Ort: Parc del Forum, Barcelona
Bands: Ducktails, Sonny & the sunsets, Male Bonding, James Blake, Half Japanese, Low, Explosions in the sky, Pulp

Parc del Forum

Das Fazit eines Festivals. Der zweite Tag.
Hatte ich Belle and Sebastian und Mogwai gestern erwähnt? Ich glaube, nein. Noch zwei große Namen, die ich in den drei Tagen Barcelona nicht gesehen habe.
Und auch hier gilt, ich ärgere mich nicht darüber. Belle and Sebastian fielen am zweiten Festivaltag Low zum Opfer, den Slowcore der Amerikaner fand ich interessanter und spannender als die seichten Popmelodeien der Schotten. Oder wie ich kurz nach dem Auftritt notierte: „ich war auch vorher kurz bei Belle und Sebastian. Waren dort vornehmlich die Indiemädchen, so trifft man hier die Indiefrauen und grau melierten Männer. Low ist ein Erwachsenenkonzert.“
Und für viele ein lang ersehntes Konzert, wie es schien. Obwohl The National direkt zuvor alles in Grund und Boden spielten, sich zeitlich mit dem Beginn des Low Konzertes überschnitten, und parallel Belle und Sebastian musizierten, war der Platz vor der ATP-Bühne gerappelt voll.
Low sind die Band des Ehepaares Alan Sparkhawk und Mimi Parker. Zusammen mit Bassist Steve Garrington bilden sie seit 2008 Low. Die Band selbst existiert jedoch viel länger, seit 1993. Ihre spröden und trockenen Songs beeindruckten alle Anwesenden (mich eingeschlossen) sehr. Immer wieder gab es Applaus auf offener Bühne. Das ist bei Festivalkonzerten selten der Fall und ich deute das als 100 % es Fantum und große Wertschätzung.
Leicht angeknockt waren wir nachmittags zu einem der freien und öffentlichen Konzerte in den Parc Central del Poblenou geschlurft, in der vagen Hoffnung, dort die Füße hochzulegen und nebenbei noch ein wenig Musik mitzubekommen. Sonny and the sunsets hatten wir uns gegen 16 Uhr hierfür ausgeguckt.
Das wir dann stattdessen die Ducktails längere Zeit für Sonny & the sunsets hielten ist in erster Linie unserer Dummheit zuzuschreiben und nur in zweiter Linie der Tatsache, dass die Zeitplanungen für die vier, fünf Bands, die an diesem Nachmittag im Park spielen sollten, ordentlich durcheinander ging und es eben die Ducktails waren, die Punkt 16 Uhr ihr halbstündiges Set begannen.
Erst bei der Ankündigung zum letzten Lied „We are the Ducktails from New Jersey“ wurde nicht nur ich schlauer. Dass anschließend noch Sonny und Co spielten, war da bereits nebensächlich.

Ducktails - Barcelona, 27.05.2011
Die Ducktails hatten mich dermaßen beeindruckt, dass ich dem Sonnenstaatenrock der Sonnys nur noch wenig abgewinnen konnte. Überdies spielten sie auch noch vor der hässlicheren Bühne im Park. Ich hätte mich sehr geärgert, wenn ich mich für ihre halbe Stunde Sonny & the sunsets aufgerafft hätte.
Wie gesagt, die Flaming Lips steckten mir noch in den Knochen.
James Blake sollte daher das erste komplette Konzert werden. Sein Debütalbum gefällt mir sehr, es stand für mich fest, seinen Auftritt zu sehen, zumal ich sein Kölner Konzert im Frühjahr verpasst hatte. Und so führte uns der Weg direkt an das Mittelmeer. Die Pitchfork Bühne, auf der James Blake seinen ersten Festivalauftritt gestalten sollte, liegt nur durch einen Maschenzaun vom Meer getrennt auf einem Kai. Hier, in unmittelbarer Nähe zur Hauptbühne, hatte der junge Engländer mit seinen beiden Begleitern (Schlagzeug und Gitarre) gegen den Krach der großen Bühne anzuspielen. Vorher mutmaßten wir, ob seine ruhigen und spärlichen Sounds auch live funktionieren würden. Zur allgemeinen Beruhigung sei festzuhalten: sie taten es. Egal ob „Limit to your love“ oder „I never learnt to share“, um mal die Hits rauszugreifen. Ein kleineres Problemchen stellte nur der zwischenzeitlich rüberschwappende Lärm von M. Ward, die auf der Bühne spielten, dar. Merklich irritiert schaute James Blake das ein oder andere mal in den ruhigen Sequenzen schräg rüber.

