Ort: Bumann & SOHN, Köln
Vorband:

Sorry - Köln, 13.02.2023

‘Bitte weitermachen, hab gerade Netz im ICE’, ist der beste der ca. 50+ Kommentare, die unter einem Facebook Post von Linus Volkmann und dem darauf entbrannten Streitgespräch zwischen einem gewissen Carsten Klook und Volkmann Followers stehen. Voll lustig. Oder besser, ganz nett. Und wie so oft in Facebook Diskussionen sehr bubble-esk. Ich sitze im Zug auf dem Weg zum Sorry Konzert im Bumann und SOHN und bin bei diesem Post hängen geblieben. Eigentlich wollte ich – so wie immer auf deren Hinfahrt – etwas über die Band lesen, die ich gleich sehen werde. das klappt an diesem Abend nicht, bin ich bereits in Weilerswist oder erst bei Kommentar 47. Verflucht. Es ist aber sehr unterhaltsam und ich sehe gerade, dass es noch 18 vorherige Kommentare gibt. Ach deswegen liest sich das so komisch, ich hätte oben anfangen sollen. Das mit Sorry muss dann eben bis morgen warten.
Sorry lernte ich während der Pandemie an einem Sonntagabend erstmals. Klaus Fiehes Radioshow ließ mich nicht einschlafen und so schnappte ich weit nach Mitternacht „Right round the clock“ von Sorry auf. Noch eine tolle britische Post-Punk Band, dachte ich und besorgte mir Tage später ihr Debütalbum 925. Die Zahl, so las ich dann, bezieht sich auf den Feingehalt von Silber in Schmucklegierungen. 925 steht für relativ hochwertiges Silber. Warum gerade das für einen Albumtitel herhalten muss, finde ich spannend.
Als das Album dann in der Post lag, war ich wegen des Covers irritiert. Das Cover sieht aus wie ein 1990er Jahre Rapalbumcover von Dr Dre oder Coolio. Es zeigt einen braungebrannten Hals, der mit einer dickgliedrigen Silberkette geschmückt ist und an deren Ende eine rechteckige Silberplatte hängt. Unten rechts in der Ecke des Covers prangt ein parental advisory Aufkleber.
Hatte ich ein Rap-Album geordert? Mh, ich konnte mich nicht erinnern. Das heißt aber nichts, denn manchmal vergesse ich CD-Lieferungen tatsächlich: erst recht, wenn sie nicht binnen Tagen, sondern nach Wochen geliefert werden. Nur auf den zweiten Blick erkannte ich die CD als das Sorry Album 925. Die musikalische Ausbeute war nach dem ersten Durchgang leicht enttäuschend. „Right round the clock“, ja, und vielleicht noch „More“, aber darüber hinaus blieb nichts auf Anhieb hängen. Wolf Alice kam mir als Referenz spontan in den Sinn. Ich suche ja gerne nach Referenzen, um mich orientieren zu können bzw. um etwas einen Namen geben zu können. Erinnert mich an Wolf Alice. Ich legte die CD beiseite, hörte sie vielleicht noch ein- oder viermal beim Kurzstreckenlauf und das war es. Richtig bewusst und in voller Länge hörte ich 925 nicht mehr.
Das ist meine Vorgeschichte zu Sorry. Trotz des schwachen Eindrucks von 925 hatte ich auf das Konzert Lust. Vielleicht, weil es nach langer Zeit wieder Zeit wird für einen Konzertbesuch, vielleicht, weil ich nach wie vor neugierig auf die Band bin. Sicher beides.

Nachmittags meldete das Bumann & SOHN ein ausverkauft, was meine Lust ein bisschen dämpfte. Es ist schwer, einen guten Platz im kleinen Bumann & SOHN zu ergattern, bei einem ausverkauft ist es eigentlich unmöglich, wenn man nicht sehr zeitig vor Ort ist. Aber genau das wollte ich eigentlich nicht sein, zeitig vor Ort. Als ich gegen fünf vor neun in den Saal komme, ist es Gott sei Dank nicht rappelvoll. Es bleibt mir noch kurz die Gelegenheit, die Jacke auszuziehen und mich zu akklimatisieren, dann betreten Sorry auch schon die Bühne.
Perfekt, so habe ich mir das vorgestellt. Kurze Wartezeiten.

