Wenn Beth Ditto zum Gesang ansetzt, müssen eigentlich alle mit. Wer die Live DVD Liverpool oder den ein oder anderen YouTube Schnipsel kennt weiß, was ich meine. Diese Frau ist ein Phänomen. Wuchtbrumme, Testosteronmonster oder Energiepaket sind die Begriffe, die man an unterschiedlichen Stellen nachlesen kann beim Versuch, die Bühnenintensität von Beth Ditto zu beschreiben. Beth Ditto ist die Frontfrau der amerikanischen Band Gossip. Das Trio aus Portland, neben Beth gehören Gitarrist Keyboarder Nathan Howdeshell und Schlagzeugerin Hannah Blilie zur Stammbesetzung, wurde am gestrigen Abend durch den Bassisten Chris Sutton ergänzt.
„Eigentlich müsste das gut zusammen passen, der leicht glamoureske Soulpunk Gossips und das sehr heimelige, plüschige Gloria“, dachte ich, als ich die Vorankündigung des Konzertes las.
Das Gloria war gut zu dreiviertel gefüllt, als ich um kurz nach neun den ehemaligen Kinosaal betrat. Die Vorband spielte bereits. Auf der Homepage des Gloria wurde der Gossip Support mit dem Namen Adept angekündigt.Gossip 26082008
Eine Vorabrecherche im Internet brachte nur eine Metal-, Hardcoreband mit diesem Namen zum Vorschein. Ich hatte Zweifel. Eine Metalband wird doch nicht als Support vor Gossip spielen.
Ob die Band, vier Jungs an der Zahl, wirklich Adept waren oder nicht, kann ich nicht sagen. Metal oder Hardcore haben sie jedenfalls nicht gespielt, eher so wirres Indie-elektro-zeugs.
In der Zeit, in der ich sie sah, sagten sie kein Wort in Richtung Publikum, und ehrlich gesagt, habe ich auch nicht sonderlich auf sie geachtet. Ich fand sie langweilig und beschäftigte mich lieber eine Viertelstunde damit, mir eine Cola zu besorgen. Die Bedienung wollte mich lange Zeit nicht wahrnehmen, was mich aber nicht allzu sehr störte, da ich nicht den Eindruck hatte, etwas zu verpassen. Da konnte ich auch geduldig warten. Und irgendwann klappte es auch mit der Cola.
Adept, oder wer auch immer, spielten zu lange 20 Minuten. Und auch der anschliessende Instrumentenabbau mit nacktem Oberkörper riss den Auftritt nicht raus.
So war der Vorgruppendrops schnell gelutscht und der Abend konnte beginnen.
Ich war ziemlich neugierig auf Gossip. Auf die Show, auf Beth Ditto, auf die Publikumreaktionen. Den Gossip Shows hallt der Ruf voraus, fulminante Stimmungsabräumer zu sein. “Es wird bestimmt gut”, schrieb so auch Christoph kurz vor Showbeginn per SMS. Er war also auch voller Vorfreude.
Gossip 26082008Gegen viertel nach neun betraten Gossip nach einer längeren Umbaupause die Bühne. Als Intro hatten sie sich einen 80er Synthieschlager rausgesucht, der dann auch gleich in fast voller Länge ausgeschöpft wurde.
Beth trug, so wie meistens, ein enges, kurzes, blaues Kleid. Brace Paine trägt neuerdings Schnäuzer und, als wenn dies nicht schon Fashionvictim-tun genug war, eine Brille der Modellmarke “Glasbaustein- Kassengestell”. Der Bassist fiel ein bisschen aus der Reihe, hatte er doch kein sichtbares Tatoo und keine modischen Accessoires, Jeans und ein graues T-Shirt hieß sein Bühnenoutfit.
Dafür hatte er sichtlich am meisten Spaß. Über jeden kleinen Witz oder Bemerkung von Beth oder Brace lachte er sich schlapp. Sein Bassspiel war unspektakulär und solide. Generell lässt sich das für alle drei Musiker sagen. Die Show gehörte allein Beth Ditto. Und wenn die Bühnenbreite nicht ausreichte, musste halt das komplette Gloria herhalten. So wie bei der ersten Zugabe, die Beth vom ersten Ton bis zum letzten Ton aus dem Moshpit heraus sang.
