ihr Auftritt gab mir nichts, ihre Songs plätscherten im weiten Rund der zweitgrößten Bühne locker an mir vorbei. Als wären sie von den vielen Menschen, die diesen Ort als Durchgangsstation zur ATP Bühne ansahen, mitgenommen worden. Ich glaube, Grizzly Bear Folk ist für große Bühnen ungeeignet. Im kleinen, intimeren Rahmen, da sollte das besser funktionieren.
Um viertel nach eins beschlossen die Pet Shop Boys den Tag auf der großen Bühne. Aber nicht für mich. Leider. Sehr gerne hätte ich noch eine halbe Stunde ihrem Treiben zugesehen, auf alte Klassiker gehofft und mich über „Rent“ oder „Suburbia“ gefreut. Aber noch nicht einmal bis „Go West“, was Neil Tennant und Chris Lowe als viertes spielten, hielt ich es aus. Ich verabschiedete mich vom Primavera Sound Festival 2010 bereits eine gute Stunde früher während des Sets der mir nichtssagenden Dum Dum Girls. Gaudi Kram und gotisches Viertel hatten mich ausgelaugt. Das Bett schien mir in diesen Augenblicken als Alternative die beste Lösung. Bis um drei Uhr würde ich es nicht durchhalten, den favorisierten Auftritt von Health gegen halb vier hatte ich mir schon lange abgeschminkt. Und morgen stand ja auch noch einiges auf dem Touristikprogramm. Das wollte ich nicht im Halbschlaf runterreißen. Und so verpasste ich die Quadratköpfe und ihren Wall of Sound komplett. Sie spielten „Heart“ als Opener, aber ansonsten wahrscheinlich nicht mehr viel von den alten Sachen. Also, nichts verpasst, oder?!
Multimedia:
Fotos The Charlatans: frank@flickr
Fotos Florence: frank@flickr
Fotos Pet Shop Boys: frank@flickr
Foto Dum Dum Girls: frank@flickr
Kontextkonzerte:
The Charlatans – Köln, 23.09.2008
The Charlatans – Brüssel, 17.02.2008
Florence & the Machine – Köln, 06.10.2009