Mein Konzertjahr 2018.
Gefühlt habe ich im letzten Jahr mehr Konzerte gesehen als die Jahre davor. Gefühlt, weil mein Eindruck mich täuschen kann, denn mit Zahlen kann ich das nicht belegen. Das heißt, ich könnte es schon, aber dazu habe ich keine Lust. Der Besuch von Konzerten beinhaltet für mich kein Führen von Listen und intensiven Auswertungen. Das ist mir zu lästig. Ich besuche Konzerte, weil ich Spaß daran habe, Musik live zu erleben. Rational intensiver beschäftige ich mich mit meinen Konzerten nicht. Ich versuche einfach, die schönen Konzerte in Erinnerung zu behalten und die weniger Guten nicht gänzlich zu vergessen. Gegen das Vergessen hilft mir dieser Blog ganz gut. Dinge, die darüberhinaus gehen, lehne ich für mich ab.
2018 ging also gefühlt sehr oft. Aber gefühlt genauso oft habe ich schöne und interessante Bands verpasst. Manchmal, weil das Wetter zu mies war, um in die Stadt zu fahren, manchmal, weil ich zu faul war und manchmal auch, weil das Budget für Konzertbesuche einfach erschöpft war.Durch Zufall habe ich im letzten Jahr viele neue Festivals entdeckt, ein unbestrittenes Highlight in meiner Rückschau. Das Little Waves Festival in der C-Mine in Genk nenne ich an erster Stelle, weil der Akustikauftritt von Mercury Rev ein ganz besonderes Konzert war.
Gleich dahinter folgt Polica mit dem stargaze Ensemble. Das Cross-linx, ein Festival in Eindhoven, das dieses Jahr leider nicht mehr stattfindet, brachte mir diese tolle Livekombination in einem atemberaubenden Theatersaal.
Cross-linx Festival – Eindhoven, 02.03.2018
Little waves Festival – Genk, 14.04.2018
Den Künstler, den ich unbedingt einmal sehen wollte und den ich 2018 dann gleich zweimal sah, führte mich auf sehr unterschiedliche Festivals. Das Absolutely free Festival in Genk (in der belgischen Arbeiterstadt war ich im letzten Jahr sehr oft) im Sommer bei sengender Hitze stand nur auf meinem Programm, weil Sun Kil Moon dort einen Gig spielten. Gegen den symbolischen Eintritt von drei Batterien erlebte ich den ex- Red House Painters Sänger das erste Mal live und war fasziniert. Die Aura dieses Mannes ist einzigartig, seine Musik mir eine Besondere.
Absolutely free Festival – Genk, 04.08.2018I
Im Herbst, traditionell die Zeit für Städtetrips, bot mir das BIME Festival Gelegenheit, Bilbao kennenzulernen. Die spanische Stadt, eher bekannt für gutes Essen, hat ein spektakuläres Messegelände, in dessen Hallen 1 und 3 alljährlich als Abschlussveranstaltung eines Musikkongreßes das BIME Festival stattfindet. Wieder waren Sun Kil Moon der Trigger für den Trip. Das BIMELive bot aber darüber hinaus weitere tolle Bands: unvergessen wird mir der sehr traurig und einsam anmutende Auftritt von John Maus in Erinnerung bleiben, der hier zum ersten Mal ohne seinen Monate zuvor verstorbenen Bruder auftrat.
Stephen Malkmus lieferte gewohnt souverän und die mir bis dato unbekannten Unknown Mortal Orchestra und Rolling Blackouts Coastal Fever überzeugten mich mit ihren Auftritten sehr. Ebenso überzeugt haben mich die Macher des BIMELive, die es tatsächlich schafften, in einer Messehalle sowas wie Konzertstimmung aufkommen zu lassen.
BIME Live Festival – Bilbao, 26. – 27.10.2018
Mein neuntes Primavera Sound Festival war wie immer gut und sehr erholsam. Ich glaube, über dieses Festival muss ich nichts mehr sagen. Diese Kombination aus guten Bands, im letzten Jahr zum Beispiel Spiritualized, The sea and cake, Kelela oder Thundercat, und mediterranem Umfeld im Parc del Forum ist einfach unschlagbar. Ich kenne nach wie vor keinen besseren Festivalort.
