Ort: FZW, Dortmund
Vorband: Attic Ocean

bdrmm - Dortmund, 24.02.2024

Hanni, Niels, Max, Philip und Lukas. Klingt nach einem Enid Blyton’s Fünf Freunde Ableger a la Stefan Wolf, sind aber – so lese ich im Internet – die Düsseldorfer Band Attic Ocean. Hanni, Niels, Max, Philip und Lukas kommen aus Düsseldorf und spielen an diesem Abend im Vorprogramm der britischen Band bdrmm. Ihr Shoegaze ist für alte Menschen wie mich sehr berechenbar, weil er sehr starke Anleihen an die 1990er Shoegazer Bands nimmt. Oft weiss ich, was in den nächsten Sekunden musikalisch passieren wird. Jetzt gleich die Slowdive-Gitarre, dann der säuselnde Gesang. Man kennt das Schema zu genüge. Scheinbar haben die fünf die richtigen Platten aus dem elterlichen Plattenregal gezogen: MBV, Slowdive, Chapterhouse. Nichtsdestotrotz, Attic Ocean machen das gut. Mir gefallen ihre Songs und es ist ein ordentlicher Gitarrenteppich, den die Band in ihren 30 Minuten Spielzeit im kleinen Saal des FZW verlegt. Kann man so machen. Ihre Debut EP The heavy blue and then after kam im letzten Jahr raus, für viele sicherlich interessant und empfehlenswert, hier mal reinzuhören. Wer bisher dachte, Duesseldorf kann nur Elektro und Punk, der muss seine Denkweise anpassen. Shoegaze können sie jetzt auch. Und das sogar sehr gut.

In Dortmund habe ich lange keine Konzerte mehr gesehen. So lange ist es her, dass ich mich spontan nicht erinnern kann, als ich das letzte Mal hinter’m U-Turm im FZW war. Das muss Jahre her sein. Schade, früher war ich öfter hier und immer noch denke ich, dass das Gelände um das U und das FZW potential für viel mehr Musikkonzerte haben, als tatsächlich stattfinden. Aber auch in Dortmund gilt: Kultur wird einem nicht geschenkt, Veranstalter müssen sie sich erkaufen. Und da lohnt es eben oftmals nicht, Bands einzuladen und Konzerte zu organisieren.

Es ist dunkel rund ums FZW. Vor einigen Jahren wurde das Areal hinter der alten Union Brauerei renoviert und restauriert, doch die angesetzte Gentrifizierung scheint ins Stocken geraten. An der Hauptstrasse gibt es jetzt ein Moxy Hotel, aber 100 Meter weiter ist der große Parkplatz am Supermarkt hinter dem FZW noch dunkler, als ich ihn in Erinnerung habe. Die angrenzenden Räume sind leer und geschlossen, die Sträucher wuchern und der Asphalt hebt sich durch die Wurzeln der Bäume. Das Areal wirkt ungepflegt und aufsichtslos. Es wirkt unheimlich.
Ich hatte an diesem Samstag nichts besseres zu tun, als nach langer Zeit mal wieder nach Dortmund zu fahren. Bdrmm, die Band der vier Jungs Ryan Smith (Gesang, Gitarre), Jordan Smith (Gesang, Bass, Synthesizer), Joe Vickers (Gitarre) und Conor Murray (Schlagzeug) aus Hull spielt ein Konzert und für mich ist es die Gelegenheit, den verpassten Auftritt in Köln im Herbst (?) letzten Jahres nachzuholen und die Band nochmal live zu sehen.

Mein erstes bdrmm Konzert liegt zweieinhalb Jahre zurück, in der Zwischenzeit hat die Band ein zweites Album veröffentlicht. I don’t know erschien im letzten Jahr. Zuvor die Live EP mit dem schönen Namen The bedroom tapes. Bdrmm haben ihren Sound weiterentwickelt, ein paar Electro-Beats hier („Advertisement One“, „Alps”), starke Radiohead Anleihen dort („Standard Tuning“). Ich höre jetzt mehr als nur Gitarrenwände in ihrem Sound. Live macht sich das direkt zu Beginn bemerkbar: Zu Elektrobeats betreten die Musiker die Bühne. „Alps” eröffnet das Konzert um viertel vor neun. Ein nervöser Drumbeat leitet in „Be careful” über. Mit mehr Gitarren, oder besser gesagt nur mit Gitarren geht es in die nächsten Songs.

Das Konzert entwickelt sich, der Sound passt und der kleine Saal im FZW ist ordentlich gefüllt. Die erste Hälfte des Konzertes läuft gut, doch nach 20 Minuten beginnen die Probleme. Es stimmt etwas nicht mit dem Verteileranschluss am Gürtel des Sängers. Der Gitarrenstecker scheint einen Wackelkontakt zu haben. ‘They’re charging me’, der spaßige Kommentar, als Tontechniker Brian an seinem Bodypack (ich habe Fachbegriffe gegoogelt) etwas justiert. So weit nichts dramatisches.
Dass das aber erst der Anfang von einigen weiteren Unterbrechungen sein wird, ist zu dem Zeitpunkt natürlich niemandem bewusst. Aber jetzt beginnt die ärgerliche Konzertphase. Einen Song später meldet sich der Schlagzeuger und ruft nach Brian. Jetzt dauert es schon ein paar Minuten, bis es weitergehen kann. Doch nach dem nächsten Song scheint der technische Defekt wieder aufgebrochen zu sein. Also beginnt das ganze Spielchen von vorne. Hektisch holt jemand ein Kabel aus dem Backstagebereich. Hilft das? War es das nun? Nein. Auch mit neuem Kabel dauert es wiederum nur einen Song, bis erneut Technikerhilfe gebraucht wird. Erste Verzweiflung macht sich breit. Es beginnt ein erneutes Geschraube und Gestecke oberhalb der Monitorbox. Nun klappt irgendwas mit den In-Ears des Schlagzeugers nicht, wenn ich die Zeichen korrekt interpretiere. Hach je, in den letzten 20 Minuten wurden auf der Bühne mehr Heißgetränke (!) getrunken als Musik gespielt. Die Luft ist ein bisschen raus. Der Schwung des Konzertes dahin. Erst nach einem weiteren Song ist dann irgendwie alles behoben oder zumindest soweit ausgeräumt, dass bdrmm die letzten drei, vier Songs ohne Unterbrechung spielen können.

Um kurz nach 22 Uhr ist das Konzert vorbei. Aus dem großen Saal tönt bereits die 80s/90s/00s/10s-Disco. Es ist Samstag, der Partytag der Anderen. ‘Wieso gehen die denn alle schon’, sagt jemand in der Schlange vor der Kasse. ‘Weil der beste Teil der 90s Party jetzt schon vorbei ist’, denke ich.

In Sachen Shoegaze gilt 2024: Hull 4 übrige Welt 0

Setlist:
01: Alps
02: Be careful
03: It’s just a bit of blood
04: Gush
05: We fall apart
06: Hidden cinema
07: Standard tuning
08: Is that what you wanted to hear?
09: If….
10: Forget the credits
11: Push/Pull
12: Happy
13: (Un)happy
14: Port

Kontextkonzerte:
bdrmm – Maastricht, 14.10.2021 / Muziekgieterij

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