Ort: Harmonie, Bonn
Vorband: Mina Richman

Die Sterne - Bonn 20.03.2025

Frühjahrszeit ist Rockpalast Crossroads Zeit. Seit vielen Jahren gastiert die Rockpalast Reihe im März in der kleinen Bonner Harmonie. An vier Abenden werden hier Konzerte von acht Bands für die Rockpalast-Fernsehsendungen aufgezeichnet. ‘Eine spannende Mischung aus verlässlichen Größen und interessanten Newcomern aus verschiedenen Genres’, so beschreibt es der WDR, unter dessen Fittichen seit Jahrzehnten der Rockpalast ausgestrahlt wird. Und manchmal sind auch interessante Sachen für mich dabei: Seachange vor vielen Jahren, …and you will know us by the trail of dead und Get well soon vor nicht ganz so vielen Jahren und Die Nerven gefühlt erst neulich. (In Wirklichkeit aber schon vor 10 Jahren.) Und an diesem Abend also Die Sterne.

Es sei ihr dritter Rockpalast-Auftritt, lerne ich vom Sänger Frank Spilker, der an diesem Abend auffallend gute Laune hat. Machen das die sechs dicken Kameras vor und auf der Bühne sowie hinten im Saal? Oder ist es der Ü-60 Tanz-Grobi in der ersten Reihe, der ihn zum Schmunzeln bringt? Letzteres könnte ich verstehen, von meiner Position aus sieht sein Tanzstil sehr amüsant aus. Anderes Thema.

Die Bonner Harmonie bzw. die Frongasse mit dem Spitzmaus Theater und dem Rex Kino war zu Zeiten der Bonner Republik die linksalternative Ecke der westdeutschen Hauptstadt. So zumindest erzählt es der Musikfreund, mit dem wir vor den Konzerten ins Gespräch kommen. Damals lebte ich noch nicht hier, ich kann dazu also nichts sagen. Warum auch immer haben wir uns in der Harmonie für die Gemütlichkeit der kleinen Galerie entschieden. Zu einer sehr zeitigen Uhrzeit haben wir in der Harmonie eingecheckt und sitzen nun auf bequemen Stühlen und verbringen plaudernd die Zeit bis zum Konzertbeginn. Unser Sitznachbar sieht Die Sterne zum ersten Mal und ist entsprechend neugierig gespannt. Interessanterweise ranken sich unsere Gespräche um Krautrock und Dylan. Was für eine Kombination, warum und wie wir auch immer dazu kamen. Bis halb acht füllt sich der Saal langsam aber stetig. Eine so zeitige Anreise war vielleicht gar nicht notwendig. Allerdings hatte ich mit der Harmonie in der Vergangenheit schon ungute Erfahrungen gemacht, daher entschieden wir, lieber etwas früher vor Ort zu sein. Denn es kann passieren, dass man es nicht mehr in den Saal schafft, und dann links neben der Bühne in einem Schlauch an der Theke stehen muss. Ein Ort, an dem man von einem Konzert nur sehr wenig Atmosphäre mitbekommt. Ich habe das mehr als einmal erfahren müssen und mich geärgert, nicht einen Zug eher genommen zu haben. An diesem Abend sollte das nicht passieren.

Mina Richman eröffnet zeitig den Abend. Ich kannte die Sängerin und ihre Musik bis dato noch nicht. Die Singersongwriterin ist in Ostwestfalen aufgewachsen, eine Sache, die sie mit Frank Spilker teilt. Musikalisch sind sie sich dagegen nicht sehr nahe. Vor einem Jahr erschien ihr Debütalbum Grown Up. Das Konzert besteht aus Songs des Albums, wenn ich ihre Zwischenansagen im Konzert richtig deute, ist es ihr coming-of-age Album. Ich bin allerdings etwas unaufmerksam. Die Mina Richman Band spielt ihren Singersongwriterpop in der Art und Weise, mit dem ich leider nicht so viel anfangen kann. So höre ich nicht richtig hin, und irgendwie geht der gesamte Auftritt etwas an mir vorbei.

Im Anschluss dann Die Sterne. In bewährter Aufstellung mit Dyan Valdés, Frank Spilker, Jan Philipp Janzen am Schlagzeug und Phillip Tielsch.
Sie starten mit „Euphoria“, das dann tatsächlich mit längeren Gitarrenpassagen daherkommt. Die sind zwar nicht krautrockmässig, schlagen aber dennoch eine angenehme Brücke zwischen unseren Pausengesprächen und Konzert. Es folgen „Aber andererseits“ und „Big in Berlin“. Die Setlist ist das, was man live von den Sternen seit ihren letzten Alben Hallo Euphoria und der Werkschau Grandezza erlebt und gehört hat: ein Best-of aus den letzten 30 Jahren Die Sterne. Die Sterne liefern wie gewohnt gut ab.
Und sie haben zwei neue Songs dabei. Also doch noch ein bisschen Exklusivität für die Fernsehkameras. „Ich nehme das Amt nicht an“ und „Open water“. Letzterer ist auffälliger, weil es der erste Die Sterne Song ist, der nicht von Frank Spilker gesungen wird. Zumindest fällt mir gerade kein zweiter ein. Wie eine Erzählung rappt Dyan Valdés die Textzeilen über einen relativ kalt klingenden Elektro-Keyboard-Beat. Mir gefällt der Song ausgesprochen gut. Es ist ein Hit!

Und sonst so? Es fehlen leider „Ganz normaler Tag“ und „Wahr ist was wahr ist“. Aber sie können ja nicht alles spielen. Dafür samplen sie wieder „Last night the DJ save my life“ in „Fickt das System“, das als letzte Zugabe einen grandiosen Abschluss des Konzertes bildet. Da frage ich mich, ob sie das mit The Notwist abgesprochen haben, die ja aktuell auf ihren Konzerten auch Indeep’s Discokracher in einen ihrer Songs samplen. Anyway, der Disco-Soul passt gut zu den Sternen, die mich an diesem Abend an anderer Stelle auch an die Titelmusik von In den Strassen von San Francisco denken lassen.

In diesem Sinn: ein gutes Konzert. Ach ja, „Gleich hinter Krefeld“ entwickelt sich tatsächlich zum Grower. Hätte ich nie gedacht, als ich den Song erstmals hörte.

Die Fernsehausstrahlungen laufen am 13.5.2025 auf 3sat und am 9.6.2025 im WDR.

Setlist:
01: Hallo Euphoria
02: Aber andererseits
03: Big In Berlin
04: Ich nehme das Amt nicht an
05: Das bisschen besser
06: Gleich hinter Krefeld
07: Wenn Dir St. Pauli auf den Geist fällt
08: Open Water
09: Trrrmmer
10: Nach fest kommt lose
11: Der Sommer in die Stadt wird fahren
12: Die Interessanten
13: Universal Tellerwäscher
14: Was hat Dich bloß so ruiniert
Zugabe I:
15: Nur Flug
16: Du musst gar nix
Zugabe II:
17: Fickt das System

Kontextkonzerte:
Die Sterne – Krefeld, 07.09.2024 / SchlachtGarten
Die Sterne – Monheim, 14.05.2022
Die Sterne – Düsseldorf, 26.07.2021 / Ehrenhof
Frank Spilker – Erftstadt, 05.09.2020 / Anneliese Geske Musik- und Kulturhaus
Die Sterne – Köln, 15.02.2017 / Kulturkirche Nippes
Die Sterne – Bochum, 03.02.2012 / Bahnhof Langendreer
Die Sterne – Juicy Beats Festival, 31.07.2010

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