Ort: Muziekgieterij, Maastricht
Vorband: Bangloard
Nachdem Ought im Jahr 2021 ihre Auflösung bekannt gegeben hatten, gründeten Sänger Tim Darcy und Ben Stidworthy kurz darauf die Band Cola. Doch was heißt kurz darauf, noch am selben Tag hievten sie Cola ins Licht der Öffentlichkeit. Songs hatten sie schon ein paar, denn bereits seit einiger Zeit arbeiteten die beiden zusammen mit dem Schlagzeuger Evan Cartwright an neuer Musik. Musikalisch knüpfen sie mit Cola ungefähr da an, wo sie mit Ought aufgehört hatten: Postpunk irgendwas. Da ich Ought sehr mag, wurde ich natürlich von Stunde null an Fan von Cola. 2022 erschien ihr erstes Album, in diesem Jahr das zweite. Allerdings dauerte es eine Weile, bis die Band nach Europa kam. Im Frühjahr war es soweit, Cola spielten beim Out of the crowd Festival in Esch-Alzette ihren ersten (?) – jedenfalls den ersten für mich erreichbaren – Europagig. Mein Warten hatte ein Ende und ich wurde mit einem sehr schönen, knackigen Set dafür belohnt.
Als Cola im Sommer dann für das Sonic City Festival in Kortrijk angekündigt wurden, freute ich mich sehr. Ist das die zweite Gelegenheit innerhalb eines Jahres, die Band zu sehen? Immerhin war die Ankündigung definitiv ein Grund, in den Nordwesten Belgiens zu fahren. Doch dann kam kurz darauf der Maastricht Gig in den Tourplan, und alles wurde ein bisschen einfacher.
In der Muziekgieterij spielen die Kanadier eines der dort regelmäßig stattfindenden kostenfreien Konzerte. 043 nennt sich die Konzertreihe (in früheren Jahren Tranformer 4), die zwei bis dreimal im Jahr interessante junge Bands in der Muziekgieterij zusammenführt. bdrmm, Just Mustard, Squid, Heartworms, sie alle habe ich bei freiem Eintritt im kleinen Saal der Muziekgieterij gesehen. Das Konzept ist dabei immer gleich: zwei lokale Bands eröffnen den Abend mit kurzen, meist halbstündigen Sets, bevor der ‘Headliner’ die Bühne entert. So kommen meist drei Stunden Konzert in nettem Ambiente und in entspannter Atmosphäre zusammen. Voll sind diese Veranstaltungen nie, auch an diesem Abend sind vielleicht 100 Leute zugegen. Ganz unterschiedlich sind dabei die Interessenlagen. Ich fahre wegen dem bekannten Headliner nach Maastricht, viele sind jedoch vor Ort, um eine der lokalen Gruppen zu supporten. So passiert es dann oft, dass zur letzten Band weniger Leute aufmerksam zuhören, als bei der ersten Band. Dieser Abend ist da keine Ausnahme.
Ich spare mir die erste Band und plane meine Fahrt so, dass ich gegen 21 Uhr und einigermaßen pünktlich zu Bangloard in der Muziekgieterij bin. Das Setting sieht vor, dass die niederländische Band bis 21.30 Uhr spielt, und von 22 Uhr bis 23 Uhr Cola den Abend beschließen. Ausführlich und mit weiteren Informationen angereichert steht der Zeitplan auf der Homepage des Klubs. Zur Nachahmung für deutsche Veranstalter dringendst empfohlen!
Es ist ein ruhiger Montagabend in Maastricht. Die Straßen sind nicht voll, das neu gebaute Parkhaus auf dem ehemaligen Schotterparkplatz Frontenparken ist quasi leer. Es ist angenehm kalt, auf dem kurzen Fußweg vom Parkhaus zur Muziekgieterij weht ein kühler, aber nicht zu kühler Wind.
Bangloard sind drei Jungs aus Brabant, Den Haag und noch irgendwoher. So richtig verstanden habe ich das leider nicht. Mittlerweile leben sie wohl alle in Utrecht. Egal. Die Visions beschreibt die Musik so:
Die Niederländer schaffen es, harmonisch-komplexe Gitarrensolos und Riffs in krachigen Noiserock einzubetten und dann doch wieder zu geradlinigen Punk-Beats zurückzuschwingen.
