Ort: Muziekgieterij, Maastricht
Vorband:

Swell - Maastricht, 19.04.2023

David Freel, singer, primary songwriter, co-founder, of Swell passed away April 12, 2022. David was a true original. The songs he developed and the lyrics he wrote are like no one else’s. His unique approach to life informed everything he did and affected everything he touched. Swell, as it was, will never be again. But the original members are uniting for a tribute to David and the formative years of the band. They will be doing a short European tour in April 2023 playing favorite songs from the first 4 albums.

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Dieses Konzert ist eine sehr emotionale Kiste.
Zu Beginn des Konzertes stellt sich Sean Kirkpatrick, zusammen mit David Freel Gründer von Swell, an den Bühnenrand und spricht bewegt über die Gründe dieses Konzertes und dieser Tour. In der Hand hält er dabei ein Räucherstäbchen. Swell waren/sind in Europa – und da vor allem in Belgien und den Niederlanden – größer als in den USA oder sonst wo und es war der Band ein Anliegen, die letzte Swell Tour in Europa stattfinden zu lassen. So haben sich die ehemaligen Swell Mitglieder Sean Kirkpatrick (Schlagzeug), Monte Vallier (Bass), Niko Wenner (Gitarre/ Keyboards) und John Dettman-Lytle (Gitarre / Gesang) zusammengetan, um ihren Freund und Weggefährten musikalisch zu verabschieden.
Dass sie mit dieser kleinen Konzertreise den für sie schwerstmöglichen Weg gewählt haben, ist dabei in jeder Sekunde des Konzertes zu spüren. „Think about those days”, ein Songtitel, der alles dazu sagt.

Natürlich ist es kein Konzert, keine Tour wie jede(s) andere, es ist ein knapp 90-minütiges Gedenken in Ton und Wort. Es sind vielleicht 17, 20 Songs, die gespielt werden, es sind aber auch immer wieder kleine Erzählungen und Erinnerungen an David Freel, die die vier Musiker mit ihrem Publikum teilen.
John Dettman-Lytle erinnert an die Zeit, als er zusammen mit David Freel die Wohnung in der 41 Turk Street teilte, nach der das dritte Swell Album 41 benannt ist und wie schwer es sei, auf dieser Tour den Gesangspart zu übernehmen. Sean Kirkpatrick und Monte Vallier erinnern mehr als einmal daran, dass der nächste Song ihnen besonders nahe geht und dass diese Tour eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle sei. Es gebe so viele Erinnerungen, die man in den letzten Tagen teilte und besprach, es sei nicht immer einfach gewesen. Die Stimmung ist andächtig. Die komplette Dauer über. Den Musikern spüre ich die Traurigkeit an, und sie springt auf das Publikum über. Ich weiß nicht, wie es den anderen gut 100 Besuchern geht, ich fühle mich den ganzen Abend über emotional angefasst. Der Rahmen, die Songs und Geschichten, die kleinen Gestern der Band, all das beschäftigt mich, obwohl ich außer ein paar Platten und Lieblingsliedern nichts mit den Swell Leuten gemeinsam habe. Und trotzdem stehe ich wie paralysiert am Bühnenrand, höre konzentrierter als sonst den Songs zu und denke an nichts. Manchmal schweifen meine Gedanken während eines Konzertes ab, an diesem Abend ist mir das nicht möglich.

Swell entdeckte ich irgendwann Anfang der 1990er Jahre mit ihrem zweiten Album …well?. Ich besuchte Konzerte in Essen und Münster. Ihre Musik war unvergleichlich. „At long last”, „Suicide machine” – die sie auch an diesem Abend spielen, oder “Everything” mit der schönen Akustikgitarre zu Beginn. Es war genau diese Mischung von Akustikgitarre, Slide-Bass (wie es Sean Kirkpatrick an diesem Abend nennt) und tief-dunklem Gesang, die mich begeisterten und die für mich so komplett neu und unvergleichbar klangen. Musik wie Swell sie machte, hatte ich bis dahin nicht gehört. Erst später kamen Grandaddy und Idaho in mein Blickfeld, die einen ähnlichen Sound produzierten. 
Und ihre merkwürdige oder eigenwillige CD-Gestaltung irritierte und faszinierte mich gleichermaßen. Die beiden nicht-Songs „Thank you, Good Evening“ und „A rainy night in August“ auf …well? zum Beispiel, oder das Intro und Outro auf 41. Zu Beginn hört man, wie jemand von der Straße ins Treppenhaus kommt, die Treppen hinaufsteigt, eine Tür öffnet und sich der immer lauter werdenden Musik nähert. Am Ende der CD passiert es dann genau andersrum: eine Tür geöffnet und dann geschlossen, die Musik wird langsam leise, jemand steigt die Treppe herunter und öffnet die Haustür, bevor der Lärm der Straße endgültig die Musik übertönt.

