Just Mustard

Just Mustard in der Muziekgieterij Maastricht.

Ungefähr vor einem Jahr endete mein Konzertjahr 2020 abrupt. Es hatte sich im Laufe des Februars bereits angekündigt, erste Hotspots in Italien und Ischgl sorgten dafür, dass sich SARS-CoV-2 von Tag zu Tag stärker in Europa ausbreitete. Ab März ging dann gar nichts mehr: Lockdown. Kontaktminimierung. Die eigenen vier Wände wurden Arbeitsplatz, Urlaubsort und Büro zugleich.
Unsere länger geplante Reise nach Manchester sollte die letzte Reise für längere Zeit bleiben, Embrace die letzte Band, die ich in einem so-wie-wir-es-kannten normalen Konzertrahmen sehen sollte. Embrace allein machten jedoch den 1990er Post-Britpop Abend nicht rund. Starsailor und CUD komplettierten das Bandaufgebot im nahezu ausverkauften O2 Victoria Warehouse in Manchester.

Manchester 2020

Der Rest des Jahres blieb warten und hoffen, dass die Pandemie alsbald ein Ende finden möge. Doch das fand sie nicht. Im Sommer gab es lediglich ein kurzes Auftatmen, ab November war alles wieder dicht. So ist mein Jahresresümee ein Rückblick in drei Akten: die Konzerte, die coronakonformen Pandemiekonzerte und die Livestreams.

Embrace – Manchester, 06.03.2020 / O2 Victoria Warehouse


Livestreams

Notwist

Meine Euphorie während des ersten Lockdowns war groß, mir Livetsreams anzuschauen. Benjamin Gibbard machte wöchentlich welche, in denen er Death Cab for Cutie Alben spielte; Buffalo Tom’s Bill Janovitz veranstaltete auch eine ganze Reihe von Heimkonzerten und mit dem Moers Festival schaute ich gar ein komplettes Festival im Livestream. Doch je weiter das Jahr voranschritt, je länger Lockdown und Homeoffice andauerten, desto uninteressanter wurden Livestreams für mich. Es ist halt nicht dasselbe wie ein Konzertbesuch. Während der zweiten Lockdownphase schaute ich keine Livestreams mehr.
Das Moers Festival, um kurz darauf zurückzukommen, war 2020 mein Festivalhighlight. Gut, es war auch mein einziges Festival (Festivalbesuch wäre das falsche Wort), aber die Onlineumsetzung stimmte. Konzertstreams plus Gespräche plus Vorträge sorgten für Abwechslung und Kurzweil. Ich erinere mich an den Notwist Auftritt, das Gewalt Konzert und an den Vortrag von Berthold Seliger.

Moers Festival, Moers 29.05. – 01.06.2020 / ENNI Eventhalle

Weitere Streams, zu denen ich ein paar Worte verlor:
Damon Albarn – The Barn, 18.05.2020
Benjamin Gibbard – Seattle, 27.03.2020


Konzerte

Polica

Bis März war es ein typisches Konzertjahr. Es begann schleppend mit dem Transformer Festival in Maastricht Ende Januar. Squid wollte ich gerne nochmal sehen, Just Mustard, die zweite Band des Abends, machte aus dem Besuch in der Muziekgieterij eine Runde Sache. Zwei tolle junge, neue Bands. Eine Woche später führte uns der Weg erstmals in die Botanique (Beak>), vier Wochen später besuchte ich erneut Brüssel, um mir Sleater-Kinney und Katie Harkin’s neue Band anzusehen. (Dank Navi war auch die Sperrung des Tunnels am EU-Regierungsviertel nur ein kurzer Anreiseaufreger und kein großes Problem.) Algiers, die im Januar für ihr neues Album There is no year sehr gefeiert wurden, Poliça, die ich sehr schätze, …and you will know us by the trial of dead und Shannon Lay vervollständigten mein Februarprogramm. Fünf Konzerte, das Jahr ging gut los. Und es war im nächsten Moment schon gelaufen.

Sleater-Kinney – Brüssel, 21.02.2020 / Botanique
Poliça – Köln, 18.02.2020 / Artheater
Algiers – Köln, 14.02.2020 / Club Volta
… and you will know us by the trail of dead – Köln, 12.02.2020 / Stadtgarten
Shannon Lay – Köln, 11.02.2020 / Bumann & SOHN
BEAK> – Brüssel, 25.01.2020 / Botanique
Transformer 4 Festival – Maastricht, 18.01.2020 / Muziekgieterij


Pandemiekonzerte

TaxiWars

Als im Spätsommer erste Lockerungen kamen, kamen noch zwei Konzerte: TaxiWars im belgischen Hasselt in einem Pop-Up Biergarten und im November Lætitia Sadier im Kölner Stadgarten. Gerade das Hasselter Konzert zeigte mir, wie es gehen kann: klare Sitzzuordnung, festgesetzte Abstände im 360° Radius um sogenannte Sitzinseln drumherum, minimalste Berührungsmomente durch Einsatz digitaler Techniken (App zur Getränkebestellung, Bezahlen via digitaler Coins) und ein Publikum, das sich strikt an die Vorgaben hielt. Das heimische Publikum im Kölner Stadtgarten war da rebellischer. (Dümmer trifft es besser.).

TaxiWars – Hasselt, 04.09.2020 / Parklife XL
Lætitia Sadier – Köln, 01.11.2020 / Stadtgarten

Frank Spilker in Erfstadt war ein schöner Mix aus Lesung, Besprechung und Konzert. Und es war mein erstes Konzert in Erfstadt. Veranstaltet wurde das Ganze von der Szene93, einem, oder gar dem Erftstädter Jugend, Kunst und Kulturverein. Eine große Lust und Vorfreude trieb uns seinerzeit in die Nachbarstadt. Endlich wieder! Natürlich waren viel zu früh vor Ort. Belohnt wurden wir mit einem tollen Abend, bei dem ich zu keiner Zeit ein ungutes Gefühl hatte. Vielleicht das beste Konzert 2020.

Frank Spilker – Erftstadt, 05.09.2020 / Musik- und Kulturhaus

In dieser Art und Weise kann es doch gehen. Der Stadtgarten kündigte zwei Konzerte an (Lætitia Sadier fand noch statt, Urlaub in Polen nicht mehr) und auch in Belgien wurden Bemühungen unternommen, unter Schutzbedingungen Konzerte zu durchzuführen. Doch bekanntermaßen durchbrach die zweite Welle und ein damit einhergehender Lockdown alle Bemühungen.

Stadtgarten

Wie schreibt der Musikexpress über There is no year.

Ihr drittes Album THERE IS NO YEAR befasst sich nun mit der Erkenntnis, dass sich viele Dinge nicht so schnell ändern lassen. Oder sogar überhaupt nicht. Die ungemütliche Mischung, die einem in elf Songs entgegenschwappt, reicht von Einsicht, über das Entgleiten jeglicher Kontrolle bis hin zum Wanken zwischen dem Glauben an eine bessere Zukunft und absoluter Hoffnungslosigkeit.

2020. No year.

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