Die gute halbe Konzertstunde übersetzt das für mich in ein: es ist nicht so meins. Bis auf ein bisschen kopfnicken kann ich genau diesen Gitarrenriffs nicht sonderlich viel abgewinnen. Am interessantesten ist da noch das im drittletzten Song auf der E-Gitarre kurz eingepflegte Simpsons Theme. Ich musste kurz schmunzeln
‘Is today a holiday’, fragt Tim Darcy irgendwann im Laufe des Konzerts. Von hinten kommt ein gegröltes ‘No’, und während ich noch über die Feiertagsattitüde der Sessionseröffnung nachdenke, höre ich links neben mir sagen ‘in Belgien ist heute Feiertag, der Ende des ersten Weltkriegs’. Oh, das wusste ich nicht. Sowohl das eine als auch das andere. Wahrscheinlich hat man den Colas gestern in Kortrijk mit auf den Weg gegeben, dass heute in Belgien ein freier Tag ist. Nur leider liegt Maastricht knapp hinter der belgischen Grenze. Na ja, man kann schon mal durcheinanderkommen im verwirrend unübersichtlichen Dreiländereck.
Die Lücken im Publikum sind mittlerweile größer geworden. So richtig scheint der vertrackte und kopflastige Post-Punk der Kanadier nicht zu ziehen. Es ist aber auch schwierig, in ihr Konzert zu kommen. Man spürt förmlich die Unaufmerksamkeit hinter einem im Publikum, man hört das Gerede und Klappern von der Bar. Cola nehmen das ohne Emotionen hin. Richtig glücklich sehen sie allerdings nicht aus. Das Trio hat Anfang des Jahres ihr zweites Album veröffentlicht, The gloss. Auf der Setlist ist es entsprechend stark repräsentiert. Musikalisch ist es die logische und bruchfreie Fortsetzung des Debütalbums Deep in view. Cola haben ihren Sound gefunden, und der ist ganz eindeutig im Post-Punk-Indierock verortet. Experimente mit Keyboards oder anderem Gedöns gibt es nicht. Schlagzeug, Gitarre, Bass, dazu der Sprechgesang von Tim Darcy. Das ist die Ausrüstung, mehr wäre zu viel. Pitchfork nennt es so:
In the dozen or so years that Tim Darcy and Ben Stidworthy have been playing together – first in Ought, and now, with drummer Evan Cartwright, as Cola – their music’s defining characteristics haven’t changed much. The two still specialize in a knotty, post-punky brand of indie rock embedded with cryptic yet conversational observations about maintaining one’s sanity in the modern world. But when you compare Ought’s 2014 debut, More Than Any Other Day, to the music Cola are making now, it’s like listening to completely different musicians—and the contrast goes beyond the fact that their current trio seemingly has no use for a keyboardist. Ought always sounded like a band in flux, unfurling their tightly wound sound for deeper explorations in drone and groove, while Darcy wielded his mercurial voice with theatrical aplomb. But Cola’s second album, The Gloss, is a model of focus, precision, and economy—the sound of players who know exactly who they are and what they want to do.
Die ihnen zugewiesene Spielzeit beträgt 60 Minuten, nach 50 Minuten sind sie jedoch schon durch. Ich werte das als ein Zugeständnis an die wenig euphorische Stimmung. Denn leider ist es so, dass sich wirklich nur maximal zwei Hände voll an Besuchern auf die Band konzentrierten. Und wir sind damit deutlich in der Minderheit, was zu einer sehr starken Unruhe im Saal führt. Vielleicht ist das ein, oder besser der einzige, Negativpunkt bei sogenannten free concerts: es kommen auch Leute, um nur kurz ein Bier zu trinken und in die Band reinzuhören. Bei Nichtgefallen kann man sich dann ja einfach weiter unterhalten.
Die Stimmung war leider ausbaufähig, aber mir hat der Abend trotzdem Spaß gemacht. Und solange Bands wie Cola oder Cassandra Jenkins sich nicht in Richtung Köln bewegen, muss ich halt in Richtung Belgien oder Niederlande fahren. Ich mache das aber gerne, denn hier sind die Clubs und Konzertsäle schöner und moderner. Gott sei Dank sind beide Länder nicht allzu weit entfernt.
PS: Wer sich ob des suchmaschinenunfreundlichen Bandnamens wundert. Cola will die Band als Akronym für ‘cost of living adjustment‘ verstehen.
Setlist:
01: Degree
02: Tracing hallmarks
03: Down to size
04: Met resistance
05: Reprise
06: At pace
07: Albatross
08: Blank curtain
09: So excited
10: Pallor tricks
11: Water table
12: Bell wheel
13: Keys down if you stay
Kontextkonzerte:
Cola – Out of the crowd Festival, Esch-sur-Alzette, 11.05.2024
043 Festival – Maastricht, 01.12.2023