Für Autofahrten waren Swell Alben nur bedingt geeignet. Man musste das Kassettentape schon sehr vorspulen, wenn am Ende von 41 die Lyrics vorgelesen werden. Das war nervig, aber – abseits des Autos – auch besonders schön. 41 ist für mich ihr Meisterwerk.

Swell would love to announce: Everyday Sunshine: Tribute to David Freel European Tour 2023. Please watch the video for more, and visit Swell’s official website for tour schedule & updates.
We can’t wait to see our old friends, and make new ones, while raising a glass in tribute to David Freel in his honor… as much as he would probably hate this, we are doing it, because we loved the guy in some crazy way that only bandmates and Swell fans could understand.

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Als ich im Januar die ersten Ankündigungen verfolgte, war ich zugleich begeistert und betrübt. Der Auslöser traurig, die Sache gut. Das fühlt sich merkwürdig an. Ich war etwas hin- und hergerissen, als ich mich auf den Weg machte. Was wird das für ein Abend, wie wird die Band sein? Wie die Stimmung? Einerseits also Fragen. Andererseits freue ich mich und kann es kaum erwarten, Swell Songs zu hören.

Die Sonne blendet mich nahezu die gesamte Hinfahrt über. Vielleicht trödle ich deswegen ein bisschen und bin erst 5 Minuten vor Showbeginn an der Muziekgieterij. Der kleine Saal ist noch überschaubar gefüllt. Die Band sitzt im Vorraum und kommt einige Minuten nach mir in den Saal, verschwindet aber erstmal im Backstagebereich.

Musikalisch beginnt das Konzert mit dem Intro von …well?. Die Band tingelt quer durch ihren Backkatalog, wobei gefühlt die meisten von 41 stammen. Die ersten vier Alben werden gnadenlos abgedeckt. Wie angekündigt, es ist die Swell’sche Anfangszeit, die diese Tour musikalisch verarbeitet. Das wundert nicht, die 2000er Alben waren eher Freel’sche Soloalbum und auch die Band änderte in dieser Zeit komplett ihr Gesicht. Wenn man ab 2005 überhaupt noch von Swell als Band sprechen kann. War es da nicht eher ein Solo Ding von David Freel mit verschiedenen Musikern, die er 2004 und 2010 um sich gruppierte? Die vier, die an diesem Abend auf der Bühne stehen, waren zu dieser Zeit schon nicht mehr mit dabei. John Dettman-Lytle verließ die Band bereits nach dem …well? Album, Monte Vallier und Niko Wenner um die Jahrtausendwende. Für Sean Kirkpatrick endete die Zusammenarbeit mit David Freel nach dem 7. Swell Album Whenever you’re ready.

„Song seven“, „Kinda stoned“, „What I always wanted“. So ziemlich in der Mitte steht der Hit Block. Zusammen mit „Forget about Jesus“ und das sehnlichst erhoffte „Is this important?“ sind das die für mich schönsten Songs an diesem Abend. Klar, der Gesang von John Dettman-Lytle klingt anders, ich muss mich bei den ersten Songs erst an seine Stimme gewöhnen. In einigen Momenten erinnert sie mich an Mark Lanegan. Doch nach drei, vier Stücken sind diese Assoziationen weg und Swell klingen für mich uneingeschränkt nach Swell.
„Sunshine everyday“ ist der letzte Song, der auf den handgeschriebenen Zetteln steht. Für das Tourmotto Everyday sunshine stand er Pate. 

Nach einigen Momenten und viel Applaus kommt John Dettman-Lytle zu einer Zugabe zurück. ‘Seit 1991 stehe er nicht mehr auf einer Bühne und habe Swell Songs gespielt. Aber er habe die Songs gelernt und es als großes Dankeschön empfunden, auf dieser Tour den Gesang übernehmen zu dürfen’.

Er startet den akustischen Gitarrenpart von „Is that important?“. Zwei, drei Minuten später kommen nach und nach die Anderen. Das Schlagzeug setzt ein, der Bass, die Gitarre. Für mich ist „Is that important?“ der beste Song des Abends, der Höhepunkt im Konzert.

Ein letzter Song, ein letztes Dankeschön und abschließende Worte an die Zuschauer. Das war es. Dass es die letzte Tour von Swell ist, hat Sean Kirkpatrick in seinen Sätzen zwar nicht gesagt, es spricht in meinen Augen aber alles dafür.

Setlist:
01: Love You All
02: At long last
03: Don’t give
04: Everything
05: Forget about Jesus
06: Fine day coming
07: The price
08: Smile my friend
09: Song seven
10: Kinda stoned
11: What I always wanted
12: Down
13: Think about those days
14: Suicide machine
15: Sunshine everyday
Zugabe 1:
16: Is that important?
17: Get high
18: It’s okay
Zugabe 2:
19: Bridgette, you love me

Kontextkonzerte:
Swell – Köln, 03.11.2008 / MTC

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