Ort: Nieuwe Nor, Heerlen
Vorband:

Arrested Development - Heerlen, 13.06.2025

Konzertbesuche direkt nach dem Primavera Sound Festival sind anstrengend. Eigentlich bin ich noch viel zu müde, um wieder unterwegs zu sein, eigentlich bin ich auch noch überfordert von den Eindrücken der Festivaltage und eigentlich möchte ich jetzt erstmal etwas Ruhe und eine kurze Pause, um zu verschnaufen. Doch leider gewährt mir der Konzertkalender diese nicht immer. Das war in den vergangenen Jahren so, das ist auch in diesem Jahr so.
Und hey, ein kleines Konzert fünf Tage nach dem Primavera ist nun wirklich nichts Dramatisches und keine große Sache. Allerdings verspürte ich wenig Energie, an diesem Freitagabend nach Heerlen zu fahren, um mir Arrested Development anzusehen. Auf der Habenseite stehen allerdings der erstmalige Besuch des großen Saals im schönen Nieuwe Nor und die gemütlichen Spielzeiten der amerikanischen Hip-Hopper, die tatsächlich vor 22 Uhr mit ihrem Set durch sind.
Also alles egal. Auf zum Kurzabstecher nach Heerlen ins Nieuwe Nor. Seit dem Umbau der Konzertlocation vor ein paar Jahren, besitzt der Laden einen zweiten, größeren Saal im Obergeschoss des Gebäudes. Ich kenne bisher nur den alten Konzertsaal und das Café, in der ersten Etage – und damit im großen Konzertsaal – war ich bisher noch nicht.

„Tennessee“, „Mr Wendal“, „Ease my mind“, „People everyday“. Für den Zeitraum von zwei Alben waren Arrested Development in den 1990er Jahren kurzzeitig eine große Rap und Hip-Hop Band. Eine sehr große sogar. 1992 veröffentlichten sie ihr Debütalbum 3 years, 5 months and 2 days in the life of…, das damals alle Grenzen sprengte. Amerikanischer Hiphop nicht von der Ost- oder Westküste, sondern vom ‘Land’, das war neu. Deutlich distanzierten sich Arrested Development vom branchenüblichen Gangsta Rap der damaligen Zeit, vom Gezerre zwischen East Coast und West Coast. Wie nannte man das seinerzeit, Flowerpower Rap oder so ähnlich. Ja, Arrested Development hatten ein Alleinstellungsmerkmal in der Hip-Hop Branche.
„People everyday“, „Mr Wendal“, „Tennessee“, die drei Singles des ersten Albums, sind allesamt Evergreens. Über 6 Millionen Mal wurde das Album verkauft. Das 1994 erschienene Nachfolgealbum Zingalamaduni verkaufte sich wenig, hatte aber immerhin „Ease my mind“ in der Playlist. Dazwischen lag ein MTV unplugged Album. Das ist aber nichts ungewöhnliches, das machte in den 1990er Jahren jede Band, die ein, zwei Hits hatte und sich danach nicht schnell genug auflösen konnte. Will sagen, Arrested Development waren oder sind ehrlicherweise eine one-album Band. Denn das war es. Die Platten der 2000er und 2010er Jahre – immerhin knapp 10 Alben – kennt wahrscheinlich nur die die-hard Fanbase. Auch ich hatte 3 years, 5 months and 2 days in the life of…, allerdings nur auf Kassette. „Tennessee“ fand ich damals toll, ich verwurschtelte den Song oft auf Mixkassetten.
Natürlich habe ich seitdem wenig von Arrested Development gehört oder gar gesehen. Und ehrlich gesagt wusste ich eine Zeitlang gar nicht, dass die Gruppe noch existiert und Musik macht. Erst vor ein oder zwei Jahren kam ich irgendwie wieder auf Arrested Development. Ihr Konzert in Köln fiel vor Jahren einem Verkehrschaos bzw. Staus beinahe zum Opfer, erst spät am Abend trafen sie in Ehrenfeld ein und spielten dann ab 23 Uhr ihr Konzert.

