Ort: Nieuwe Nor, Heerlen
Vorband:

Bettie Serveert - Heerlen, 07.03.2025

Na das fängt ja gut an. Kurz vor der Abfahrt Aachen-Laurensberg ist die Autobahn blockiert. Ein Auffahrunfall erzeugte einen kurzen Stillstand auf allen Spuren und eine Zeitverzögerung meiner Fahrt um gute 30 Minuten. Als ich in kleinen und feinen Nieuwe Nor ankomme, ist die Einlassschlange entsprechend lang. Dummerweise erfahre ich erst beim Ticket Scan, dass ich meine Jacke abzugeben habe. Also wieder Abmarsch zurück, ein Schließfach buchen, Jacke reinlegen und erneut anstellen. Gott sei Dank ist die Schlange mittlerweile nicht mehr ganz so lang, ich bin dann schlussendlich allerdings der drittletzte, der den Saal betritt. Um pünktlich zum ersten Ton bereit zu sein. Der Saal im Nieuwe Nor ist nicht so groß und ein ausverkauft bedeutet nicht, dass man nicht atmen kann und den Abend Arm an Arm mit seinen Stehnachbarn verbringt. Relativ zügig gewinne ich Abstand von der Saaltür, und damit auch vom ständigen Durchgangsverkehr.

Um 20.30 Uhr betreten Bettie Serveert die Bühne. Die Band spielt in der Konstellation, in der ich sie auch im Herbst letzten Jahres beim Come as you are Festival in Eindhoven gesehen habe: am Schlagzeug sitzt Stephan van der Meijden, dazu die altgedienten Betties und Gründungsmitglieder Carol van Dijk, Gitarrist Peter Visser und Bassist Herman Bunskoeke.

Bettie Serveert plays The Velvet Underground lautet das Motto des Abends. Wie es zu dem besonderen Konzert kommt, ist leicht und schnell erklärt. Aktuell findet im Kunstmuseum Schunck in Heerlen immer noch – und zwar bis zum 16.03.2025 – die Ausstellung Andy Warhol: Vanitas statt. Am Eröffnungswochenende im letzten September gaben Carol van Dijk und Peter Visser einen Kurzauftritt im Rahmen der Ausstellungseröffnung und spielten dort ein paar Velvet Underground Songs. Das nahm man jetzt zum Anlass, um gegen Ende der Ausstellung das Ganze nochmals im größeren Kreis zu wiederholen. Und größerer Kreis heißt eben der Konzertsaal im Nieuwe Nor und nicht im Foyer des Museums Schunck. Und größerer Kreis bedeutet auch die gesamte Band Bettie Serveert und nicht nur die beiden Bandleader Carol van Dijk und Peter Visser. Dass Bettie Serveert eine gewisse Affinität und Zuneigung zu Velvet Underground und den Protagonisten der damaligen zeit verspüren, ist ja hinlänglich bekannt. bereits vor Jahren veröffentlichten sie das Coveralbum Venus in Furs (and other Velvet Underground songs) mit Velvet Underground Songs. (Ach!) Mittlerweile ist das 1998 produzierte 8-Songs Album nur noch über Streamingdienste zu erwerben, im regulären Verkauf sind weder CDs noch Schallplatten erhältlich.

