Ort: Kulturkirche, Köln
Vorband: Locas in love

Universal Tellerwäscher.

Er hat immer Hunger – Er muss immer essen – Er muss wohnen und schlafen – Und er muss vergessen – Dass Gestern wie Heute wird – Heute wie Morgen – Und dass in diesem Laden herzlich wenig passiert…

Dieser Song war in den 1990er Jahren ein Welthit, zumindest in meiner kleinen Indiewelt und die Band die Sterne für mich eine weitere dieser Hamburger Schule Bands, die alle damals so mochten und die es vielleicht lohnt, von mir genauer inspiziert zu werden. Das habe ich auch getan, merkte aber schnell, dass sie doch anders waren als die Blumfelds und Tocotronics. Und anders bedeutet für mich in diesem Fall: zu poppig und zu wenig gitarrig im Sinne von laut. Daher liefen die Sterne seinerzeit knapp unter meinem Radar. Bis auf die Single „Universal Tellerwäscher“ und das Album Posen – was ich wenig überraschend doch zu selten hörte – war nicht viel. Das sollte eine ganze Zeit lang so bleiben.
Den Charme ihrer Texte und die richtige Schönheit ihrer Popsongs erschloss sich mir erst viel später. Just zu dem Zeitpunkt, als sich um die Jahrtausendwende die Hamburger Schule veränderte, verstand ich die Sterne. Blumfeld machten „Graue Wolken“, Tocotronic veröffentlichten K.O.O.K., Hamburg war wirklich nicht mehr Seattle aber die Sterne weckten mein Interesse mehr und mehr. Wo ist hier und Irres Licht sind die Alben dazu. „Ich variiere meinen Rhythmus“ und „Wahr ist was wahr ist“ werden Lieblinge. Allerdings erstmal nur auf Zeit. Neue Musik kam, und ich vernachlässigte die Sterne erneut. Mein Musikinteresse verschob sich einfach, so denke ich in der Erinnerung. Fakt ist, dass ich erst vor einigen Jahren wieder auf die Hamburger zurückkam. 24/7, ihr sogenanntes Discoalbum, faszinierte und begeisterte mich sehr. Ja, die Sterne waren jetzt noch stärker dancy als sie in der 1990er Jahren poppig waren. Aber, lustig oder nicht, genau das mochte ich jetzt an ihnen. 24/7 hörte ich sehr oft.

Nun gibt es diese Band schon 25 Jahre. Himmel, noch so ein Jubiläum von einer Musikband aus meinen Teenagertagen mit einer irritierenden Zahl. Wie lange ist 25? Ich empfinde es erschreckend und schön zugleich, dass es Bands, die es zu meiner Ausbildungszeit und davor schon gab, immer noch gibt und die immer noch eine gewisse Relevanz für mich haben. Und das nicht nur aus nostalgischen Gründen, sondern auch, weil sie weiterhin schöne Alben produzieren. Das letzte der Sterne heißt Flucht in die Flucht, die Albensongs „Mach mich vom Acker“ und „Mein Sonnenschirm umspannt die Welt“ sind Teil der Setlist an diesem Abend. So wie die anderen Songs des Abends wurden auch diese beiden Stücke von anderen Bands gecovert und finden sich auf dem Album Mach’s besser wieder. Es ist die Geburtstagsplatte der Sterne, auf der sie sich in 25 Songs von anderen Musikern covern lassen. Ob die das jedoch besser machen, weiß ich nicht. Ich bleibe lieber bei den Originalen.
Zu dieser Platte spielen die Sterne ein paar Konzerte, eines davon in der Kulturkirche. Die ist lange ausverkauft. Ich hatte mir jedoch rechtzeitig ein Ticket gekauft und stehe da, wo ich meistens bei Konzerten stehe. Den halben Hinweg überlegte ich, ob und wenn ja, wen es als Vorband geben würde. Ich hatte das gelesen, aber erst kurz vor Konzertbeginn, als ich auf der Bühne einen schwarzhaarigen Wuschelkopf sah, fiel es mir wieder ein: Mensch ja, Vorband sind Locas in love. Wow, sehr gut. Auch wenn ich Locas in love nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit live sehe, ich mag die Band und ihre Musik. Umso schöner, mal wieder in den Genuss eines Konzertes der Kölner zu kommen.
Um es kurz zu machen. Es waren gute 40 Minuten, die mit einem Instrumentalstück begannen und mit einem Instrumentalstück endeten. Zwischendurch erfuhr ich Wissenswertes über das Musikschreiben (‚Wahrscheinlich sind 2/3 von euch eh in einer Band und dann kennt ihr das, wenn man aus seinen Lieblingsliedern ein paar Versatzstücke nimmt, sie als Basis der eigenen Songs verwendet und weiterspinnt…‘ – halt, stopp. Ich gehöre zum anderenDrittel und kenne es folglich nicht) und hörte ein paar Anekdötchen (die Helmut Zerlett Band hat uns 2004 vor der Kulturkirche zugeparkt). Ja, Locas in love versprühten gute Stimmung.