Und so sehe ich mich zum ersten Mal im großen Saal des Nieuwe Nor stehen und denke, ‘mhh, der kleine Saal ist aber doch nicht viel kleiner oder täusche ich mich’. Ich bin nicht so gut im Raumvolumen abschätzen, was mir auffällt ist, dass dieser Saal die deutlich größere Bühne hat. Wie dem auch sei, in den Saal passen 900 Leute und ich würde schätzen, dass 500 vor Ort sind. Aber auch beim Personenanzahl schätzen bin ich schwach, es kann also auch ganz anders sein.

Die aktuelle Tour führt Arrested Development hauptsächlich durch England, Frankreich und Benelux, bevor sie dann lange in Übersee Konzerte geben.
Größtenteils entdecke ich Ü40 Publikum. Klar, es gibt wenig Gründe, warum twentysomethings diese Band entdecken sollten. Der Zeitplan ist entsprechend angepasst. Pünktlich um 20.30 Uhr stehen Arrested Development zu siebt auf der Bühne. Die Band ist eine von wenigen Rap Combos, die ihren Sound live mit Instrumenten einspielen und nicht nur einen MC und digitale Sounds dabeihaben. Zwar haben sie auch einen MC, aber der spielt live eine weniger bedeutende Rolle. Statt Playback gibt es also eine Band mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und Synthesizer. Dazu stehen zwei Sängerinnen auf der Bühne. Rapper Speech ist nach wie vor die Hauptperson bei Arrested Development. 1988 gründete er die Combo zusammen mit Timothy Barnwell, aktuell ist er das längste und älteste Mitglied der Gruppe.

Relativ schnell wird das Dilemma von Arrested Development offensichtlich. Sie haben nur diese eine Platte, diese eine Handvoll Songs, die jeder kennt. Alle anderen Sachen – behaupte ich mal – kennt hier vielleicht 5 Leute. Und damit allein bestreitet man nur schwer ein Konzert, wenn man die Stimmung einigermaßen auf Level halten möchte. Dabei muss man bedenken, dass ein Hip-Hop Konzert mehr vom Mitmachen und von der Stimmung lebt als z. B. das Konzert einer Shoegaze Band. Was also tun? Arrested Development behelfen sich damit, dass sie Schnipsel der Songs immer wieder in ihr Set einbauen und Medleys zusammenmixen. „People everyday“ höre ich so gefühlt dreimal, bevor sie am Ende des Konzerts den Song in voller Länge spielen. Bei „Mr. Wendal“ ist es ähnlich. Leider verpufft dieser Effekt bei mir total, ich kann mich damit nicht anfreunden. Im Gegensatz zu vielen anderen, die bei jedem noch so kurz angespieltem bekannten Takt freudig losjubeln.
Dabei können die neuen Songs scheinbar auch was. „Back down“, ein Song vom kommenden Album, hat ordentlich Druck; Gitarre und Drums sind lauter, klingen energischer. Er gefällt mir. Doch dabei bleibt’s. Anstelle weiterer neuer Songs bevorzugen sie ein Medley aus „Jump around“ (House of pain) und „Jump“ (Kriss Kross) sowie beinahe alle Songs vom großen Album 3 years, 5 months & 2 days in the life of…. Das bringt natürlich mehr Stimmung.
Nach guten 90 Minuten endet das Konzert gegen 22 Uhr altersgerecht. Es war unterhaltsam, aber vollends überzeugt haben mich Arrested Development nicht. Anyway. Gut, sie mal gesehen zu haben.
Am Merch gibt es schöne T-Shirts. Man kann sie allerdings nur gegen Barzahlung erstehen. Und Bargeld habe ich, wie viele andere potentielle T-Shirt Käufer auch, nicht dabei. Schade und ärgerlich. Ich hätte mir sehr gerne eins gekauft.

Wenigstens finden die stichprobenartigen Grenzkontrollen am Grenzübergang der A4 abends nicht statt, so dass einer zügigen und staufreien Heimfahrt nichts im Wege steht.
Freitagabend nach Heerlen, kann man mal machen.

PS: Im Juli veröffentlichen Arrested Development ein neues Album.

Setlist:
01: Give a man a fish
02: Revolution
03: Dawn of the dreads
04: Fishin‘ 4 Religion
05: Ease my mind
06: Raining revolution
07: Tennessee
08: Back down
09: Jump / Jump Around
10: Mr. Wendal
11: Natural
12: Mama’s always on stage
13: Children play with earth
14: People everyday

Kontextkonzerte:

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