Ort: Ancienne Belgique, Brüssel
Vorband:

Beck„Where it’s at“, „Devils haircut“ und natürlich „Loser“ sind so Spontanassoziationen, die mir zu Beck einfallen. Im nichtmusikalischen Rahmen müsste ich Scientology nennen.
Beck Hansen. In den 1990er Jahren nahm ich ihn lange als one-hit wonder wahr. „Loser“ war zur damaligen Grunge Hochzeit der Song, auf den sich auch nicht Grunger einigen konnten. Entsprechend erfolgreich war die Single des ersten Albums Mellow Gold, auf den Musikfernsehprogrammen lief sie rauf und runter und Beck wurde der nonplusultra Slacker seiner Zeit. Wann war das noch? 1993, richtig. Pavement waren erst später. Zu dieser Zeit sah ich Beck das bisher einzige Mal live. Im sogenannten kleinen E-Werk in Köln spielte er eine knappe dreiviertel Stunde lang ein Konzert, das natürlich mit „Loser“ endete. Mellow Gold hatte sonst keinen größeren Hit, „Beercan“, das man noch kennen könnte, fand und finde ich eher geht so. Das Beck Hansen verwandtschaftliche Verbindungen nach Köln hatte, war da fast interessanter. Beck war „Loser“, und dann erstmal nichts. Aber ach, ich weiß gar nicht mehr so genau, wie damals meine musikalischen Vorlieben abseits von Grunge ausfielen. Neneh Cherry mit Homebrew, ja. Aber sonst? Ein bisschen britische Popmusik und die Nine Inch Nails, glaub‘ ich.
Mit Odeley („Devils haircut“, „The new pollution“, „Where it’s at“) wurde Beck Hansen groß. Das leicht irre von Mellow Gold hatte er etwas abgelegt, seine Songs bekamen mehr Struktur und – so empfinde ich es – waren angenehmer anzuhören. Neben Odeley  und Mutations, die ich beide oft hörte, verfolgte ich Beck noch bis Sea Change, dann klinkte ich mich aus. Die Zeit war um, Beck wurde irgendwie komisch, trat in die Scientology Sekte ein und verschwand aus meiner musikalischen Wahrnehmung. „The Golden Age“ blieb mein letztes Beck Lieblingslied.
Die nachfolgenden fünf Alben gingen mir also durch, die Konzertankündigung für das Brüsseler AB nicht. Für das erste Konzert reichte es ticketmäßig nicht mehr, ich war zu spät dran. Beziehungsweise es war für mich zu schnell ausverkauft. Aber da rasch ein Zusatztermin angesetzt wurde, bot sich eine zweite Chance, die es zu nutzen galt. Und die genutzt wurde.

Der heißeste Tag des Jahres. Das Primavera steckt mir noch ein wenig in den Knochen, als ich mich ins AB aufmache. Muss das heute wirklich sein? Wieso kam ich nur auf diese Idee, unter der Woche nach Brüssel zu fahren? Lohnt sich das überhaupt? Fragen, die mir vor einem Konzert oft in den Sinn kommen und die genauso schnell wieder verschwunden sind, wenn das Konzert einmal zugange ist. Natürlich lohnt ein Beck Konzert, nach über 20 Jahren steht das doch völlig außer Frage. Und genau das war der Punkt: es reizte mich unendlich, Beck noch einmal live zu sehen. Diese alberne E-Werk Show damals kann es einzig nicht gewesen sein.