Der Moshpit war allerdings sehr überschaubar. Und so muss ich leider gestehen, dass Gossip gestern nicht funktioniert haben. Ich weiss nicht genau woran es gelegen hat, aber der Funke wollte nicht so recht rüberspringen. Erst dachte ich, es liegt an meiner leicht kränklichen Verfassung, aber als ich mich so Mitte des Konzertes nach links und rechts umschaute, blickte ich doch in einige gleichmütig blickende Gesichter. Klar, die vorderen Reihen hatten ihren totalen Spass, aber das komplette Gloria war bei weitem nicht ekstatisch enthusiastisch unterwegs. Ich fand auch den Sound nicht besonders druckvoll. Ach Mensch, schade das es nicht funkte.Gossip 26082008
Gossip spielten das, was man erwarten durfte. Die bekannten Gassenhauer des letzen Albums und einige Stücke des bald erscheinenden neuen Albums. Diese klangen im Vergleich zu den alten Sachen weniger ruppig und punkig, eher melodiöser und poppiger.
Beth Ditto ist die perfekte Entertainerin. Nach dem zweiten Song wird ihr eine Rose entgegen gestreckt, die sie nicht einfach in die Ecke legt, sondern sich ans Mikrofon tapt. Auch wenn hierfür erst jemand Tesaband organisieren muss. Zwischen den Songs gibt es immer wieder kleine Ansagen und Flirtereien mit dem Publikum. Das wirkt sehr sympathisch.
Nach guten 60 Minuten war die Show vorbei. So dauerte das reguläre Set nur um einiges länger als die vorangegangene Umbaupause. Qualität lässt sich schlecht in Spielzeit messen, trotzdem fand ich den Zeitansatz spontan ein bisschen dürftig. bei einer band, die gerade mal ein Album auf dem Markt hat, okay, aber Gossip haben da schon mehr Material, um die zum heimlichen Standard erhobenen 90 Konzertminuten füllen zu können.
Das aber noch mindestens eine Zugabe kommen musste war klar.
Ihren Indie-Smash-Hit „Standing In The Way Of Control“ hatten sie noch nicht gespielt, und kein Gossip Konzert ohne „Standing In The Way Of Control“. Als ich “Standing in the way of control” vor einiger Zeit zum ersten Mal hörte, dachte ich, hier singt ein Mann. Und war dann verwundert darüber, als ich erfahren habe, dass Gossip (oder nannten sie sich seinerzeit noch The Gossip?) eine Frontfrau und keinen Frontmann haben.Gossip 26082008
Und na klar, die ersten Takte kündigten ihn an und ab da war von Beth nicht mehr viel zu sehen. Eigentlich sah man nur noch ihr Mikrofonkabel. Beth tummelte sich inmitten des Publikums. Was sie dort außer singen so alles veranstaltete, ich weiss es nicht, denn ich sah sie nicht.
Nach dieser einen Zugabe schien das Konzert beendet. Doch die Menschen wollten das Gloria nicht verlassen. Sie blieben einfach stehen und applaudierten weiter. Da das Saallicht noch nicht gänzlich anging, schien die Hoffnung auf eine weitere Zugabe berechtigt. Nach einigen Minuten kamen sie dann tatsächlich nochmals zurück.
Beth Ditto schnallte sich die Gitarre um die Band spielte eine sehr rotzig-rockige Version des Iggy/Stooges Klassikers I wanna be your dog. Damit hatte ich nicht gerechnet, erhofft hatte ich an diesem Abend George Michael’s Careless whisper zu hören (was nicht gespielt wurde), aber das hier, das war viel viel besser. Mein Highlight des Abends.
Und so gab es noch einen späten Frieden mit einem Konzertabend, der irgendwie komisch verlief.
Spät am Abend, ich war schon zuhause, erhielt ich eine weitere SMS: “Ach Mist…bei mir ist der Funke diesmal auch nicht richtig übergesprungen.” Ich war scheinbar doch nicht der einzige Zweifler…
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