Ort: Den Atelier, Luxemburg
Vorband:

The Libertines - Luxemburg, 16.05.2024

Nach 55 Minuten verlassen The Libertines erstmal die Bühne. ‘What a waster’ mag man jetzt denken. Dass die Band noch vier Zugaben spielte, machte den Kohl natürlich auch nicht wirklich fett. Nach wenigen 80 Minuten Nettospielzeit ist das Konzert vorbei. Habe ich wirklich viel anderes erwartet? Nicht wirklich. Kaufe ich mir ein The Libertines Ticket weiß ich so ungefähr, was mich erwartet. Immerhin – ich könnte es positiv werten – fingen sie nach Zeitplan an. Zu den Hochzeiten von Pete Doherty und Carl Barât war das ja auch schon mal anders. Ich erinnere mich an Konzertberichte, die von längerem Warten auf die Band erzählen, von kruden Abläufen und allerlei Unsinn.

In den 2000ern standen The Libertines für rauen, ruppigen Garagenrock. Und den haben die vier Musiker auch gelebt: harte Drogen, Supermodels, Entzugsklinken, interne Streitigkeiten. Die kreativen Köpfe – Carl Barat und Pete Doherty – waren wie Nitro und Glyzerin. (br.de)

BR online

Zwischen ‘Genie und Wahnsinn’ sagt man da gerne. Aber das ist länger hier, mittlerweile kann der Begriff Wahnsinn aus dem The Libertines Kontext gestrichen werden. Und jetzt haben sie ein neues Album veröffentlicht. All quiet on the eastern esplanade; es ist das erste nach knapp 10 Jahren, das vierte insgesamt. Wir erinnern uns: die ersten beiden Alben kamen Anfang der 2000er Jahre, dann kamen Pete Dohertys Entzugsversuche, dann die Babyshambles (Pete Doherty) und die Dirty pretty things (Carl Barât). Mitte der 2010er Jahre tauchten The Libertines für ein paar Konzerte wieder auf, machten ein drittes Album und spielten in den nächsten Jahren immer mal wieder Gigs. Man könnte meinen, sie würden es ausklingen lassen, hier einen Glastonbury Auftritt oder dort eine Hyde Park Show. Doch jetzt, für mich völlig überraschend, kommen sie mit dem neuen Album um die Ecke.
Als das Konzert im den Atelier angekündigt wurde, dachte ich an eine best-of Show, an eine Art Warm-up vor den Sommer open airs (in England spielen sie ein paar davon). Als ich dann vom neuen Album hörte, war ich mir da nicht mehr sicher. Doch nach kurzen Blicken auf die Setlisten der anderen Konzerte der Tour sah (sie spielten noch in Frankreich und England) wieder alles wie gedacht aus. Zwei, drei Songs von der aktuellen Platte (meist „Run, run, run“, „Shiver“, „Merry old England“) und sonst nur alte Kamellen. So ist es okay. In Luxemburg kommen an neuen Songs noch „Songs they never play on the radio“ und  „Night of the hunter“ hinzu. Das ist auch okay.

Die elf Stücke auf All Quiet On The Eastern Esplanade warten nur selten mit dem ungeschliffenen Garagenrock der drei Vorgänger-Alben auf. Dafür mit opulenten Orchester-Pop, Folk- und Vaudeville-Elementen und nostalgischen Balladen. Dabei erinnern die Libertines an die Kinks um Mastermind Ray Davies.

schreibt der BR in einer Onlinerezession. Live ist das nur sehr schwer zu verifizieren, ich höre spontan keinen Unterschied zwischen alten und neuen Sachen. Die Band, zu der auch John Hassall am Bass und Gary Powell am Schlagzeug zählen, jamt sich durch ihr Set. Hier eine kleine Gitarrenpassage als Zwischenspiel, dort ein bisschen Keyboardgeklimer zur Überbrückung. Auch ein Schlagzeugsolo von Gary Powell vor der Zugabe fehlt nicht.

