Ort: Effenaar, Eindhoven
Bands: Bettie Serveert, Alien Chicks, Personal Trainer, Mudhoney, Buffalo Tom

Come as you are Festival - Eindhoven, 05.10.2024

Als Buffalo Tom und Mudhoney als erste Bands für das diesjährige Come as you are Festival bekanntgegeben wurden, war die Sachlage klar. Da fahre ich hin. Blöderweise dachten das mit dem ‘da fahr ich hin’ noch ganz viele andere Leute, denn ratzfatz – und ohne, dass ich es richtig mitbekam – war das Festival ausverkauft. So musste ich auf Ticketswap vertrauen, um wenigstens auf dem zweiten Beschaffungsweg ein Ticket zu ergattern. Ticketswap ist in den Niederlanden, anders als bei uns, eine gut angenommene Konzertticketbörse, die stark frequentiert wird. Sowohl von Verkäufer- als auch als auch von Suchenden. Da heißt es, schnell sein, erst recht bei begehrten Events. Und das Come as you are schien sehr begehrt zu sein, denn sehr oft ging ich nach einer Benachrichtigung über verfügbare Tickets leer aus. ‚Leider bist du schon wieder zu spät, das Ticket ist schon weg‘, lautete oft der Hinweis in der Ticketswap App.
Kein Wunder, denn mit den nächsten Ankündigungen wurde das Programm immer besser. Mit Personal Trainer und Bettie Serveert kamen zwei absolute niederländische Lieblingsbands zum Lineup hinzu, und ein paar andere Bands ließen Interessantes erhoffen: Alien Chick und The Clockworks beispielsweise. Doch damit nicht genug Bands, Death Sells, Green Lizard, Hiqpi, Vals Licht, Stone und Wodan Boys komplettierten das Setting. All diese Bands habe ich aber nicht gesehen, meine Konzentration lag auf dem Oldie Trio plus Personal Trainer und Alien Chicks.
Irgendwann im August hatte ich dann auch Glück beim Ticketkauf, so dass einem samstäglichen Ausflug nach Eindhoven nichts im Wege stand. Kurz nachgedacht, wann war ich das letzte Mal im Effenaar? Ich glaube, es war zu einem My bloody Valentine Konzert, das muss über ein Jahrzehnt her sein.
Verändert hat sich im Effenaar nichts. Nur ein bisschen etwas drumherum. Das von mir geplant anzufahrende Parkhaus direkt gegenüber gibt es nicht mehr, hier ist aktuell eine große Baustelle und es sieht so aus, als ob die gesamte Umgebung neugestaltet wird. Da das aber nicht sonderlich schmerzlich war und sich die Parkplatzsuche trotzdem entspannt gestaltete, ist das eher eine unbedeutende und kleine Randnotiz. Das Musikhaus selbst beheimatet immer noch zwei Konzertsäle, was scheinbar niederländischer Standard ist, denke ich doch an die Konzertgebäude in Maastricht, Heerlen, Utrecht oder Breda. Der große Saal im ersten Obergeschoss für ca. 1300 Leute und ein kleiner Saal im Erdgeschoss, in dem vielleicht 400 Besucher Platz finden.

Meine Oldienacht mit Bettie Serveert, Mudhoney und Buffalo Tom findet im großen Saal statt, die Alien Chicks spielen im kleinen Saal. Der ganze Spaß beginnt um 16 Uhr und soll gegen kurz nach Mitternacht zu Ende sein. So der Timetable und die Bandansetzungen. Da ich aber hauptsächlich die drei großen Bands aus den 1990er Jahren sehen wollte, schöpfe ich die Zeit nicht ganz aus. Mein Come as you are Festival beginnt mit Bettie Serveert gegen 17.30 Uhr und sollte nach Buffalo Tom um kurz nach 22 Uhr enden, sodass der Sonntag nicht gänzlich verschlafen wird.

Also in den frühen Abend mit Bettie Serveert. Eine meiner Lieblingsband der 90er. Ich weiß noch, wie ich Lamprey – ihr zweites Album, das der Melody Maker seinerzeit mit ‘the most tangled, desolate, real life guitar sound of the year’ umschrieb – völlig unerwartet in einem Second Hand Plattenladen in der Bochumer Hustadt entdeckte. Eigentlich hatte ich es auf Palomine, ihr Debütalbum, abgesehen, fand das aber trotz mehrmonatiger Suche in verschiedenen Bochumer und Dortmunder Plattenläden (ElPI, Last Chance, verschiedene CD-Börsen) nirgendwo. Ich war bereits regelrecht verzweifelt deswegen. So war ich froh, zumindest ein Bettie Serveert Album ergattern zu können.  Und welch’ ein Zufall, dass ich nur Wochen später in demselben Laden auch Palomine entdeckte. Unnötig zu erwähnen, dass dies ab sofort mein Lieblings-CD-Laden wurde.

