Ort: Gloria Theater, Köln
Vorband: Pip Blom
Nun also doch noch The Breeders. Warum denn auch nicht? Auf dem Primavera vor ein paar Wochen habe ich sie noch verpasst bzw. das zeitgleich stattfindende Thundercat Konzert war mir wichtiger. Ruhigen Gewissens konnte ich den Breeders Auftritt ein paar Bühnen weiter allerdings nicht sausen lassen, denn dass es später im Gloria klappen würde, war nicht von langer Hand geplant.
Für das ausverkaufte Konzert hatte ich mir keine Tickets besorgt. Schlafmützigkeit kennt keine Grenzen, aber vorgestern ergab es sich dann, dass ich doch noch eine Eintrittskarte erhaschen konnte. Lucky me, denn als ich kurz danach das aktuelle Album All nerve hörte, war ich positiv überrascht. Also sehr positiv. Bereits nach dem ersten Song „Nervous Mary“ spürte ich, dass es ein ganz besonderes Album ist, das die Breeders hier veröffentlicht haben. Es erinnerte mich an die 1990er Jahre, an mein Lieblingsmusikjahrzehnt. Kim Deals schnörkelloser Gesang, die unaufgeregten Gitarren, die ab und an leicht stolpernden Sounds. Als ob die Zeit 1995 stehengeblieben sei und Last Splash nicht die Breeders Eintagsfliege, die sie irgendwie ist. Denn es blieb nur ein weiteres Album, dass die Band in den 1990er Jahren veröffentlichte. All nerve ist die fünfte Scheibe, 10 Jahre nach dem letzten und das erste in der alten Last Splash Besetzung.
Vor 5 Jahren sah ich die Breeders zum letzten Mal. Damals tourten sie mit Last Splash und überzeugten mich nicht. Vielleicht lag es auch am Album, denn eigentlich hat Last Splash nur zwei gute Songs: „Cannonball“ und „Divine hammer“. Der Rest, finde ich, geht so. Die Last Splash Jubiläumskonzerte waren also nix, daher sah ich der letzten Veröffentlichung auch skeptisch entgegen. Bis ich All nerve hörte!
Vorne links geht ein bisschen Luft.
Den Hinweis nehme ich dankend an. Es ist der schwülste Tag des Jahres und somit ist es nicht die beste Idee, ein knacke volles Gloria Theater aufzusuchen. Da bin ich für jeden Luftzug dankbar, kühl muss er da noch nicht einmal sein. Das Gloria meldet schon seit Wochen ausverkauft, ein Grund, früher als pünktlich da zu sein. Ein anderer Grund ist die hochgelobte Vorband aus den Niederlanden: Pip Blom. Blutjunge Menschen aus Amsterdam, die mit ihrem Alternative-College-Rock gut ins Programm passten. Musikalisch erinnern sie mich damit an Yuck. Was mich aber stärker fasziniert ist die verblüffende Ähnlichkeit der Sängerin mit der jungen Carol van Dijk. Falls jemand die Sängerin der weltallerbesten holländischen Band Bettie Serveert kennt.
The Breeders.
Die Veteranen. Das Seitenprojekt von Kim Deal und Tanya Donelly. Alkohol- und Heroin. Rock’n’Roll life. Lo-fi-Gitarren-Pop. Die Breeders sind all das. Musikalisch fand ich die Band immer ein bisschen überbewertet. „Cannonball“ ist super, aber viel mehr blieb nie bei mir hängen. Nun stehen sie auf der Gloria Bühne, in der Last Splash Besetzung mit Kim und Kelley Deal, Josephine Wiggs und Jim Macpherson, und man sieht den Deal Schwestern ihr Leben an. Aber sie haben die Talfahrten überstanden und wirken auf mich zufrieden und glücklich. Es wird viel gelacht. Die Schwestern necken sich bei jedweder Gelegenheit. ‘Lach nicht über mich.‘ ‘Ja, ich mach das jetzt. Pass du lieber auf, dass du den Einsatz nicht verpasst.‘ ‘Ruhe jetzt. Ich muss mich konzentrieren.‘
Es war eine Show ohne Show, die die Breeders ablieferten. Josephine Wiggs und Jim Macpherson bildeten die ruhigen Gegenpole. Kann ja auch nicht jeder rumalbern.
Am Mikrofonständer von Kim Deal ist ein Verzerrungsgerät angebracht. Ist klar, dass das nur einen Zweck zu erfüllen hat: die ‚Hirsch-Brunft‘-artigen Geräusche vor „Cannonball“ herauszuzaubern. Ihren MTV Hit spielen sie im letzten Drittel des Sets, in den ersten 10 Minuten verballerten sie bereits „Divine hammer“ und die aktuelle, tolle Single „Wait in the car“. Ich nenne diesen beide Songs, weil es mir die schönsten sind. Obwohl ich auch „Drivin‘ on 9“ sehr schön finde. Genauso wie „Gigantic“. Ich weiß, dass ist von den Pixies, aber irgendwie gehen die Breeders nicht ohne die Pixies. „Gigantic“ spielen sie als letzten Song. Es ist der Kim Deal Pixies Song, ich mag den Gesang. Zu Beginn des Songs heult im Original Black Francis ins Mikrofon, bei den Breeders übernimmt das Kelley Deal. Es gelingt ihr so la la, sie muss selbst über ihr Gekrächze lachen. Wie schon vor „Off you“. Zu diesem Stück spielt Kelley Deal Bass. Sie macht das wohl nicht so oft, denn unter spaßigen Bemerkungen ihrer Schwester packt sie ein DIN A4 zusammengeklebte Notenblatt aus und legte es vor ihre Füße. Dann setzt sie ihre Lesebrille auf und kniet sich auf den Boden. In höchster Konzentriertheit spielte sie „Off you“ und ja, es gelang. Auch wenn sie anfangs skeptisch war und ein bisschen aufgeregt lachen musste.
Drei Songs später sah ich die andere Kelley Deal, wie sie mit einem übergestreiften Wollhandballenschoner die Saiten der E-Gitarre abwischte. „Happiness is a warm gun“ erkennt man nur an den Textzeilen.
Die Breeders sind wieder zurück. Finde ich nicht so schlecht.
„It’s exactly what we should have been doing in nineteen-ninety-fucking-five.“
(Kim Deal)
Kontextkonzerte:
The Breeders – Köln, 22.04.2008 / Luxor
The Breeders – Primavera Sound Festival Barcelona, 24.05.2013
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