James Blake - Barcelona, 27.05.2011
Das störte aber wenig. Ich fand seinen ersten Festivalauftritt sehr gelungen und entschied mich, bis zum Schluss zu bleiben. Viele andere taten das nicht, gegen neun Uhr kam sichtbar Bewegung in das Publikum. The National, die gleich am anderen Ende des Geländes auftreten sollten, saugten die Besucher geradezu an.
Dass ich standhaft blieb, sollte ich später mit dem Nichtsehen der Amerikaner „büßen“. Als ich nämlich eine halbe Stunde später vor der zweitgrößten Bühne auftauchte, spielten The National nicht nur bereits, sondern ich fand auch nur so weit hinten noch einen Platz, dass ich kaum etwas sah und nervend im Durchgangsverkehr stand.
Das kann jawohl nicht sein, dachte ich mir und kramte den Ablaufplan (übrigens von einem Iren entworfen und ins Netz gestellt, dessen Grüppchen wir kurz zuvor bei James Blake trafen. „Wo hast du den Plan her?“ „Aus dem Internet.“ „Oh, hey, der ist von ihm.“ „Ach echt, danke fürs zusammenstellen.“) hervor. Ich entschied mich kurzerhand, Half Japanese anzuschauen. Die ATP-Bühne war von einer Tribüne flankiert, da konnte man sich hinsetzen, und da ich langsam Hunger bekam, dachte ich, es wäre eine gute Idee, mir was zu essen zu kaufen und dann gemütlich kauend die amerikanischen Rockmonster anzusehen.
Gesagt, getan. Ein Bocadillo später saß ich auf der wenig gefüllten Tribüne und hörte und sah 90er Jahre Alternativ. Schon wieder ein Altherrenkonzert, dachte ich. Die Amis aus Austin existieren seit über 30 Jahren. Im Laufe der Zeit gab es unterschiedliche Besetzungen, und mittlerweile ist Jad Fair einziges ständiges Mitglied. Anfang der 90er Jahre hatten Half Japanese ihre Hochphase. 1993 erschien eine Dokumentation über die Band. „Half Japanese: The Band That Would Be King“. “The funniest Rock’n’Roll movie since Spinal tap”, wie die Chicago Tribune titelt.
Sie tourten mit Nirvana und arbeiteten unter anderem mit Yo la tengo und Sonic Youth. Und genau in diesem Kontext ist das musikalische Element der Band zu sehen.
David Fair, der Bruder von Jad, gibt dazu die Anleitung:
How to play Guitar by David Fair (via: Hompage)

I taught myself to play guitar. It’s incredibly easy when you understand the science of it. The skinny strings play the high sounds, and the fat strings play the low sounds. If you put your finger on the string farther out by the tuning end it makes a lower sound. If you want to play fast, move your hand fast and if you want to play slower move your hand slower. That’s all there is to it. You can learn the names of notes and how to make chords that other people use, but that’s pretty limiting. Even if you took a few years and learned all the chords you’d still have a limited number of options. If you ignore the chords your options are infinite and you can master guitar playing in one day.

Half Japanese haben seit 10 Jahren kein Album mehr veröffentlicht. Eine Tatsache, die sie mit dem eigentlichen Höhepunkt des heutigen Tages verband: Pulp. Auch die Briten veröffentlichten 2001 ihr siebtes und bisher letztes Album.

Half japanese - barcelona, 27.05.2011
Wie das Konzert der Engländer ablief, steht hier in aller Ausführlichkeit erklärt. An dieser Stelle sei nur kurz erwähnt, dass ich mich bei Disco 2000 (Nummer fünf der Setlist) aus dem inneren Zirkel verabschiedete und mir das Spektakel von weiter hinten anschaute. Es waren viele Engländer vor Ort und zusammen mit bekoksten Spaniern ergibt dies eine sehr euphorische Meute, die Pulp mächtig abfeierten. Was ganz klar verdient ist!
Ich musste aber nicht mitfeiern.
Ich hatte immer ein etwas distanzierteres Verhältnis zu der Band. Jarvis Cocker, der alte Schlacks, ist toll, keine Frage, aber viele Pulp Sachen geben mir nicht so viel, als das ich mich als großen Fan bezeichnen würde. Mit Ausnahme des kompletten „ This is hardcore“ Albums, von dem bin ich ganz großer Fan. Daher ärgerte ich mich nicht allzu sehr, dass ich nach einer guten Stunde Pulp ein wenig müde wurde und mein Abstand sich zur Bühne immer mehr vergrößerte. Auch Tag zwei zeigte langsam Wirkung und es war an der Zeit, ins Hotel zurückzugehen. Aber nicht ohne den ganzen Weg „Do you remember the first time“ im Ohr zu haben.
Zusatz: Ach ja, Explosion in the sky waren ja auch noch. Sie füllten das Zeitloch zwischen Low und Pulp. Nach den spanischen Toundra und Islet bereits die dritte Postrock Band, die wir sahen, und morgen sollten wir ja noch Mogwai und The Album Leaf verpassen. Ist Postrock der Sound des Sommers?
Explosion in the sky waren: grandios!

Setlist Low:
01: Nothing but heart
02: Monkey
03: Silver Rider
04: You see everything
05: Pissing
06: Last Snowstorm of the year
07: Witches
08: Especially me
09: Try to sleep
10: Sunflower
11: Murderer
12: Canada

Multimedia:
Fotos: frank@flickr

Kontextkonzerte:
Das Fazit eines Festivals. Der erste Tag.

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