Ort: C-Mine, Genk
Bands: Lazarro, Meltheads, Dans Dans, Yard Act, Sorry, The haunted youth

Yard Act, Little Waves Festival Genk, 14.04.2022

Das Little Waves Festival ist toll. Es ist mein mittlerweile vierter Besuch dieses kleinen und feinen Indoor-Festivals auf dem ehemaligen Kohlebergwerksgelände von Winterslag in der Nähe von Genk. Neben dem immer sehr stimmig zusammengestellten Musikprogramm überzeugt das Little Waves auch durch den Ort. Eine großer bestuhlter Theatersaal, eine Clubbühne und eine offene Bühne im Obergeschoss der ehemaligen Kompressorenhalle bieten ein traumhaftes Ambiente und dem Veranstalter alle Möglichkeiten, Bands und Musiker*innen zu präsentieren. Marissa Nadler und The Mercury Rev sah ich auf der Theaterbühne, die Whispering sons und Villagers auf der kleineren Clubbühne. Bei diesem kurzen Namedropping möchte ich es belassen.

Im Unterschied zu den letzten Jahren ist die Bühne im Theatersaal bei der diesjährigen Festivalausgabe gleichzeitig Bühne und Zuschauersaal. Die Sitzplätze bzw. der ursprüngliche Zuschauerraum sind nicht zur Nutzung vorgesehen.
Was mich erst irritiert macht im Nachhinein sehr viel Sinn: in diesem Jahr stehen keine Singersongwriter oder ganz große Künstler auf dem Plakat des Little Waves, die den Theatersaal weder musikalisch passend noch inhaltlich hätten füllen können; die Nutzung des gesamten Theatersaals käme Bands wie Sorry oder The haunted youth nicht gelegen. Zum einen würden sie maximal die ersten Podiumsreihen füllen und zum anderen macht es aufgrund des Musikstils keinen Sinn, Sitzplätze anzubieten. Denn wer möchte nicht lieber zum Post-Punk Pop Sorrys oder zum New-Indiewave der The haunted youth tanzen? Eben.

Little Waves Festival - Genk, 14.04.2022

Und so gab es dieses Mal einen größeren und einen kleineren Clubsaal. Mir gefiel das und es passte perfekt. Eine weitere Änderung zu den Vorjahren fand ich allerdings keine gute Entscheidung: Der Foodcourt, also die zwei Essstände plus Sitzbänke, wurde von den Veranstaltern in die Kompressorenhalle verlegt. In den Jahren zuvor standen vor dem Eingang der C-Mine zwei Food Trucks. Wer essen wollte, ging nach draußen oder in die benachbarte Brasserie, wer trinken wollte, in die Bar im Erdgeschoss der C-Mine.
Nun haben die Ausrichter die Imbissstände in die erste Etage verlegt, wettertechnisch etwas besser geschützt auf eine Außenterrasse, die Sitzplätze und den Getränkeausschank jedoch in der Halle platziert. Was wettertechnisch natürlich Vorteile hat, lass es draußen regnen, ich kann im Trockenen drinnen sitzen und essen, ist für die Musiker*innen, die die offene Bühne nur ein paar Schritte weiter bespielen, ein Problem. Es hallt permanent vom Sitzbereich herüber. Durch die große Deckenhöhe und logischerweise sehr offene Bauweise der ehemaligen Kompressorenhalle wird die Geräuschkulisse aus dem Foodcourt auch in keinster Weise durch irgendwas abgefangen. Es klappert, scheppert, plappert.

Lazarro - Little Waves Festival Genk, 14.04.2022

Mein erster Zwischenstopp am späten Nachmittag war das Konzert der belgischen Künstlerin Lazarro eben in der Kompressorenhalle. Allerdings habe ich nach 10 Minuten Konzert genug. Mich nervt die Geräuschkulisse. Ich sehe für mich keine Möglichkeit, mich auf das ruhige Konzert der Belgierin einzulassen. Entsprechend entscheide ich gleich direkt, dass ich mir am Abend hier nicht JFDR ansehen werde, sondern das gleichzeitig stattfindende Konzert Sorry bevorzuge. Bei den eher ruhigen Sounds von JFDR habe ich Bedenken, dass mir dieses Konzert unter diesen Bedingungen Spaß macht. (Vielleicht aber war es später viel besser als nachmittags. Ich habe das leider nicht einmal ganz kurz nachgeprüft.)

Im Anschluss an Lazarro besuche ich das Konzert der Meltheads. Eine weitere mir unbekannte belgische Band. Die Meltheads springen kurzfristig für Bluai ein, die scheinbar kurzfristig abgesagt haben. Ein Grund für den Tausch ist nicht weiter zu erfahren. Eine kurze Notiz auf Instagram reicht den Veranstaltern, um die Leute zu informieren. Ist mir recht, ist mir wurscht. Bluai machen Singersongwriterpop, der mich heute nicht besonders interessiert. Ich glaube, ich habe die vier Mädchen auch schon mal live gesehen. Vielleicht sogar bei einer früheren Little Waves Aussage oder irgendwo im Vorprogramm.