Die Sterne hatten danach leichtes Spiel. Die Kulturkirche war bestens auf das Konzert vorbereitet. Leichtes Spiel hätten sie sowieso gehabt, denn mit einem alle-Hits Set kann man keine Band der Welt etwas falsch machen. Für mich hieß das, nach längerer Zeit mal wieder ein Konzert zu sehen, bei dem ich alle Songs kenne. Und mit kennen meine ich nicht, dass ich sie mal gehört habe. Ich meine, ich kenne sie. „Scheiß auf deutsche Texte“, „Nach fest kommt lose“, „Die Interessanten“, „Aber andererseits“ „Was hat dich bloß so ruiniert“, „Fickt das System“  ist eine wahllose Auswahl der guten 20 Songs, die ich an diesem Abend höre und die mir – mal mehr, mal weniger – in Herz und Blut übergegangen sind. Aber Moment, eine Einschränkung muss ich machen. „Sturm über der Hallig“ kenne ich nicht. Aber das kann ich vielleicht auch gar nicht kennen, da „Sturm über der Hallig“ nur eine B-Seite in einer superduperdeluxe Ausgabe einer Platte war und darüber hinaus nicht anders veröffentlicht wurde. So zumindest verstand ich Frank Spilker in der Songansage. Gut, also einen Song kannte ich nicht. Statistisch gesehen ist das vernachlässigbar.

Es war also ein Konzert mit höchstmöglichem Wiedererkennungswert und schönen Erinnerungen. ‘Ach ja, das gibt’s ja auch noch‘ und ‘ohh wie toll, lange nicht gehört‘. So in etwa ging es während des Konzertes in meinem Kopf hin und her. Wie herrlich all diese Mitgrölstrophen, diese Nörgelhymnen! Und wie toll, all das in gebündelter Form präsentiert zu bekommen. 24 Songs standen auf der Setlist. Wow, es wird wirklich ein fulminanter Abend. ‚Hoffentlich auch für mich bis zum Ende‘, dachte ich irgendwann mittendrin. Denn mein Zeitplan war eng, die Fahrpläne der Züge und so. Es wäre schade, hier etwas zu verpassen. Überdies mag ich es aus noch einem anderen Grund nicht, wenn ich ein Konzert vorzeitig verlassen muss. Mir fehlt dann etwas, und sei es nur das ein paar Minuten lang rumstehen im Saallicht. Wenn ich eher gehe, habe ich das Gefühl, den Abend nicht richtig abgeschlossen zu haben. Aber leider muss ich das trotzdem manchmal machen. Und leider auch an diesem Abend. Mein Rausschmeißer hieß „Fickt das System“. Vier Songs vor Setlistende.

Draußen harrte ich trotzdem noch ein paar Sekunden vor den Kirchentoren aus. Gedankliches sacken lassen. Als ich dann losging, begleitet mich das Gewummere aus dem inneren der Kirche noch bis um den nächsten Block. Möge man als Konzertbesucher oder Band über das wenig verhandelbare Konzertende von kurz nach halb elf verärgert sein. Ich habe dafür jetzt Verständnis.

Warst Du nicht fett und rosig?
Warst Du nicht glücklich?
Bis auf die Beschwerlichkeiten
Mit den anderen Kindern streiten,
mit Papa und Mama.

Kontextkonzert:
Die Sterne – Bochum, 03.02.2012 / Bahnhof Langendreer
Die Sterne – Juicy Beats Festival, 31.07.2010

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