Ort: Parc del Fòrum, Barcelona
Bands: Suede
Das Primavera Sound begnügt sich nicht mit seinen drei Festivaltagen Donnerstag, Freitag und Samstag im Parc del Fòrum. Nahezu eine ganze Woche lang platzieren die Festivalmacher Konzerte und Veranstaltungen in ganz Barcelona. Auf öffentlichen Plätzen, in Clubs und anderen Räumlichkeiten finden Veranstaltungen statt, die teilweise frei für alle und teilweise nur für ‘reguläre‘ Festivalbesucher zugänglich sind.
Neu fiel mir dieses Jahr im Programm auf, dass es Kinoveranstaltungen gibt. So laufen im Auditori, eigentlich ein klassischer Konzertsaal, Kinofilme mit musikalischen Hintergrund. Filme von Grant Gee, Marie Losier und Dylan Southern standen Samstags und Sonntags auf dem Programm.
Am Mittwoch vor dem eigentlichen Festivalbeginn ist es seit jeher Tradition und Sitte, dass kostenlose Konzerte die Festivalbesucher auf das Primavera einstimmen. Diese warm-up Veranstaltung findet seit drei Jahren auf dem Festivalgelände statt, davor auf größeren Plätzen im Stadtgebiet Barcelonas. Waren dies anfangs Konzerte kleinerer Bands wie Wedding present oder Sky Ferrera, so lockte im letzten Jahr mit OMD erstmals ein großer Name. In diesem Jahr setzten die Macher noch einen drauf und präsentierten ein Freikonzert von und mit Suede. Richtig gelesen, Suede, die große britische Popband der 1990er Jahre.
Das darf ich mir natürlich nicht entgehen lassen und so wurden alle Planungen des Anreisetages auf den Besuch des Konzertes abgestimmt. Flugzeit nachmittags, Einkäufe anschließend, dann etwas essen und zu guter Letzt pünktlich mit der Tram in den Parc del Fòrum.
Als ich gegen halb elf dort ankomme, ist der Platz vor der drittgrößten Bühne des Festivalgeländes nahezu voll besetzt. Irgendwo lese ich Tage später, dass ca. 25000 Leute das mittwöchliche Freikonzert zu einem Besuch im Parc del Fòrum nutzten.
Hier tummeln sich Festivalbesucher und andere, um die Gunst des Augenblicks zu nutzen und sich Brett Anderson und Band eine gute Stunde lang zuzuhören. Um das einzuordnen: es wäre so, als würden die Donots am Vortag vor Rock am Ring im Stadtzentrum von Mendig auftreten. Nun interessieren mich Rock am Ring und die Donots thematisch überhaupt nicht, aber so in etwa sind die Relationen der diesjährigen großen Primavera Eröffnungsveranstaltung einzuordnen.
Also Suede. Lange nicht mehr gesehen und viel länger nicht mehr gehört. Das letzte Mal trug Brett Anderson Gipsbein und es muss irgendwann Mitte der 2000er Jahre gewesen sein, als ich die Engländer zum letzten Mal sah. Damals war das in der Live Music Hall, die, wenn ich mich recht erinnere, nicht ausverkauft war. Seither sind mit Bloodsports und Night thoughts zwei Alben erschienen, die ich überhaupt nicht wahrnahm. Bereits das 2002er Album A new Morning interessierte mich nicht mehr sonderlich stark. Suede standen und stehen für mich für die 1990er Jahre, in die die Band musikalisch und thematisch am besten passt und irgendwie auch hingehört. Nichtsdestotrotz, einen Festivalauftritt kann und muss ich mir geben. Hits wie „Filmstar“, „Trash“, „So young“, „Beautiful ones“ oder „She’s in fashion“ (an diesem Abend in einer tollen Akkustikversion aufgeführt) sind immer für ein schönes Konzert gut.
Und ja, natürlich war es ein schönes Konzert. Die Band, die am Donnerstag auch noch im Auditori auftreten sollte, spielte das erwartete Best-of Set mit eben jenen Songs und allen anderen Hits. Die neueren Alben ließen Suede nahezu außen vor. Dass sich somit eine riesengroße Sause mit größtmöglichem Wiedererkennungswert auch bei nicht eingefleischten Suede Fans ergab, ist folgerichtig. Suede brauchen also gar nicht viel machen, um für eine gute Stimmung zu sorgen. Die Mischung aus Festivalvorfreude, gutem Wetter und bekannter Musik erledigen das mühelos alleine. Wenn die verzerrte Gitarre zu „Animal nitrate“ einsetzt, hat jeder die ersten Zeilen auf den Lippen. Nicht anders ist es bei „So young“. Das sind so Sachen, die man einfach kennt.
So wie zwei Tage später beim Auftritt von Brian Wilson. „Good vibration“ kann jeder zumindest zeitweise mitsingen, dieser Song ist im Gedächtnis eines jeden Menschen. „Animal nitrate“ und „So young“ sind zumindest im Gedächtnis von Primavera Besuchern. Da singt oder summt man unwillkürlich mit, was an diesem Abend geschätzte 20000 Leute tun. Mich eingeschlossen.
Brett Anderson gibt unterdessen die Rampensau. Er springt, rennt und klettert über die Bühne. Die Videoleinwände zeigen es: sein weißes Hemd weist bereits nach 30 Konzertminuten Risse unter den Armen auf. Zu oft die Arme hochgerissen, zu oft die ersten Reihen besucht. Brett Anderson gibt alles. Dass er gegen Ende des Konzertes mit offenem Hemd auf und vor der Bühne steht, geht in Ordnung. So alt ist der Sänger noch nicht. Geschätzte 48 Jahre; ich sehe ihm das Alter nur manchmal an. Für „Animal nitrate“ allerdings fühlt er sich dann doch nicht mehr jung genug. Wie sonst soll ich die Geste des Mittelfinger Zeigens deuten, die er zu den Zeilen ‘now you’re over 21, now your animal’s gone, animal, he was animal, an animal…‘ den ersten Reihen präsentiert?
Ach egal, Suede sind – egal wie jung oder alt – toll und hübsch!
“ la, la, la, la, lalala,…“ (The beautiful ones)
Setlist:
01: Introducing the Band
02: Outsiders
03: Killing of a Flashboy
04: Trash
05: Filmstar
06: Animal nitrate
07: We are the pigs
08: Sometimes I feel I’ll float away
09: Everything will flow
10: The drowners
11: Still life
12: For the strangers
13: So young
14: Metal Mickey
15: Beautiful ones
Zugabe:
16: She’s in fashion
17: New Generation
Kontextkonzert:
Brett Anderson – Köln, 25.01.2010 / Luxor