Ort: Kulturfabrik, Esch-sur-Alzette
Bands: Ducks LTD, Corridor, Maserati, Traumhaus, bdrmm, Cola, Gilla Band
20 Jahre Out of the Crowd Festival.
Mittlerweile ist es eine gute Tradition, im Mai nach Esch-sur-Alzette zu fahren, um das Out of the Crow Festival in der dortigen Kulturfabrik zu besuchen. Seit einigen Jahren mache ich das, auswendig weiß ich gerade gar nicht, wann ich erstmals beim Out of the Crowd war. Ich weiß aber noch, dass es ein Ein-Tagestrip war und dass mich das ziemlich nervte. Esch-sur-Alzette liegt an der französischen Grenze, es sind also nochmals ein paar Minuten mehr als bis Luxemburg-City. Und nach 5 Stunden rumstehen, ist eine nächtliche Rückfahrt über zweieinhalb Stunden zwar machbar, aber doch anstrengend. In den nächsten Jahren etablierte ich daher folgendes Vorgehen: ich buche eine Übernachtung in Belval in der Nähe von Esch-sur-Alzette, checke nachmittags im Hotel ein, fahre 3 Minuten mit dem Zug von Belval nach Esch-sur-Alzette und mit dem vorletzten Zug nachts zurück zum Hotel. Der ÖPNV ist in Luxemburg kostenfrei und im Belval findet sich immer ein nicht zu zahlender Parkplatz. Das passt also.
Das Belval ist ein alter Industriekomplex, der in den letzten Jahren zu einem neuen Stadtteil hochgepusht wurde. Die Universität hat sich hier niedergelassen, die Rockhal, der größte Konzertort Luxemburgs, ist hier und mittlerweile auch etliche Geschäfte und Appartementhäuser. Von hier aus ist es mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ein kleiner Sprung nach Esch-sur-Alzette. In Esch-sur-Alzette sind es 20 Minuten Gehweg bis zur Kulturfabrik. Früher wurden hier Tiere geschlachtet, die Kulturfabrik ist in den Mauern des ehemaligen städtischen Schlachthofs beheimatet, heute kann man in der an die beiden Konzertsäle angrenzenden Brasserie vegetarisch essen. Auf der anderen Seite des Areals gibt es noch eine Bar, im Hof sind Sitzgelegenheiten installiert. Es ist ein schöner Ort.
Das Out of the Crowd Festival nutzt beide Bühnen, die quasi nahtlos abwechselnd bespielt werden. Ab 16 Uhr und bis kurz nach Mitternacht (damit problemlos der letzte Zug nach Luxemburg City noch erreicht werden kann) treten 12 Bands auf.
An diesem Samstag steige ich um 17.35 Uhr am Bahnhof in Esch/Alzette aus dem Zug. Die erste Band, die ich sehen möchte, sind Ducks LTD aus Kanada. Die Band erinnert mich ein bisschen an Clap your hands say yeah und Rolling Blackouts Coastal Fever. Die Band um die Sänger/Gitarristen Tom McGreevy und Evan Lewis hat seit 2021 zwei Alben veröffentlicht. Modern Fiction und Harm’s Way. Jangle-Pop nennt man das wohl, was die Kanadier auf die Bühne bringen. Mein Anspieltipp ist „Train full of gasoline“ vom aktuellen Album. Ein guter, poppiger Start ins diesjährige Out of the Crowd Festival. Ab jetzt wird es dann nur noch lauter und wilder.
Zum Beispiel mit Corridor. Montreal statt Toronto. Die kanadische Band No. 2 folgt im Anschluss auf der größeren Bühne nebenan. 5 Jahre nach ihrer letzten Veröffentlichung haben sie dieses Jahr mit Mimi ein schönes Indierock Album auf den Markt geworfen, das ich durchaus empfehlen möchte. „Jump Cut“ wäre hier mein Anspieltipp. Ein Song, der mich an die Band Omni denken lässt.
