Ort: Den Atelier, Luxemburg
Vorband: Katie Cole

Billy Corgan,Konzertbericht,Review,Setlist

Billy Corgan schaut grimmig. Seine mächtigen Armen wiegen von hinten nach vorne, von links nach rechts. Mit seinen beiden Umhängemänteln bekleidet sieht er aus wie Graf Zahl. Nur zum Lachen ist ihm gerade nicht zumute.

Talk or play, talk or play? It’s simple and it’s serious. Talk or play?

Kein hallo oder guten Abend Luxemburg; talk or play sind die ersten Worte, die wir von ihm hören. Just hat er seinen ersten Song gespielt, als ihm sichtlich der leicht hohe Geräuschpegel im Atelier zu nerven beginnt. 500 Menschen, viel mehr sind es an diesem frühsommerlichen Abend nicht, stehen vor der Bühne und müssen sich auch erst einmal akklimatisieren. Von der Bar scheppern noch ein paar Gläser, der ein oder andere muss seinem Nachbarn vielleicht mitteilen, wie befremdlich Billy Corgan in seinen wallenden Umhängen aussieht. Neben Graf Zahl denke ich wahlweise an Draculafilme aus den 1930er Jahren oder an einen dunklen Star Wars Bösewicht. ‘Talk or play?‘ Billy Corgan fragt immer noch und sieht dabei überhaupt nicht glücklich auch. ‘

If you’d like to talk, okay. But I am here to play some music. But I you’re not interested in this…

Es wird dann ruhiger und die aus Theater und Kino bekannten Zischlaute, mit denen man Nachbarn zur Ruhe mahnt, werden zum runng gag, über den auch Billy Corgan irgendwann schmunzeln muss. Ein schmunzeln, dass ich aber nicht interpretieren kann. Ist es eher abwertend oder doch amüsierend gemeint. Überhaupt, aus seine Ansagen und Gesten kann ich an diesem Abend nicht richtig lesen. Lange Zeit sehe ich auf der Bühne einen grimmigen und verärgerten Musiker stehen, der jeden Moment das Konzert aus einem dummen Grund beenden lassen kann. Bei jedem noch so kleinen Glasgeschepper hebt er seinen Kopf, hört jede Zwischenbemerkung und schaut nicht freundlich in die hochgehaltenen Mobiltelefonkameras. Die aufmunternden Billy Rufe, die zwischendurch immer mal wieder durch den Raum schallen, scheinen ihn noch mehr zu ärgern.
Dabei sind das Sympathiebekundungen in Maßen. Es ist von den Umständen her ein ganz normales Konzert. Aber Billy Corgan kann nicht nonchalant darüber hinweghören. Er muß kommentieren, seinen Sarkasmus äussern. Erst gegen Ende des Konzertes wirkt er ausgeglichener und toleranter. Ich sag jetzt einfach mal, Billy Corgan hatte einfach einen schlechten Tag.

Vor 20 Jahren plusminus habe ich die Smashing Pumpkins zum letzten Mal live gesehen. (Glaube ich). In Düsseldorf, in der Osterrocknacht des wdr. Damals waren sie schon groß und spielten nach Cypress Hill, Sonic Youth und anderen als letzte Band des Abends. Jahre zuvor sah ich sie zum ersten Mal. Im Düsseldorfer Tor 3, die Vorband damals war eine Band namens The Verve.
Billy Corgan solo erlebte ich bisher noch nicht. Ehrlich gesagt sind die Smashing Pumpkins für mich eine Band aus der Vergangenheit. Ewig ist es her, dass ich eines ihrer Alben aufgelegt habe oder mich nach neuem Material erkundigte. Erst die Rock am Ring Übertragung am letzten Wochenende brachte mir die Smashing Pumpkins nach Jahren wieder näher. ‘Billy Corgan ist auch älter geworden, einen kleinen Bauch hat er bekommen‘, dachte ich beim Betrachten der Fernsehbildern.
Wie stark seine Hits sind, merke ich im Atelier. „Disarm“, ich kann noch vieles aus der aus dem Lameng mitsingen. Bei „Tonight, tonight“ oder „Thirty-Three“ ist das ähnlich.
An diesem Abend höre ich alles erstmals nur mit der Akustikgitarre oder am Klavier gespielt. Und sie klingen überragend schön.