„Loser“. Der erste Song des Abends im AB und das Konzert fängt damit an, womit das 199…Jahre Konzert aufgehört hat. Was für ein schöner Zufall!
Ich hatte in den Stunden vor dem Konzert die Setlisten seiner letzten Konzerte durchgeschaut und zwei Ausführungen gefunden, die sich inhaltlich dann von Konzert zu Konzert nur minimal unterschieden. Eigentlich wäre an diesem Abend die Setlist mit „Devils haircut“ zu Beginn an der Reihe, darauf war ich innerlich vorbereitet. Dass dann „Loser“ als erstes gespielt wurden, überraschte mich. Das war neu und wurde auf der bisherigen Colors-Tour so noch nicht praktiziert. Es muss daran liegen, dass diese AB Zusatzshow die zweite innerhalb von zwei Tagen in Brüssel war. Vielleicht wollte man den Leuten, die tags zuvor schon da waren, ein bisschen Abwechslung bieten. Das gelang und mir war es recht so. Denn es folgte eine Art best-of Konzert, die Songs des aktuellen Albums Colors, die die beiden anderen Setlistvariationen befüllen, bleiben bis auf „Wow“ (Wow!), „Colors“ und „Up all night“ außen vor. Stattdessen kam schnell „Beercan“ und das erste Majoralbum des Scientologen war abgearbeitet.

Musikalisch wurde der Abend top, inhaltlich für meinen Geschmack ein wenig zerfahren. Beck hatte nämlich zwei ‘Problemchen‘: seine Alben sind musikalisch mitunter sehr unterschiedlich. Elektronik, Country, Pop, Rock, all die Musikeinflüße höre ich hier und da mal mehr Mal weniger. Da sich die Band für diesen Abend vorgenommen hat,  wie er irgendwann während des Konzertes erzählte, möglichst viele Hits aus den unterschiedlichen Alben zu spielen, ging es kunterbunt durcheinander.

Psychodelischer Folk („Heart is a drum“), Rap („Devils haircut“), Countrypop („Girl“), Discomainstream (Wow“).
Beck kann alles und spielte an diesem Abend auch alles. Ich empfand irgendwann die ständigen Stilwechsel ein bisschen anstrengend. Aber was willste machen, wenn da jemand auf der Bühne steht, der 25 Jahre lang Alben produziert und sich dabei nie auf nur einem Stil  ausruhte, sondern sich mehrmals neu definierte. Die einzige Beck Konstante ist die Mischung unterschiedlicher Musikgenres, die Menge der jeweiligen Zutat variiert von Album zu Album. Das aktuelle Colors sei wieder mehr Mainstreamdiscopop, lese ich.

Die Band raste gefühlt durch das Set. Der enge Curfew im AB, alle Konzerte enden dort um 22.30 Uhr damit die Besucher noch die Möglichkeit haben, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu kommen (Ein Ticket brauchen sie dafür nicht extra: eine nahverkehrskarte für den Bereich Brüssel ist im Ticketpreis enthalten und für nur 9 Euro Zusatzzahlung kann man das gesamte Bahnnetz der belgischen Bahnbetriebe nutzen), und das Ansinnen, möglichst viele Songs zu spielen, ließ wenig Gesprächspausen zu.
Zeit blieb aber für ein paar Coversnippets. „I feel love“ in „Think i’m in love“  etwa oder Prince’s „Raspberry Beret“. Auf der akustischen Gitarre klang das toll. Ein vier Songs langer Akustikpart ohne Band lockerte das Konzert zwischenzeitlich ein bisschen auf. „Debra“ war einer der Songs, das Prince Cover ein anderer.

Sehr schön das alles und natürlich eine abendliche Fahrt nach Brüssel wert! Beck ist nach wie vor wichtig und ich habe ihn an diesem Abend neu für mich entdeckt! Eine Schande, dass ich nach Sea Change nichts mehr von ihm gehört habe. Denn wie toll bitte ist denn nur zum Beispiel „Gamma Ray“?

Setlist:
01: Loser
02: Up All Night
03: Think I’m in Love
04: Beercan
05: Paper Tiger
06: Wow
07: Lost cause
08: Gamma Ray
09: Debra
10: Raspberry beret
11: Blackbird chain
12: Blue Moon
13: Devils haircut
14: Girl
15: Heart is a drum
16: Dreams
17: Colors
18: Sexx laws
19: E-Pro
Zugabe:
20: Where It’s At
21: One foot in the grave

Kontextkonzerte:

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