Meltheads - Little Waves Festival Genk, 14.04.2022

Die Meltheads stehen mit ihrem Post-Punk diametral dazu. Laut, wild, extrovertiert. Sehr extrovertiert. Definitiv nichts für Bluai Fans, aber durchaus für Yard Act und The haunted youth Freunde. So erfreuen sich die Meltheads großer Beliebtheit, wie ich vor der Bühne mitbekomme. Wie viele Leute Bluai angezogen hätten, kann ich nicht sagen. Aber der kurzfristige Austausch (die Bekanntgabe kam eine Stunde vor Konzertbeginn) ist nicht zum Schaden vieler Besucher.
Wie gesagt, mir ist es ein bisschen egal. Diesen Slot am frühen Abend hatte ich eh als Essenslot geplant. Durch den leichten Zeitversatz klappt das nicht so ganz, ich nutze aber trotzdem die Zeit, um kurz die beiden Konzertsäle hinter mir zu lassen.

Hätte ich mich beim Essen etwas mehr beeilt (und hätte ich es stärker auf dem Schirm gehabt), hätte ich den Artist Talk mit JFDR nicht verpasst. Viele Konjunktive, die die Situation nicht besser machen.

Dans Dans - Little Waves Festival Genk, 14.04.2022

Ein paar Augenblicke von Dans Dans bekomme ich jedoch wieder mit. Wie Air ohne Gesang lautet mein spontaner Eindruck nach den ersten beiden Dans Dans Songs. Ob es dem Trio zu einhundert Prozent gerecht wird, muss ich später mal überprüfen – sprich, mir mal ein paar Songs mehr anhören. Was mir noch auffällt: manchmal sind es mir ein paar zu viele Dire Straits Gitarren, und zwar diese Art von Dire Straits Gitarren, die man im Liveintro zu „Money for nothing“ hört.

Gerade als ich mir diesen Satz als Kurznotiz in mein Telefon schreibe, kommt wie als Bestätigung eine Sequenz, die klar nach „Telegraph Road“ klingt. Womit mein Dire Straits Songwissen auch nahezu ausgeschöpft ist. Dans Dans sind Gitarrist Bert Dockx, Bassist Frederic Jacques und Schlagzeuger Steven Cassiers. In Belgien scheinen sie bekannt, der abgetrennte Saalbereich ist sehr voll. Ich bleibe bis in die letzten Minuten ihres Konzertes. Den Anfang habe ich verpasst, weil durch die Absage von Bluai die Meltheads etwas dem Zeitplan hinterherhinken und es so zu einer Spielzeitüberschneidung zwischen den beiden Hallen kommt. Dans Dans gefallen mir.

Nach Konzertende gehe ich rüber in die andere Halle. Dort spielen gleich Yard Act. Im Moment absolvieren sie aber noch ihren Soundcheck. Ich setze mich auf die Treppenstufen und höre zu.

Der Hauptgrund meines Besuches in Genk ist eindeutig Yard Act. Die britische Band gehört zur zweiten oder dritten Welle dieser neuen britischen Post-Punk Bands, die seit drei Jahren meine Hörgewohnheiten durcheinanderbringen: Fontaines D.C., Squid, Black country, new road, Just mustard, Sprints und seit einem Jahr auch Yard Act. Die Band aus Leeds kam Anfang letzten Jahres auf meinen Schirm, nachdem Songs aus ihrem Debüt The Overload irgendwo im Radio gespielt wurden. Ihre Mischung von Post-Punk mit Sprechgesang fiel mir auf und da ich in letzter Zeit für diese Art von Musik ein Faible habe, blieb ich dran. Ich kaufte mir The Overload, war begeistert und hatte durchaus das Ziel, diese Band alsbald live zu sehen. Das gelingt in Genk und das Konzert ist im erwarteten Rahmen. Ich bin nicht überragend angetan, aber es ist gut. Die Band hat einen ganz eigenen Charakter, ein ganz eigenes Erscheinungsbild. Rein optisch scheint niemand mit dem anderen zusammenzupassen; diese Band hat sich nicht auf dem Schulhof oder in der Teestube zusammengefunden.

Beim Nachrecherchieren bestätigt sich dieser Eindruck vom Konzert. Interessanterweise war Bassist Ryan Needham früher Bassist in der Band Menice Beach, für die ich mich eine Zeitlang interessierte. Obwohl noch jung an Jahren wirkt die Band auf mich sehr bühnenerfahren und abgeklärt. Sänger James Smith – der klare Leader – wirkt extrem cool und lässt die anderen vier Musiker ein bisschen im Schatten zurück. Anders als bei Black country, new road steht bei Yard Act nicht das Ensemble im Mittelpunkt. Zumindest ist das mein Eindruck.  