Das Konzert an diesem Abend folgt einem bestimmten Drehbuch: Im ersten Teil spielen Bettie Serveert Velvet Underground Songs, und zwar alle Songs von Venus in Furs (and other Velvet Underground songs) plus „Femme fatale“, „I’ll be your mirror“ and „There she goes again“, im zweiten Teil folgen dann eigene Songs. Jeder der beiden Teile steht gleichberechtigt nebeneinander, es sind je zwei Blöcke a 45 Minuten. Bereits nach den ersten beiden Stücken wird mir klar, wie toll Bettie Serveert die Songs von Velvet Underground interpretieren. Es passt irgendwie organisch und fühlt sich null merkwürdig an, wenn Carol van Dijk in schönster Nico Art „Femme fatale“ oder „I’ll be your mirror“ singt. Die Stimmlagen sind nahezu identisch und es klingt so, als ob Carol van Dijk diese Songs schon immer gesungen hätte. Aber auch die Bettie Serveert’schenIndiegitarren in „I can’t stand it“ oder dem ewig langen und ausufernden „Rock & Roll“ klingen so phantastisch nach Velvet Underground, dass es unendlich viel Spaß macht, dem Set zuzuhören. Selbst aus meiner ungünstigen Stehplatzposition heraus. Denn leider ist um mich herum nicht jeder aufmerksam und gleichstark begeistert. Hier wartet man wohl eher auf die bandeigenen Hits „Tom Boy“ oder „Kid’s alright“. ‘The dutch disease’ nannte es einmal ein niederländischer Konzertbesucher, mit dem ich vor dem Eingang irgendeiner Konzertbude auf den Einlass wartend smalltalkte. Mit ‘The dutch disease’  bezeichnete er die Unart seiner Landsleute, jedes Konzert wegzulabbern. Bisher war mir das in den Niederlanden gar nicht so bewusst aufgefallen, an diesem Abend spürte ich es eigentlich das erste Mal wirklich. Ja, es ist laut um mich herum, zeitweise nervig laut. Sicherlich ist weiter vorne ein konzentriertes Zuhören möglich, aber ich war nun mal zu spät und stehe jetzt hier. Es ist ein bisschen schade.

Im zweiten Teil – der aus Bettie Serveert Songs besteht – werden die Leute um mich herum aufmerksamer. Klar, jetzt kommen die vielleicht ‘bekannteren’ Sachen wie „Tom Boy“ oder „Kid’s allright“.
Das Konzert ist ungefähr in der Mitte angekommen, als die ersten Töne von „Tom Boy“ erklingen. Bettie Serveert lassen den Song nahtlos in „White dogs“ übergehen. „White dogs“ alleine ist ein acht Minuten Biest, zusammen mit „Tom Boy“ lassen sie bei den langen Gitarrenparts noch ein bisschen Velvet Underground nachhallen. Mit „Brother (in loins)“ (vom letzten und immer noch aktuellen Album Damaged Good – 2016) und „The Pharmacy“ (vom 2010er Album Pharmacy of love) folgen die neuesten Songs im Set. Ja, Bettie Serveert sind nicht mehr wirklich aktiv, was das Songschreiben angeht. Sie belassen es bei Konzerten, die sie ab und an und bei besonderen Gelegenheiten noch spielen. „Palomine“ und „Balentine“ kommen natürlich auch noch. Aber leider spielen sie wieder nichts von Dust Bunnies. Auf live gespielte „What friend?“, „Geek“ oder „Sugar the pill“ muss ich also weiter warten.
In der Zugabe folgt ein sehr lang und ausufernd gespieltes „Leg“. Damit schließt der zweite Teil des Abends. Mehr kommt nicht mehr. Es war toll, Bettie Serveert im Velvet Underground Kleid zu hören und genauso schön war es, nochmal die alten und nicht ganz so alten Indiehits der Band genießen zu können.
Alles in allem war das Konzert eine runde Sache. Jetzt muss ich mir nur noch die Ausstellung anschauen. Vier Tage Zeit bleiben ja noch.

Setlist 1 Velvet Underground Songs:
01: What goes on
02: I can’t stand It
03: Stephanie says
04: Rock & Roll
05: There she goes again
06: I’ll be your mirror
07: Venus in furs
08: Beginning to see the light
09: Femme fatale
10: Run run run
11: After hours
Setlist 2 Bettie Serveert Songs:
12: Tom Boy
13: White Dogs
14: Brother (in loins)
15: The Pharmacy
16: Balentine
17: Kid’s Allright
18: Love Sick
19: Palomine
Zugabe:
20: Leg

Kontextkonzerte:
Bettie Serveert – Come as you are Festival Eindhoven, 05.10.2024 / Effenaar
Bettie Serveert – Utrecht, 13.10.2023 / TivoliVredenburg
Bettie Serveert – Roermond, 12.03.2016 / ECI
Bettie Serveert – Venlo, 02.03.2013 / Perron 55
Bettie Serveert – Amsterdam, 10.09.2011 / Paradiso
Bettie Serveert – Heerlen, 21.03.2010 / Nieuwe Nor
Bettie Serveert – Köln, 22.03.2007 / Kulturbunker Mühlheim

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