Primavera Sound Festival – Barcelona, 29.05. – 02.06.2018
Abseits der Festivals sah ich viele neue und alte Bekannte. Magnapop, meine Lieblinge der 1990er Jahre zum Beispiel, spielten beeindruckend gut und auch die Breeders überzeugten mich überraschenderweise. Soviel Elan und Witz hatte ich den Deal Schwestern nicht zugetraut, ihr Gloria Konzert im Juli war wundervoll!
Magnapop – Heerlen, 04.02.2018
The Breeders – Köln, 05.07.2018
Mein heftigstes Konzert kam von Bloc Party im Vorst Nationaal in Brüssel. Eine üble Konzertarena, ein typisch belgischer Brutalismusbau. Als wir ankamen, waren die Oberränge abgehangen und als zur Vorband die Halle gerade mal halbvoll war, sah alles nach einer emotionslosen Veranstaltung aus. Doch es wurde eine irres Konzert, da wie aus dem nichts plötzlich der Laden pickepackevoll war und Bloc Party mit ihrem Silent Alarm (die Band um Muskelprotz Kele spielte an diesem Abend ein Albumkonzert) auch Jahre nach seiner Veröffentlichung noch alle und jeden mitriss. Wann hatte ich nach einem Konzert (aber auch sonst) Blut am Ärmel? Ich bin zu alt für erste Reihe Konzerte!
Bloc Party – Brüssel, 20.10.2018
Nicht zu alt fühlte ich mich bei Spain. Der kleine Ort Eupen hat seit letztem Jahr ein neues Kulturzentrum, Spain führten mich an einem Sonntagabend hierhin. Ein toller Saal und leider viel zu wenig Publikum brachten mir die Band sehr viel näher als sie mir bis dahin war und in der Folge des Abends kaufte ich alle Spain Platten. Auf CD. Ja, Spain haben mich verzaubert. Das hatte ich so nicht auf dem Zettel.
Lana del Rey, hier fühlte ich mich wirklich alt. Im Vorprogramm brillierte Chan Marschall und ich schien der einzige, der das mitbekam. Um mich herum wurde sie von den Teenagermädels und Lana look-a-likes leider nicht wahrgenommen; die waren zu sehr mit Selfiekram beschäftigt. Der Sportpalais in Antwerpen bot mir in Sachen digital natives wirklich sehr viel Neues. Das war mein bisher handyintensivstes Konzert.
Lana del Rey – Antwerpen, 17.04.2018
Leider verpasste ich die Cat Power Konzerte im Herbst. Auch verpasst habe ich die Eels, eine Schande!
Mein schönstes Jazzkonzert kam von The Thing. Ihr Krachjazz war phänomenal gut. Davon brauche ich 2019 unbedingt mehr.
Herausheben sollte ich auch Protomartyr. Zweimal sah ich die Band im letzten Jahr, beide Male erschlugen sie mich mit ihrem energischen und skurrilen Auftreten.
Protomartyr – Köln, 22.04.2018
Protomartyr – Düsseldorf, 13.08.2018
Und je länger ich darüber nachdenke und diesen Artikel verfasse, es gab noch viel, viel mehr schöne Abende: Beck und Josh Rouse im Brüsseler AB, Let’s eat Grandma, FACS und Suuns in Köln, Yann Tiersen in der Elbphilharmonie oder Julia Holter in den Bochumer Kammerspielen. Und nicht zu vergessen Nada Surf und ihre wunderbare Let go Albumshow im Bürgerhaus Stollwerck. So schwelge ich gerne in Erinnerungen längst vergangener Alben.
Yann Tiersen – Hamburg, 07.03.2018
Suuns – Köln, 08.04.2018
Nada Surf – Köln, 10.04.2018
Josh Rouse – Brüssel, 19.04.2018
Let’s eat Grandma – Köln, 20.04.2018
Beck – Brüssel, 06.06.2018
Rolling Blackouts Coastal Fever – Köln, 13.11.2018
FACS – Köln, 15.11.2018
Julia Holter – Bochum, 27.11.2018
Eine Reihenfolge aus den Konzerten in diesem Beitrag kann ich nicht erstellen. Alle waren gleich toll und die Abende jeder für sich auf eine spezielle Art schön und erlebenswert!