Setlist Yard Act:
01: Rich
02: Dead horse
03: Dark days
04: Witness (Can I get a?)
05: Petroleum
06: The Trenchcoat Museum
07: Land of the blind
08: Pour another
09: Payday
10: The overload
11: 100% endurance
12: The trapper’s pelts

Sorry - Little Waves Festival Genk, 14.04.2022

Nach Yard Act ist vor Sorry.
Die Band um die beiden Sänger*innen Asha Lorenz und Louis O’Bryen sah ich erst vor kurzem im Kölner Bumann & SOHN. Daher ist ihr Auftritt für mich ohne Überraschungen. Zu präsent ist mir ihr Konzert aus Köln noch im Gedächtnis. Die einzig neue Erkenntnis für mich ist die, dass Asha Lorenz und Lincoln Barrett ihre Mützen nicht nur auf der Bühne tragen. Als ich die Band nachmittags auf dem Gelände der C-Mine beim Nachmittagsbier im Hof entdecke, erkenne sie einzig an ihrer auffallenden Kopfbedeckung. Dass Sorry das Aufgebot komplettieren ist toll, aber ich hätte mir auch gerne die früher angekündigte (und später vom Line-up verschwundene) Billie Nomates angesehen. Gerne angesehen und gut in das Lineup gepasst hätte auch Waxahatchee, die solo leider erst einen Tag später in Antwerpen in einem kleinen Club spielt.

Am Ende des Tages wartet einen weitere belgische Band auf mich, The haunted youth. Sie waren vor zwei, drei Jahren meine große Überraschung, als sie beim Leuven Open Air vor dEUS eröffneten. Ihre mit Wave und Gothic angehauchten Indiesongs blieben auf Anhieb hängen. „Teen rebel” war lange Zeit ein oft gehörter Song und The haunted youth blieben mir im Gedächtnis.

Natürlich verpasste ich damals einen CD-Kauf. Was ich nicht wusste. Es machte nichts, nicht am Merchstand vorbeigeschaut zu haben. Denn erst im letzten Herbst veröffentlichten The haunted youth ihr Debütalbum Dawn of the freak, Es gab also 2021 noch gar nichts von der Band zu kaufen, die im Schwerpunkt Joachim Liebens aus Hasselt ist. Er schreibt alle Songs, die stark an Bands wie MGMT, DIIV, Slowdive oder The Cure erinnern. Und die entsprechend schön zwischen Shoegaze, New Wave, Synthie- und Indiepop hin und her pendeln. Dadurch habe sicherlich nicht nur ich den Eindruck, die Songs von The haunted youth eigentlich schon immer zu kennen.

The haunted youth - Little Waves Festival Genk, 14.04.2022

Neben Joachim Liebens stehen Hanne Smets (Keyboard), Tom Stokx (Gitarre), der Bassist Stef Castro und Schlagzeuger Nick Caers auf der Bühne.
Vor der Bühne ist es voll. The haunted youth sind der eindeutige Headliner des Little Waves. Die Mehrzahl der Leute ist wegen dieser Band hier. Ich schaffe es kaum, in den Saal zu kommen, da ich nach dem Sorry Konzert etwas rumgetrödelt habe. So stehe ich im Türrahmen der Flügeltür direkt am Bühnenrand und höre und sehe die ersten Klänge von „Broken“. Ein Smasher und ein super Start in das Konzert. Das Gitarrenoutro macht mir große Freude. Später covern sie noch Empire of the suns „Walking On A Dream“. Passender geht es nicht!

Genauso wie das Konzert von Yard Act und Sorry liefern auch The haunted youth bestmögliche Unterhaltung.

Schon allein für diese Konzerte lohnte sich der – nicht sehr weite – Weg. Das Little Waves wird immer mehr zu einer festen Festivalinstitution in meinem Konzertkalender. Ein Ticket kann ich eigentlich auch für 2024 wieder blind buchen. Zwei, drei gute und bekannte Bands haben sie immer im Line-up, und wenn ich überlege, welche jungen oder mir neue Bands ich in Genk dazu kennenlernen durfte, macht es das einfach zu einer runden Sache.

Setlist The haunted youth:
01: Broken
02: Stranger
03: I feel like shit and I wanna die
04: House arrest
05: Into you
06: Teen rebel
07: Gone
08: Riptide
09: Shadows
10: Song Hanne
11: Walking on a dream
12: Coming home

Kontextkonzerte:
Little Waves Festival – Genk, Genk, 07.05.2022 / C-Mine
Little Waves Festival – Genk, 13.04.2019 / C-Mine
Little Waves Festival – Genk, 14.04.2018 / C-Mine
Sorry – Köln, 13.02.2023 / Bumann & SOHN
The haunted youth – Leuven, 21.08.2021

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