Ort: Muziekgieterij, Maastricht
Vorband: DIRK.
Tom Barman krächzt ins Mikrofon. Ich höre es deutlich, da ich direkt neben der Lautsprecherbox stehe. Seine Stimme hat hörbar unter den bisherigen Tourstrapazen gelitten. Es ist ihr erster Abend von zweien, die dEUS in der Maastrichter Muziekgieterij absolvieren. Beide Abende sind längst ausverkauft. Vor zwei Wochen in Köln habe ich die Belgier noch verpasst, bzw. als ich erfuhr, dass das Konzert aus dem Bürgerhaus Stollwerck in die Live Music Hall hochverlegt wurde, keine Lust mehr, hinzugehen. Dann doch lieber Maastricht.
Nicht nur lockt die Muziekgieterij mit dem viel schöneren Ambiente, das alte Industriegebäude ist mittlerweile – nach einigen Renovierungen und Modernisierungen – ein richtig tolles Konzertvenue mit zwei Konzertsälen und Restaurant geworden, sondern auch mit der interessanten Vorband.
Ich fuhr also sehr gerne die knapp 100 Kilometer nach Maastricht. Zeitlich ist es eins. Wie gesagt, die Vorgruppe schien mir interessant. DIRK. heißt sie und ich wollte sie immer schon sehen. Daher war ich pünktlich. In den letzten Jahren habe sie auf verschiedenen Festivals nachmittags immer verpasst. Zuletzt im Sommer nicht weit von Hasselt in Herk-de-Stad beim Rock Herk Festival.
DIRK. is a band.
steht auf ihrer Bandcamp Seite. Genauer: DIRK. sind vier belgische Jungs aus Gent. Ob einer von ihnen Dirk heißt, bleibt mir unbekannt. Aber wohl eher nicht, der Vorname ist seit Jahren unauffällig und nicht mehr en vogue. Ich kenne einige Dirks, aber ich bin auch schon älter. Drei Alben haben DIRK. veröffentlicht, Idiot Paradise ist die neueste und gerade erst veröffentlichte Platte. Musikalisch liegen DIRK. genau in meinem Interessengebiet. Schönster 90er Jahre Gitarrenindie. Für Fans von Built to spill, Sharon Stoned, Locust Fudge, Mineral, Weezer oder Karate. Damit genug des Namedroppings. Ich denke, es ist klar, für wen DIRK. interessant sein könnte.
Übrigens, Karate läuft zu meiner Überraschung in der Umbaupause. Wer kennt die denn noch? Ich. Und sonst? Eine Kurzrecherche ergibt, dass die Band letzten Winter drei Konzerte in Belgien gespielt hat. Oh, das wusste ich nicht. Warum wusste ich das nicht!? Verrückte Welt.
In Benelux ist doch alles besser: Clubs, Essen, Konzerte. Die Maastrichter Muziekgieterij macht da keine Ausnahme und deshalb war ich froh, für den zweiten dEUS-Abend noch ein Ticket ergattert zu haben. Das erste Konzert am Freitag war nämlich ratzfatz ausverkauft und so schalteten die Veranstalter noch einen Termin vor den Termin. Der zweite Abend wurde somit zum ersten Abend und ich bekam die Gelegenheit, doch noch ein Ticket kaufen zu können. Eigentlich habe ich dEUS in den letzten Jahren oft genug gesehen. Aber mit der belgischen Lieblingsband geht es mir wie mit The Notwist. Vor jeder Konzertankündigung denke ich, ‘ach ne, die hab’ ich in den letzten Jahren schon so oft gesehen, dieses Mal nicht’, um mir dann doch ein Ticket zu besorgen. Konzertgängergedanken sind oft nicht linear. Und aus meiner Erfahrung weiß ich, es gibt immer etwas Neues zu entdecken, egal, wie oft man eine Band oder Musiker*innen schon gesehen hat.
Und dieses Konzert bestätigt darin. Das Neue ist an diesem Abend etwas altes: „Worst case scenario“. Den Song haben dEUS ewig lang nicht mehr gespielt. Ich kann mich nicht erinnern, ihn in den 2010er Jahren live gehört zu haben. Großartig, ihn jetzt zu hören. „Worst case scenario“ ist mit seiner Sperrigkeit für die Konzertsetlist eine Idealbesetzung. Ich habe an diesem Abend den Eindruck, dass dEUS gefühlt nur noch episch lange Songs haben. Bereits die ersten beiden Songs „How to replace it“ und „Must have been new“ vom neuen Album How to replace it werden live um einiges länger gespielt, als sie auf Platte zu hören sind. Das betrifft auch die anderen neuen Stücke, „1989“ fällt es mir besonders auf, auch die Version von „Simple pleasures“ ist diesbezüglich auffällig. Selbst einem knackigen Popsong wie „Instant street“ (ich bin immer noch und immer wieder über die Faszination des Songs beeindruckt, wenn nach Tom Barmans Gitarrenwechsel und den beiden kurzen Airpad Schlagen von Klaas Janzoons der zweite Teil des Songs eröffnet wird) verpassen sie an diesem Abend ein längeres Outro.
Ja, musikalisch ist es ein anderes Konzert als meine letzten beiden dEUS Konzerte. „Instant street“ in Kombination mit „Fell off the floor, man“ 8ich glaube, dass ist mittlerweile ein gesetztes Doppel bei Konzerten) sowie „Quatre mains“, „Sun Ra“ und „Bad timing“ sind die großen Hits, die die Band an diesem Abend spielt. Aber ich höre kein „Roses“, kein „Suds and Soda“, kein „Hotellounge“. Bis „Hotellounge“ hätte auch keiner der anderer der aufgezählten Songs musikalisch gut in diese Setlist gepasst.
In der Zugabe spielen sie „Love breaks down“. Es ist der erste Song des Abends, der sich nicht windet und wendet. Es ist das erste ruhige und langsame Stück an diesem Abend. Nach dem finalen „Bad timing“ und guten zwei Konzertstunden ist Feierabend. Es war ein langer Abend für nur 17 Songs. Tom Barmans Stimme hat Gott sei dank durchgehalten.
Im Abspann läuft Jazz. Er kommt nicht von Taxi Wars, Tom Barmans zweiter Band. Ein tolles Konzert ist vorbei. Bis zum nächsten Mal!
Setlist:
01: How to replace it
02: Must have been new
03: Constant now
04: The Architect
05: Girls keep drinking
06: Man of the house
07: W.C.S. (First draft)
08: 1989
09: Pirates
10: Faux Bamboo
11: Instant Street
12: Fell off the Floor, Man
13: Simple pleasures
14: Quatre mains
15: Sun Ra
Zugabe:
16: Love breaks down
17: Bad timing
Kontextkonzerte:
dEUS – Rock Herk Festival, 16.07.2022
dEUS – Leuven Air Festival, 21.08.2021
dEUS – Brüssel, 25.05.2019 / AB
dEUS – Luxemburg, 18.05.2019 / Den Atelier
dEUS – Köln, 06.05.2019 / Gloria
dEUS – Antwerpen, 10.02.2017 / Lotto Arena
dEUS – Gent Jazz Festival, 16.07.2016
dEUS – Ostende, 12.12.2015 / Kursaal
dEUS – PIASNites Festival Brüssel, 15.03.2014
dEUS – Köln, 28.11.2011 / Live Music Hall
dEUS – Köln, 11.10.2008 / Live Music Hall
dEUS – Melt! Festival, 18.07.2008
dEUS – Köln, 14.04.2008 / Kulturkirche Nippes