Gegen halb acht ist es noch leer im den Atelier, sodass ich ohne Probleme einen Platz in den vorderen Reihen bekomme. Englisch und Deutsch sind die Sprachen, die ich jetzt deutlich vernehme. Okay, die The Libertines ziehen. Der Luxemburger Konzertgänger ist traditionell entspannter, er kommt erst ein paar Minuten vor Konzertbeginn. Auch das macht Konzertbesuche im Nachbarland so attraktiv. Der Bühnenaufbau steht bereits. Der DJ spielt Konsensindie von New Order bis zu den Pixies zur Einstimmung. Dann kommt Bewegung ins Bühnenbild. Zwei Roadies räumen um kurz nach acht die drei Mikrofonständer nach hinten und gruppieren sie um das Keyboard. Ah ha. Meine Vermutung, dass The Libertines vielleicht erst ein paar Songs um das Keyboard gruppiert spielen, wird jedoch schnell ad absurdum geführt. Eine Tanzgruppe kommt auf die Bühne, 8-10 Personen stark. Es ist mir nicht klar, wie und warum dieser Showact jetzt stattfindet. Wette gewonnen? Carl Barât schaut hinter der Bande interessiert. Nach 10 Minuten ist das Spektakel vorbei. Dann ist wieder alles wie vorher und vom Band laufen die Arctic Monkeys. Ein merkwürdiges Intermezzo.
Das den Atelier ist jetzt voll. Das Publikum im Alter der Bandmitglieder; oder älter. Da keine Vorband aufgeboten wird, ist der Konzertbeginn mit 20.30 Uhr arbeitnehmerfreundlich terminiert. Pünktlich startet das Konzert mit zwei Smashern. „Up the bracket“ und „Vertigo“ vom Up the bracket Album. Ich habe sie noch so gerade wiedererkannt. Ähnlich ergeht es mir später auch bei „What Katie did“ und „Time for heroes“. Ich habe die Songs völlig vergessen, dabei war „What Katie did“ mal ein Lieblingslied von mir.
Die Stimmung ist gut bis ausgelassen. Kein Wunder, die Libertines sieht man nicht alle Tage und die Setlist ist traumhaft gut.
„What became of the likely lads“? Nun, Carl Barât und John Hassall sehen immer noch so aus wie vor 20 Jahren, Pete Doherty allerdings hat ein wenig zugelegt. Die Geschichten rund um den Sänger sind hinlänglich bekannt. Auf der Bühne wirken sie überraschend frisch. Auch Pete Doherty. In den knapp 90 Minuten muss niemand an sein körperliches Limit. Der Auftritt lebt natürlich stark von den alten Hits, die gut ins Set eingestreut sind: „What Katie did“, „Can’t stand me now“, „Time for heroes“. Nach „Time for heroes“ ist dann erstmal Schluss. Unvermittelt und sehr abrupt verlässt die Band die Bühne. Und kommt erstmal für längere Zeit nicht wieder. ‘Wird das noch was?’ denke ich und erhalte ein paar Augenblicke später die Antwort. Es wird noch was. Nach einigen vielen Minuten öffnet sich die Tür zum Backstagebereich wieder. Drei Songs spielen The Libertines noch, darunter das sehr schöne neue „Songs they never play on the radio“. Songs schreiben haben sie nun wirklich nicht verlernt. Dann ist aber wirklich Schluss. Es ist knapp 22 Uhr.
Nach dem zweiten Abgang schreibt Pete Doherty noch vor der Backstagertür Autogramme und gibt Selfies. Und davon nicht wenige. Sein Hund, ich vermute es ist sein Hund, ist auch da und wartet geduldig.

Setlist:
01: Up the bracket
02: Vertigo
03: Run, Run, Run
04: Night of the hunter
05: What became of the likely lads
06: Shiver
07: What Katie did
08: Merry old England
09: Death on the stairs
10: Music when the lights go out
11: Horrorshow
12: Can’t stand me now
13: Gunga din
14: Time for heroes
Zugabe:
15: Don’t look back into the sun
16: The good old days
17: Songs they never play on the radio

Kontextkonzerte:
The Libertines – Köln, 10.02.2016 / Palladium

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