Sorry sind Asha Lorenz, Louis O’Bryen, Lincoln Barrett, Campbell Baum und Marco Pini. Die beiden auffälligsten Akteure an diesem Abend und die in musikalischen Dingen Hauptverantwortlichen der Band – so lese ich das zumindest – sind Sängerin Asha Lorenz und Gitarrist Louis O’Bryen. Beide singen, mal zusammen, mal alleine, und sie dirigieren ihre Mitmusiker. Kommt ein Sample zu spät oder läuft der Sound zu quer, wirft Asha Lorenz gleich Blicke zu dem hinter ihr positionierten Keyboarder und versucht, die Dinge hinzukriegen. Natürlich ist das nicht nötig und natürlich ist die Unperfektion Teil der Sorry Soundstrategie, aber ein bisschen sollte es dann doch passen. In an easy way. Unverkrampft und nicht verbissen lösen Sorry denn auch ihre kleinen technischen und kommunikativen Problemchen sehr charmant und souverän. Die Band wirkt jederzeit sehr sympathisch.

Der Fokus der Songs liegt eindeutig beim neuen Album Anywhere but here, das vor knapp vier Monaten veröffentlicht wurde. Das kenne ich noch nicht; von 925 spielen sie nur fünf Songs. Auch das kenne ich nur so la la. Folglich ist „Right round the clock” der Song, den ich mit dem höchsten Wiedererkennungswert meinerseits tagge. Den spielen sie sehr früh am Abend.

Sind auf 925 doch ab und an ein Saxophon oder andere Blasinstrumente zu hören, ist live davon keine Spur. Gitarre, Schlagzeug, Bass und Keyboard sind die Instrumente, die im Bumann & SOHN aufgebaut sind. Damit spielen sie Songs, die sehr oft nach 1990s Indierock klingen. Oder sie spielen schöne Indiepopsongs, wie zum Beispiel „Key to the city“. Die klingen sehr charmant und erinnern ein bisschen an Best Coast. So nehme ich das zumindest wahr. Die neuen Stücke klingen anders, poppiger und smoother. Sie gefallen mir besser, bleiben auf Anhieb hängen. Ich glaube, dass das neue Album nicht nur um Klassen besser ist als 925, es zeigt auch eine musikalische Veränderung.
Ich muss das aber nochmal gegenchecken, denn ich fürchte auch, dass ich 925 zu früh und zu schnell weggelegt habe. Es ist vielleicht an der Zeit, 925 nochmal neu zu entdecken.

Am besten gefallen mir die Songs mit Duettgesang oder Duettsprechgesang. „I miss the fool“, „Willow tree“, „Screaming in the rain“. Klingt Sängerin Asha Lorenz alleine schon schön gelangweilt und lakonisch, wird diese Wirkung im Duett mit Louis O’Bryen nochmal verstärkt. Und es klingt mitunter schief und reichlich unperfekt. Mir gefällt das, und es passt gut zum generell unperfekt klingenden Sorry Sound. Der ist sehr schmissig und ich mag die abgehackten Gitarren und die guten und wohl dosiert eingesetzten Samples.

Kurz vor Schluss wird es vor der Bühne ausgelassen und dancy. Mit „Cigarette Packet“ und „Starstruck“ (der Song mit der zu Beginn kleinen „Personal Jesus“ Hommage in den Gitarren) bringen die ersten Reihen zum Tanzen. Es ist jetzt viertel nach zehn und das Konzert liegt in den letzten Zügen.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto stärker tendiere ich dazu, Sorry nicht den vielen neuen Post-Punk Bands zuzuordnen, sondern sie eher – wie auch King Krule – in die Kategorie  DIY / Indierock Band einzupflegen. Das Konzert war gut, überraschend gut. Ich glaube, wir haben Sorry das letzte Mal in so kleinem Rahmen gesehen. Spielen sie im Sommer die bekannten Festivals, spielen sie im nächsten Winter viel größere Hallen. Da bin ich mir sicher. Die, die nicht im Bumann & SOHN waren, oder generell diese Tour nicht besuchen konnten, haben etwas verpasst.

Setlist:
01: Let the lights on
02: Tell me
03: Willow tree
04: Right round the clock
05: Snakes
06: Quit while you’re ahead
07: Step
08: My Body
09: Screaming in the rain
10: Wolf
11: There’s so many people that want to be loved
12: Jive
13: I miss the fool
14: Key to the city
15: Cigarette packet
16: Wonderful world
17: Starstruck
18: Closer
19: Baltimore
20: Again
21: Lies
Zugabe:
22: Heather

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