2007 sah ich Bettie Serveert dann endlich live. Im Kölner Kulturbunker mit geschätzten 48 anderen Leuten. Es war das Konzert, auf das ich am längsten gewartet habe.

Mit diesem Konzert ist meine ‘Diese-Bands-muss-ich-einmal-live-gesehen-haben’ Liste komplett. Ein Lebensziel ist nach 36 Jahren erfüllt

schrieb ich damals. Das zur Einordnung.

Auch 2025 ist Betty Serveert immer noch eine meiner absoluten Lieblingsbands. Ich mag einfach die Stimme von Carol van Dijk, ich mag diese melancholischen Gitarren wie in „Palomine“, „Balentine“ oder „Tom Boy“. Ich mag auch ihre eher rockigen Sachen wie „The Pharmacy“ und „Deny all“, ich mag auch und vor allem Attagirl, weil es eben komplett anders als Palomine ist, aber mindestens genauso schön ist. 
In Eindhoven spielten sie knapp 40 Minuten. Es ist einer ihrer seltenen Konzertauftritte, und der große Saal ist schon mehr als sehr gut gefüllt. Aufgrund arbeitstechnischer Dinge können die Betties nicht mehr auf Tour gehen, oder wollen das vielleicht auch gar nicht mehr. Daher beschränken sie ihre Liveauftritte auf wenige Gigs an Wochenenden, wenn alle Zeit finden. Im letzten Jahr spielten sie an zwei Wochenenden in Utrecht und in Amsterdam, in diesem Jahr einmal in Den Haag und auf einem kleinen Festival in Nordholland. Das war es. Und nun also ein Kurzauftritt beim Come as you are.
Natürlich ist es ein schönes Konzert, auch wenn sie – ich möchte sagen – mal wieder nichts von der Dust bunnies Platte spielen. Das fällt mir irgendwie auf, dass sie die Hits ihrer dritten Platte bei Konzerten gekonnt ignorieren. Oder sind es nur die Konzerte, die ich sehe? „What friend’s“ oder „Geek“ würde ich schon gerne einmal live hören. Na ja, vielleicht klappt es ja nächstes Jahr. Ein Konzerttermin haben Bettie Serveert für 2025 schon angekündigt. In Belgien, in Hamont-Achel. Zusammen mit Metal Molly, oh wow!

Setlist:
01: Palomine
02: Brother (In Loins)
03: The Pharmacy
04: Crutches
05: Tom Boy
06: Kid’s Allright
07: Love Sick
08: Leg

Alien Chicks, Come as you are Festival - Eindhoven, 05.10.2024

Das Konzert der Alien Chicks ist mein einziger Ausflug in den kleinen Saal des Effenaar. Es galt, ein bisschen Zeit zu überbrücken zwischen den Konzerten von Bettie Serveert und Personal Trainer. Ich hatte auch nicht wirklich Lust, im großen Saal die halbe Stunde abzuwarten und so schaue mir einfach mal die Alien Chicks an. Das Trio aus Brixton macht Power-Punk Pop. Nicht so 100% mein Fall, deswegen ist es mir auch nicht wichtig, ihren ganzen Auftritt zu sehen.
Und so schlendere ich langsam in Richtung Erdgeschoss, lasse viele vor mir die Treppenstufen aus dem großen Saal herab heruntergehen und sehe mich schlussendlich einem vollen kleinen Saal gegenüberstehen. Ich habe sehr große Mühe, in den Saal zu kommen. Logischerweise stehe ich suboptimal. Permanent laufen Leute vor mir oder hinter mir in den Saal oder an die Theke oder raus. Eine Straßenkreuzung in Shibuya ist nicht wuseliger. Ein ruhiges Konzert gucken ist hier nicht möglich. Dabei will ich doch nur „Steve Buscemi” hören, den einzigen Song der Alien Chicks, den ich kenne. Ich hörte ihn mir vormittags an, aber ehrlich gesagt auch nur, weil ich den Songtitel interessant finde. Der Song klingt gut, zu finden ist er auf ihrer Debut EP Indulging the mobs. Mehr Musik gibt es von den Alien Chicks bisher nicht. ‘Cold tune, sounds like it could be on fifa’, lese ich auf reddit. Nun ja, das empfinde ich nicht ganz so.
Die lustigste Episode des Konzerts ergibt sich allerdings im Publikum direkt vor meiner Nase. Als ein Mann meines Alters an mir vorbeigeht, tappt ihm plötzlich ein junges Mädchen auf die Schulter und sagt ‘oh, hallo Papa‘. Es wirkt nicht so, als ob beide wissen, dass der/die jeweils andere auch hier ist.  Eine Überraschungsbegegnung, die das Come as you are Festival allerdings sehr gut beschreibt. Es ist ein Festival für viele. Dominieren im großen Saal die Ü45 Generation, tummeln sich im kleinen Saal und später bei Stone eher die U35-jährigen.

