Ort: Bumann & SOHN, Köln
Vorband: –
Zu Konzerten von Mackenzie Scott habe ich ein gemischtes Verhältnis. Zum einen ist da meine Schockverliebtheit, die mich bei ihren beiden Primavera Sound Auftritten 2016 übermannte und die mich auch durch ihren Riesenhit „Sprinter“ wochenlang nicht mehr losließ. Solo und mit E-Gitarre spielte Torres wunderbar minimalistisch klingende traurige Indierocksongs. „Sprinter“ gehört dazu, aber auch „Moon & back“ und „Don’t run away, Emilie“ sind wundervoll. Wieder zuhause suchte ich nach Alben, die es jedoch physisch nicht zu kaufen gab und so kaufte ich – ganz gegen meine Art – MP3 Dateien ihrer Songs, um etwas von Torres hören zu können. Ihr Debütalbum erschien 2013, das Sprinter Album 2015 oder 2016. Andererseits habe ich einen Torres Konzertbesuch völlig vergessen und einen weiteren in eher geringer enthusiastischer Erinnerung.
Das vergessene Torres Konzert fand 2017 im Gebäude 9 statt. Ich entdeckte es im Rahmen meiner Suche nach einem anderen Torres Konzert, zu dem ich interessanterweise keinerlei Aufzeichnungen habe. Doch der Reihe nach: Torres im Gebäude 9 ist mir völlig entfallen. Warum, keine Ahnung. Vielleicht lag der Termin ungünstig mit vielen Konzerten drumherum und es ging dadurch unter, vielleicht war es auch einfach nur nicht so gut und verschwand deshalb schnell aus meinem Gedächtnis. Ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, dass mein zweites Kölner Torres Konzert – und das erste im Bumann & SOHN – mich nun wirklich nicht umgehauen hat. Es war im Sommer, es war sehr heiß, es war sehr voll und es war musikalisch anders, als ich Mackenzie Scott in Erinnerung hatte. Viele Dinge also, die nicht für ein gutes Konzertes sprachen und so blieb ich auch nicht bis zum Schluss. Vielleicht blieb ich gar nur eine halbe Stunde. Torres hatte sich musikalisch verändert, und mir gefiel diese Veränderung nicht so sehr. Da waren auf einmal mehr Keyboards und ihr rauer Gitarrenindie wirkte auf mich zu weichgespült. Bei diesem Konzert erwischte sie mich auf dem falschen Fuß, vielleicht überforderte sie mich an diesem Abend auch. Nun ja, das führte zumindest dazu, dass ich für mich das Kapitel Torres schloss.
Dachte ich. Denn an diesem Abend bin ich wieder im Bumann & SOHN und warte auf die New Yorkerin und ihre Band. Wie passt das jetzt zusammen? Auf den ersten Blick überhaupt nicht, auf den zweiten Blick schon. Mein letzter Konzertbesuch liegt fast 2 Monate zurück, ich sehnte mich so langsam wieder nach ein bisschen Livemusik und da ich in den letzten Tagen das ein oder andere Konzert nicht besuchen konnte, kam Torres ins Spiel. Nenn’ es Entzugserscheinungen.
Stutzig machte mich die positiven Plattenbesprechungen ihrer aktuellen Scheibe What an enormous room und neugierig machte mich die Tatsache, dass mir bekannte Menschen dieses Konzert besuchen wollen. Vielleicht sollte ich also hin und mal gucken, wie Torres 2024 klingt. Die Bahn fährt auch gerade stabil und einigermaßen zuverlässig, und wie gesagt, ich hatte dieses Jahr noch keinen Konzertbesuch.
Also Torres. Ein Ticket kaufte ich mir erst ein paar Tage zuvor. Gerade noch rechtzeitig vor der ‘ausverkauft’ Meldung. Und nicht nur das Bumann & SOHN Konzert von Torres ist ausverkauft, nein, alle Deutschlandtermine und viele Europatermine sind mit einem ‘ausverkauft’ geflaggt. Torres zieht; ich bin überrascht, finde es aber gut.