Nach einer kleinen Snackpause gegen halb acht geht es für mich zwischen den beiden Sälen hin und her: Maserati, Traumhaus, bdrmm, Cola, Gilla Band. Der Abend ist bis Mitternacht belegt.
Wenn es am Out of the Crowd etwas zu kritisieren gibt, dann die Sache mit dem Streetfoodverkauf. Schon in den letzten beiden Jahren empfand ich die Verkaufssituation enorm nervig und auch in diesem Jahr stört die sehr lange Wartezeit an den beiden Streetfoodbuden enorm. Klar, das Essen wird frisch und mit größter Sorgfalt zubereitet, aber 30 Minuten anstehen für eine vegetarische Pita sind schon eine Hausnummer. Und dass nach 22 Uhr kein Essen mehr verkauft wird, finde ich auch unglücklich und schade. Gerade bei einem durchgängigen Programm auf den beiden Bühnen. Ich möchte doch nur ungern ein Konzert verpassen und in den letzten Jahren dachte ich oft, vielleicht geht ja essenstechnisch nach den Konzerten noch etwas. Das war und ist aber leider nicht der Fall. Etwa ab 22 Uhr sind die Streetfoodwagen dicht. Vielleicht könnte man das ändern, liebe Veranstalter. Also skippe ich für meine Pita die amerikanischen Lip Critic, denn die nachfolgenden Bands sind mir schon wichtiger.
Zum Beispiel Maserati.
Hauptsächlich in den 2000er Jahren aktiv mit einigen Veröffentlichungen. Die beiden Gitarristen Coley Dennis und Matt Cherry sind die Maserati Urgesteine, die von Anfang an in der Band sind. Sie flankieren die Band an beiden Seiten. Instrumenteller Gitarren-Postrock mit einem sehr treibenden Schlagzeug, so möchte ich den Maserati Sound beschreiben. Wer an Mogwai denkt, denkt nicht ganz falsch; aber Maserati klingen nicht ganz so schwermütig und britisch. Nichtsdestotrotz, Maserati ist ein Gitarrenbrett. In der Mitte des Sets braucht der Schlagzeuger eine Auszeit. Dehnübungen alleine reichen nicht mehr, für ein paar Minuten verschwindet Mike Albanese hinter der Bühne. Verständlich, das Schlagzeug die Band permanent nach vorne, Mike Albanese leistet nonstop körperliche Schwerstarbeit.
Traumhaus und bdrmm sind ein bisschen alte Bekannte. Die englische Shoegaze Band bdrmm sah ich bereits zweimal (oder 3x?) live, sie überzeugten jedes Mal. In der Kulturfabrik ist das nicht anders, ich bin begeistert von ihrem Set. Die Band wird immer größer, immer mehr Leute können sich auf die sehr lauten und aktuell um ein bisschen Elektrokrams ergänzten Shoegazegitarren einigen. Ihr Slot ist der erste vor einer vollen großen Halle.
Der kleine Saal ist immer voll. Auch bei Traumhaus, der irren Indierockband aus Rotterdam. Sehr wild springt Sänger Lukas Jansen über die Bühne, begleitet – oder besser angetrieben – von drei Gitarren und einem Schlagzeug. Traumhaus haben einen guten Zug in ihren Songs, mir gefällt das. Bei den letzten Livekonzerten in Deutschland kam das wohl nicht so gut an, wenn ich die Aussagen des Sängers richtig interpretiere. Scheinbar liefen die Shows nicht wie geplant. Egal, den kleinen Saal reißen sie förmlich ab.