Die Setlist der vergangenen Solokonzerte weist den Weg. Es wird zwei Sets geben; im ersten spielt er Songs aus seinen Soloalben, im zweiten dann Songs der Smashing Pumpkins und Zwan. Wer nun vermutet, dass das erste Set eher belanglos ist und gegen das zweite qualitativ abfällt, der irrt gewaltig. Die Solosachen sind ebenso schön anzuhören wie die alten Smashing Pumpkins Kracher. Natürlich ist der Jubel über „Disarm“, „Tonight, tonight“ oder „For Martha“ größer, aber die Aufmerksamkeit im ersten Programmteil ist nicht geringer. Vielleicht sind wir auch nur eingeschüchtert und hören deswegen so konzentriert zu. Doch nein, das glaube ich nicht.
Ein Klavier steht auf der Bühne, und zwei Mikrofonständer. Mehr braucht es an diesem Abend nicht. Bevor Billy Corgan die Bühne betritt, spielt die aktuelle Smashing Pumpkins Keyboarderin Katie Cole ein paar Songs aus ihrem Debütalbum, dass demnächst erscheinen wird. Es ist solider australischer Singersongwriterkram, den wir präsentiert bekommen. Der ist nicht schlecht und die halbe Stunde ist enorm kurzweilig. Auch, weil Katie Cole mit dem noch spärlich gefühlten Saal umzugehen weiß und mit Zwischenansagen, kleinen Song mash-ups und Kurzgeschichten die Aufmerksam hoch hält.
Später wird sie für zwei Songs („Dancehall“, „Buffalo boy“) zurückkehren und Billy Corgan gesanglich begleiten.
Billy Corgan, oder wie es auf seinen Merch T-Shirts steht: William Patrick Corgan, beginnt an der Akustikgitarre. Er spielt solo und akustisch, mal am Klavier aber meist an der Gitarre. Nachdem er den Saal nach seinen Vorstellungen ruhig gestellt hat, wechselt er zwischen Gitarre und Klavier hin und her. Die Songs, die wir hören, kommen teils von seinem aktuellen Album Ogilala, teils von einem neuen Soloalbum, dass im Herbst veröffentlicht wird und von Rick Rubin produziert wurde. Auf der Setlist stehen:

Setlist (1):
01: Waiting for a train that never coms
02: Hard times
03: To scatter one’s own
04: Faithless darling
05: Apologia
06: Cri de couer
07: Buffalo boy
08: Dancehall
09: Aeronaut
10: Processional
11: Half-life of an autodidact
12: The long goodbye
13: Mandarynne
14: Along the Santa Fe trail

Nach einer guten Stunde ist dann Pause. ‘I’ll see you in 20 minutes.‘ Die Pausenzeit hält er ein und jeder im Atelier weiß natürlich, was ihn zweiten Programmteil erwartet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass niemand die Setlist aus Dublin und Glasgow gegooglet hat. Seine Umhängemäntel und den grimmige Gesichtsausdruck lässt er in der Kabine, als er auf die Bühne zurückkehrt. Er wirkt nun nicht nur kleidungstechnisch entschlackt. ‚Okay, er hätte da so eine Band und er würde jetzt ein paar ältere Lieder spielen.‘
Neun Smashing Pumpkins Songs aus allen Epochen und ein Zwan Song („Endless summer“) folgen.
Das Atelier frisst ihm nun aus der Hand. Ganze Refrainstücke werden mitgesungen, der Applaus nach den alten Hits ist enorm groß. Es ist aber auch toll, „Disarm“ nur am Klavier vorgespielt zu bekommen oder „Tonight, tonight“ nur auf der Akustikgitarre zu hören. Da krabbelt mir schon ein bisschen Gänsehaut den Rücken hoch. Der absolute Übersong aber ist „For Martha“, ein Song über seine Mutter vom Adore Album. Er ist traumhaft, schön, einfach wunderbar. Was nur ein Klavier aus einem Stück Musik machen kann ist phänomenal!
Zur Zugabe stellen wir uns auf „1979“ ein. Doch zur Überraschung spielt Billy Corgan nicht das, was auf der Setlist vermerkt ist, sondern ein Cover. „Nights in white satin“ von The Moody Blues. Wow, das ist noch viel besser!

It’s over, so you can talk right now…

Ich habe von diesem Abend nicht viel erwartet. Gut, dass Erwartungen nicht immer in Erfüllung gehen. Dieses Konzert hatte es in sich. Am Ende des Tages möchte ich folgendes festhalten: Billy Corgan ist ein verdammt guter Musiker und er ist nicht immer nur grimmig.

Setlist (2):
15: Wound
16: Thirty-three
17: Spaceboy
18: Violet rays
19: Endless summer
20: For Martha
21: Tonight, tonight
22: Ugly
23: Travels
24: Disarm
Zugabe:
25: Nights in white satin

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