Die Sängerin scheint sich mit ihren letzten drei Alben Three Futures (2017), Silver Tongue (2020) und Thirstier (2021) eine treue Fanbase erspielt zu haben. Das merke ich dann auch, als ich relativ pünktlich im Bumann & SOHN ankomme. Eine Schlange vor der Tür hatte ich hier um kurz nach acht noch nie. Und als ich in den Saal komme, ist es in der vorderen Hälfte schon gut gefüllt. Später höre ich, dass schon zum Einlass eine große Traube Wartender vor dem Club stand und binnen weniger Minuten nach Einlass die ersten Reihen füllten.
Torres ist live und somit auch an diesem Abend eine Band. Es scheint, dass der Solo-Auftritt im Rahmen des Primavera eine Ausnahme war. Auf der Bühne spielen neben Mackenzie Scott Erin Manning am Keyboard, J.R. Bahannon an der Gitarre und Rosie Slater am Schlagzeug. Letztere sehe ich so gut wie gar nicht. Sie sitzt im hinteren Bereich der Bühne, die, weil nahezu ebenerdig, nur von den vorderen Reihen vollständig überblickt werden kann. Das ist das große Dilemma am Bumann & SOHN. Das Konzert startet gitarrenlastig. Sie spielen „Sprinter” und das Konzert klingt gut.
Ihr sechstes Album, What an enormous room, wird dieser Tage veröffentlicht. Die Einflüsse und Sounds reichen von The Breeders bis Goldfrapp, lese ich in einem Review. Nach dem eher lauten Anfang wird es dann etwas poppiger. Die Band spielt eine Reihe neuer Songs und es wird weniger The Breeders und mehr Goldfrapp. Zwischen den Stücken erzählt Mackenzie Scott viel, gibt Erklärungen und erzählt kleine Geschichten zu den einzelnen Songs. Ein, zweimal schweift sie dabei ordentlich ab. Sie nimmt dadurch etwas Fahrt raus und ehrlicherweise muss ich sagen, dass in dieser Phase das Konzert für mich etwas ins Leere läuft.
Grundsätzlich ist meine Stimmung aber gut. Das Konzert ist für mich eindeutig interessanter als ihr letzter Auftritt an gleicher Stelle. Den kleinen Hänger in der Mitte des Konzertes nehme ich wohlwollend hin. Das Set enthält Songs von nahezu allen Alben.
Mit dem drittletzten Song werde ich wieder etwas aufmerksamer. Es wird lauter, die Gitarre übernimmt wieder eine wichtigere Rolle. „Artificial limits“ hat Wumms und die beiden letzten Songs „Collect“ und „Helen in the woods“ stehen dem in nichts nach. Es ist ein schönes und gutes Konzertfinale. ‘Geplant sei, ein 75 Minuten zu spielen’, so Mackenzie Scott vor den letzten beiden Songs, und ‘die seien nun fast um.’ Die Uhr zeigt 22.10 Uhr, als die Band kurz danach die Bühne verlässt. Zur Zugabe kommt Mackenzie Scott alleine zurück. Einen Song spielt sie noch, dann ist der Abend endgültig vorbei. Es ist „Gracious Day“ und damit wäre auch das 2020er Album Silver Tongue abgedeckt. Spät ist es noch nicht. Selbst wenn ich noch kurz mit dem ein oder anderen ein paar Worte wechsle, bekomme ich den 47er Zug. Perfekt.
Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Konzertabend sonderlich lange in meinem Gedächtnis bleibt. Stand jetzt habe ich da Zweifel. Zwischen Torres und mir bleibt es weiterhin ambivalent.
Setlist:
01: Happy man’s shoes
02: Skim
03: Forever home
04: Sprinter
05: Jerk into joy
06: Three futures
07: I got the fear
08: Don’t go puttin wishes in my head
09. Wake to flowers
10: Thirstier
11: Marble focus
12: Artificial limits
13: Collect
14: Helen in the woods
Zugabe:
15: Gracious day
Kontextkonzerte:
Torres – Köln, 13.11.2017 / Gebäude 9
Torres – Primavera Sound Festival Barcelona, 30.05.2015