Personal Trainer, Come as you are Festival - Eindhoven, 05.10.2024

Rechtzeitig begebe ich mich wieder nach oben, meine diesjährige Neuentdeckung Personal Trainer spielen gleich. Still willing heißt ihr aktuelles Album. Es ist die zweite Platte der Band, die von Sänger und Schreiber Willem Smit geführt wird. Die übrigen Bandmitglieder, so lese ich im Internet, rotieren. Es spielten schon Musiker von Pip Bloom, The Klittens und Global Charming bei Personal Trainer. An diesem Abend sehe ich Personal Trainer in gleicher besetzung wie im Frühjahr, als sie im Vorprogramm von Pip Bloom auftraten.
Personal Trainer sind sehr viele Leute. Zu siebt stehen sie auf der Bühne und mir kommen sie als eine gute Mischung aus Black Country, New Road und den früheren Arcade Fire. Es geht ein bisschen drunter und drüber, die Sounds klingen kunterbunt zusammengewürfelt und ihre Bühnenshow wirkt mitunter ein bisschen irre. Welcher Keyboarder krabbelt und robbt schon über die Bühne und welcher Sänger macht schon Hampelmannfiguren? So halt. Ihre Sounds sind dazu passend eine wilde Mixtur zwischen Indiepop und Jazz, zwischen Saxophon und Glockenspiel. Live erlebe ich sie dabei ganz anders als auf Platte. Nachdem ich Still willing erstmals vor wenigen Tagen zuhause gehört habe, war ich ein bisschen enttäuscht. Die Dynamik des Konzertes aus dem Frühjahr hörte ich dem Album überhaupt nicht an. Stattdessen fielen mir ihre vielen Pavementmomente stärker ins Ohr. Die hatte live nicht mitbekommen. Ich kann Personal Trainer sehr empfehlen und biete als Anspieltipp „I can be your Personal Trainer“ an.

Setlist:
01: Upper ferntree gully
02: I can be your Personal Trainer
03: Cyan
04: Round
05: You better start scrubbing
06: Still willing
07: What am I supposed to say about the people and their ways
08: Rug busters
09: Intangible
10: Testing the alarm

Mudhoney, Come as you are Festival - Eindhoven, 05.10.2024

Anschließend Mudhoney. Eine Band, die ich seit über 30 Jahre verfolge. Der Grunge war eine meine Stütze meiner Musiksozialisierung, da schätze ich natürlich Mudhoney sehr. Irgendwann um 1992 sah ich die Band erstmals live, es war die Tour zu Piece of Cake und es war im PC69 in Bielefeld. Piece of Cake ist ihr kommerziell erfolgreichstes Album, neben Tomorrow hits today ist es vielleicht auch ihr eingängigstes. Ihre wichtigsten Songs sind allerdings älter: „You got it“ und „Touch me I’m sick“ sind beide auf dem Mudhoney Debut Superfuzz Bigmuff, immerhin von 1988 und für viele sowas wie ein Wegbereiter für den Grunge. Das ist sehr lange her. 
Mudhoney machen das souverän. Ihr Konzert ist solide, bietet allerdings wenig neues oder für mich überraschend. Es ist ein Rockkonzert von Leuten, die um die 60 Jahre alt sind für Leute, die um die 50 Jahre alt sind. Ich empfinde den Mudhoney Sound seit einigen Jahren als, nun ja, sehr aus der Zeit gefallen. Schon beim letzten Konzert stellte ich fest, dass ich ihre fuzzy Gitarren auf Strecke nicht ununterbrochen lieben kann, dass es mir schwerfällt, länger als 35-45 Minuten aufmerksam einem Mudhoney Konzert zuzuhören. Die immer ähnlich klingenden Sounds, die drögen Gitarren, all das ist für mich nicht mehr das, was es noch vor 14 oder gar 25 Jahren war. Ich fürchte, meine Zeit mit Mudhoney Konzerten ist langsam aber sicher vorbei. So finde ich es nicht sonderlich ärgerlich, dass sie im Effenaar nur eine Stunde Spielzeit haben. Das, so stelle ich fest, ist eine Zeitspanne, in der ich gut ein Mudhoney Konzert verfolgen kann. Und natürlich spielen sie „You got it“ und „Touch me I’m sick“. Es hat sich also gelohnt.