Mein Highlight des diesjährigen Out of the Crowd ist das Konzert von Cola. Ich mag Ought sehr, da ist es nur zu logisch, auch die Nachfolgeband gut zu finden. Bis zur Bekanntgabe des Cola Konzertes (klingt schon komisch, denke an Fanta Vorstellung oder Sprite Party) war das Line-up okay, mit Cola – und später dann mit der Gilla Band – wurde es sehr gut. Mein anderes Lieblingsfrühjahrsfestival, das Little Waves Festival in Genk, hat für seine Jubiläumsausgabe (10 Jahre) die Kurve für mich mit den letzten Ankündigungen nicht mehr hingekriegt, das Out of the Crowd Festival hat mich mit diesen beiden Nominierungen im Kauf des early bird Tickets im Dezember mehr als bestätigt. In den letzten Jahren gab es hier wirklich kein schwaches Line-up, die Veranstalter machen das sehr gut!
Cola gründete sich 2021 am selben Tag, an dem die Auflösung von Ought bekanntgegeben wurde. Tim Darcy und Ben Stidworthy von Ought sowie Evan J. Cartwright (trommelt auch bei den U.S. Girls und The Weather Station) hatten schon vorher Songs geschrieben und sich ausgetauscht, Cola wurde aber erst durch die Auflösung von Ought (kenne die Gründe nicht) offiziell.Der Sound ist dann auch stark Ought geprägt. Die zackige Gitarre tönt hier wie dort und der Gesang von Tim Darcy lässt eh’ Ought Assoziationen aufkommen. Trotzdem ist nicht alles so wie früher. Die Songs sind mitunter kürzer und ohne Keyboardunterstützung noch minimalistischer.
Für mich überraschend ziehen Cola nicht ganz so viele Leute in den kleinen Saal, vor der Bühne bleibt überraschend viel Platz. Nichtsdestotrotz, es ist ein tolles Konzert und es macht großen Spaß. Ich freue mich auf ihr neues, zweites Album, das im Sommer veröffentlicht werden soll.
PS: Cola steht als Akronym übrigens für ‘cost of living adjustment’, lerne ich aus dem Internet.
Zum Abschluss dann die Gilla Band. Länger habe ich darauf gewartet, ein Konzert der Iren besuchen zu können. Girl Band ist ihr älterer Name, den sie jedoch 2021 abgelegt haben.
The all-man noise-rock quartet formerly known as Girl Band have changed their name to Gilla Band and apologized for “choosing a misgendered name in the first place.” In a statement, the Irish group write that the name “was chosen without much thought, from a place of naivety and ignorance.”
Pitchfork
Seit fast 15 Jahren sind Dara Kiely, Alan Duggan, Daniel Fox und Adam Faulkner die Gilla Band. Das letzte Album, Most normal, ist das erste Album unter ihrem neuen Namen. Musikalisch verändert sich nicht viel. Post-Rock, Noiserock, alles außer ‘klingen wie Radiohead’. Und doch sind Sachen neu: Technobeats, irres Piepen und Pfeifen sowie andere Störgeräusche. In dieser Häufung kommt das bei älteren Gilla Band Alben nicht vor. Live ist es dann von allem etwas. Die anfänglichen Technikprobleme sind schnell behoben und es entwickelt sich ein würdiges Headlinerkonzert. Ich sehe eine Band in Spiellaune und mit großer Freude. „Eight Fivers“ erinnert mich kurzzeitig an Cop Shoot Cop. Aber grundsätzlich ist ihr Noiserock schon unvergleichbar. Muss man erlebt haben. Habe ich nun erlebt.
Auch in diesem Winter werde ich mir wieder blind ein early bird Ticket kaufen. Mit dem Out of the Crowd Festival kann man nix falsch machen. Versprochen.
Kontextkonzerte:
Out of the crowd Festival – Esch-sur-Alzette, 29.04.2023 / Kulturfabrik
Out of the crowd Festival – Esch-sur-Alzette, 30.04.2022 / Kulturfabrik
Out of the crowd Festival – Esch-sur-Alzette, 27.04.2019 / Kulturfabrik
bdrmm – Dortmund, 24.02.2024 / FZW
bdrmm – Maastricht, 14.10.2021 / Muziekgieterij
Tramhaus – Zeitgeist Festival Nijmegen, 03.12.2022 / Doornroosje