Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Johannes Bügeleisen

SuunsDa sind sie wieder! Nachdem es um die kanadische Band in den letzten Jahren konzertmässig etwas ruhiger geworden ist, haben Suuns ein neues Album veröffentlicht. Felt heißt die Scheibe und sie klingt wunderbar. Da ist es nur zu obligatorisch, dass ich bei der anstehenden Tour kurz vorbeischaue und ein wenig  mittanze. Ach, dieser Bass. Hach, diese Melodien. Suuns sind toll!

Trennung.

Ich schrieb natürlich Unsinn im ersten und zweiten Satz. Ruhig war es um die vier Musiker nämlich überhaupt nicht. Zwar gab es keine neue Suuns Platte, aber es gab Suuns & Jerusalem in my heart, die Zusammenarbeit der Bandmitglieder Ben Shemie, Liam O’Neill, Max Henry und Joseph Yarmush mit dem Produzenten and Musiker Radwan Ghazi Moumneh. Als Suuns & Jerusalem in my heart veröffentlichten sie 2015 ein Album. Im gleichen Jahr sah ich Suuns als Suuns and Jerusalem in my heart zum letzten Mal, in Utrecht beim Le Guess who.
Halt, stimmt nicht, der erste Sommertag des Jahres macht mein Gehirn mürbe. 2016 spielten sie ja auch auf dem Primavera. Gerade kommt mir der riesige, luftgefüllte Suuns Schriftzug wieder in den Sinn, der den größten Teil der Bühne in Beschlag nahm.
Gut erinnern kann ich mich an mein erstes Suuns Konzert im Keller des Kölner Stadtgartens: es war voll, es war schwitzig (gehört in einem vollem Studio 672 unweigerlich zusammen), es war knalllaut. Das war ihr Konzert zur zweiten Platte, die bis dato immer noch mein Lieblingsalbum ist.
Allerdings kann sich das ändern. Gebt mir noch ein paar weitere Durchläufe von Felt und die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Scheibe Images du Futur als Lieblingsplatte ablöst. „Control“ zum Beispiel ist ein Riesenhit, der keine zwei Durchgänge benötigte, um aufzufallen. Andere, wie „Make it real“ oder „Daydream“, kommen nach zweimaligem Hören rasch dazu. Beide Songs haben diesen typischen Suuns Bass, dieses Gewummere, das sich unwiderstehlich in die Magengrube kitzelt.
„Music won’t save you“ heißt der letzte Song auf Images du Futur. Music won’t save me, daran muss ich immer denken, wenn ich Suuns Songs höre. Die klingen in meinen Ohren so desaströs, melancholisch und ernüchternd, dass ich geneigt bin, dem unumwunden zuzustimmen. So ergeht es mir auch bei den neuen Stücken von Felt. Das ist durchaus eine positive Qualitätssaussage.

Es ist angenehm leer, als ich zu EBM-esker Mucke des Johannes Bügeleisen das Gebäude 9 erreiche. Allein steht er hinter seinen Knöpfen und spielt einen mich an die Endachtzigerjahreindiedisco erinnernden Track nach dem anderem. Seine Bühnenpräsenz wirkt dabei irgendwie amüsant und ich frage mich, ob der Auftritt als reine Ironie zu betrachten ist. Ein musikalischer Alleinunterhalter für den 60. Geburtstag eines Gothic-Gruftie-Fans, so sehe ich in diesen Augenblicken den Auftritt Johannes Bügeleisens. Durchaus interessant, denke ich so, als ich das im Hintergrund hängende Bühnenbild von Suuns betrachte. Also beides ist durchaus interessant, Johannes Bügeleisen und das Bühnenbild. Ein auf Großformat abgezogenes Bild, das 11 Frauen zeigt, die ihr Spiegelbild in einem Teich betrachten, bedeckt den Bühnenhintergrund über die gesamte Breite. The Mirror of Venus so der Titel des alten Schinkens, den Namen des Malers habe ich vergessen.

Während der Umbaupause kann ich den Print genauer studieren, während des Suuns Auftritts geht es dagegen im Null- und Flackerlicht ein bisschen unter. Irgendwie schade. Natürlich ist es nahezu dunkel, als Suuns ihre Basstiraden und Soundschichten in ein mittlerweile gut gefülltes Gebäude 9 dreschen. Natürlich ist es dunkel, weil so ihre Musik besser funktioniert. Suuns wissen das und setzen deswegen die Lichtanlage spärlich ein. Schicht auf Schicht legen sie die Gitarren und das Keyboard zusammen, bis ein einzigartiger Sound entsteht, der mich vollkommen einnimmt. Die ersten 20 Minuten spielen sie en bloc und es ist der Wahnsinn. „Look no further“, „X-ALT“, „Watch you, watch me“, „Baseline“, ich hoffe, ich habe mir das richtig gemerkt. Diese Songs setzen eine Duftmarke, von der ich mich den Rest des Abends nicht mehr wirklich erhole. Das war schon stark und mit die beste halbe Konzertstunde, die ich je gehört habe!
Später dann zu „Control“ gräbt Ben Shemie zwei Triangel aus, die ich allerdings neben Schlagzeug und Gitarre kaum wahrnehmen kann. Der Schlagzeuger ist ein Tier. Gefühlt ist sein Instrument am Ende des Konzertes einen halben Meter näher an den Bühnenrand gerückt, so wild bespielt er die Becken und Airpads. Neben dem Schlagzeug dominieren die Gitarren den Abend, in dem einen oder anderen Song hat das Suuns Konzert etwas von purem Noise („Daydream“) und lässt die Elektroeinflüsse der letzten Jahre außen vor. Dass dabei die feinen Zwischentöne der aktuellen Platte ein wenig zu kurz kommen, ist sehr verschmerzbar. Bei „Peace and love“ vergessen sie das Saxophon, aber zum Ausgleich zieht mir der Bass fast die Magengrube weg. Wow! Laut ist live nicht verkehrt, und laut sind Suuns!

„2020“ erkennt jeder nach den ersten Gitarren, es ist eines der wenigen Songs von Images du Futur, den die Kanadier an diesem Abend spielen. Nach 60 Minuten haben Suuns alles gesagt. Das sanft ausklingende „Edie’s Dream“ spült mich aus der Halle. Draußen ist es noch angenehm warm. Ein perfektes Ende eines perfekten Konzertes.

Suuns sind eine Klasse für sich. Der Abend saß.

„I saw the …with the light in your eyes
Yeah you were singing about, something
I hear your man, see you look that way
The music won’t save you“

 

Kontextkonzerte:
Suuns – Köln, 06.05.2013 / Studio 672
Suuns – Best kept secret Festival, 23.06.2013
Suuns – Le Guess Who?, 21.11.2015
Suuns – Primavera Sound Festival, 02.06.2016

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