Setlist:
01: If I think
02: Get Into yours
03: Nerve attack
04: Almost everything
05: Who you drivin‘ now?
06: Good enough
07: Judgement, rage, retribution and thyme
08: Sweet young thing (ain’t sweet no more)
09: Touch me I’m sick
10: Little dogs
11: Suck you dry
12: Souvenir of my trip
13: Tom Herman’s Hermits
14: You got it
15: Oh yeah
16: In ’n‘ out of Grace

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Den Abschluss machen eine halbe Stunde später Buffalo Tom. Ähnlich lange wie Mudhoney unterwegs, ähnlich stark – zumindest bei uns – unter dem Radar fliegend. In den Benelux sind sie grösser, sag ich mal. Zu sehen ist das im Effenaar, zu sehen war das aber auch vor zwei (?) Jahren in Leuven.
Buffalo Tom sind seit eh und je Bill Janovitz, Tom Maginnis und Chris Colburne. in den 1980er Jahren gegründet, hatte die Band Mitte der 1990er Jahre ihre beste Zeit. „Taillights Fade“, „Mineral“, „Sodajerk“, „Treehouse“, „I’m allowed“,„Summer“ und „Tangerine“ sind nicht nur in den Niederlanden große Hits. Ende der 1990er Jahre legten sie eine 10-jährige Pause ein, seit einigen Jahren sind sie aber mehr oder weniger regelmäßig musikalisch unterwegs. In den Jahren nach 2010 veröffentlichten sie drei weitere Alben und sind damit im zweistelligen Albenveröffentlichungsbereich angekommen.
Im Effenaar spielen Buffalo Tom ein fulminantes best-of Set. Es ist das Konzert des Tages und anders als bei Mudhoney denke ich, sie hätten ruhig noch ein halbes Stündchen länger spielen können. Aber auch für Buffalo Tom ist die Spielzeit auf eine Stunde begrenzt. Zwischen 21 und 22 Uhr stehen sie auf der großen Bühne im Effenaar und sehen sich einer vollen Halle gegenüber. Gefühlt sind sie wirklich die Headliner des diesjährigen Come as you are Festival.
Buffalo Tom sind aktuell mit ihrem aktuellen Album Jump rope auf Europatour. In den Tagen vor dem Come as you are waren sie in Belgien und in den Niederlanden unterwegs, später spielen sie noch in Deutschland und anderswo ein paar Konzerte. Ich hatte ein bisschen die Hoffnung, dass sie für diesen Festivalauftritt ihre Toursetlist auf die wesentlichen Songs (sprich Hits) und ggfs. ein, zwei neue Stücke zusammenkürzen. Und was soll ich sagen, genauso ist es. „Helmet“ vom aktuellen Album und „All be gone“ vom Vorgänger Quiet and Peace sind die neuesten Sachen, die Buffalo Tom spielen. Ansonsten höre ich nur 90er Jahre Kram. Alternative-/Collegerock Herz, was willst du mehr? Und wieder stelle ich fest, dass Buffalo Tom Songs enorm zeitlos sind.
Zum Schluss sind sie gar so schnell mit ihrer ursprünglichen Setlist durch, dass sie noch zwei Songs dranhängen können. „Taillights fade“ und „Crutch“ bilden so meinen Abschluss des Come as you are. Mit „Tangerine“ wäre aber auch d’accord gegangen.

Ein guter Ausflug nach Eindhoven, den ich bei entsprechenden Lineup durchaus wiederholen werde.

Setlist:
01: Summer
02: Tree House
03: Mineral
04: Rachael
05: Helmet
06: All be gone
07: Dry land
08: Larry
09: I’m allowed
10: Kitchen door
11: Sodajerk
12: Late at night
13: Tangerine
14: Taillights fade
15: Crutch

Kontextkonzerte:
Bettie Serveert – Utrecht, 13.10.2023 / TivoliVredenburg
Bettie Serveert – Roermond, 12.03.2016 / ECI
Bettie Serveert – Venlo, 02.03.2013 / Perron 55
Bettie Serveert – Amsterdam, 10.09.2011 / Paradiso
Bettie Serveert – Heerlen, 21.03.2010 / Nieuwe Nor
Bettie Serveert – Köln, 22.03.2007 / Kulturbunker Mühlheim
Buffalo Tom – M-IDZOMER Festival Leuven, 29.07.2022
Buffalo Tom – Maastricht, 07.06.2017 / Muziekgieterij
Buffalo Tom – Köln, 08.03.2011 / Luxor
Buffalo Tom – Köln, 29.11.2007 / Prime Club
Mudhoney – München, 24.05.2012 / Hansa 39

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