Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband:
Kills birds

Parquet Courts - Köln, 24.05.2022

Was? (1)
Konzertbeginn um 21 Uhr?! Das ist ja wie in den 2000er Jahren, als Konzerte regelmäßig erst um 21 Uhr begannen. Das war damals Fluch und Segen zugleich. Einerseits gab es mir die Zeit, nach der Arbeit in aller Ruhe und ohne Hetze nach Köln zu fahren, andererseits bedeutete das auch, dass ich oft erst den Mitternachtszug nach Hause nehmen konnte. Zwar war ich 15 Jahre jünger, aber auch in dem Alter hinterließ das spätestens nach dem dritten Konzertabend in einer Woche Spuren von größter Übermüdung am nächsten Vormittag.

Was? (2)
Das Konzert ist im Gebäude 9 und nicht im Bürgerhaus Stollwerck?! Gut, dass ich das noch lese. Gedanklich war ich seit dem Morgen total auf die linke Rheinseite fixiert.

Ein Grund, warum ich mir vorletzte Woche ein Ticket gekauft habe, ist der: Parquet Courts haben einen meiner Lieblingssongs geschrieben. „Dust“. Musikalisch und textlich genau meins. Ich mag diesen schrammeligen Gitarrensound und ich kämpfe mindestens einmal pro Woche gegen den Staub im Bücherregal, im CD-Regal, auf der Kommode und auf dem Boden. Wie heißt es doch in „Dust“:

It comes through the window
It comes through the floor
It comes through the roof
And it comes through the door
Dust is everywhere, sweep
Sweep
Dust is everywhere, sweep

Ihr aktuelle Scheibe Sympathy for life ist seit einigen Monaten raus. Und wie Platten davor, nimmt die Band nicht einfach nur den Faden des Vorgängeralbums auf, sondern dreht ihn weiter. Mit Sympathy for life gehen Parquet Courts werden tanzbarer und rhythmischer. Das nervös, zappelige Gitarrending der Vorgängeralben legen sie etwas beiseite. Bei byte.fm lese ich über Sympathy for life:

Im Verlauf der elf Songs von „Sympathy For Life“ streckt die Band ihre Fühler erneut in verschiedene Richtungen aus. Wie auch beim Vorgänger „Wide Awake!“ sind die Ergebnisse zum Großteil sehr tanzbar, doch weniger zappelig und noch selbstbewusster. Im Titeltrack und in „Zoom Out“ slappt Bassist Sean Yeaton für weiße Funk-Verhältnisse fast schon unverschämt tighte Riffs aus seinem Instrument.

Also alles groovy? Nicht ganz. „Walking at a Downtown Pace” rumpelt wie eh’ und je. Schon lange verfolge ich die Parquet Courts. 2014 beim PhonoPop in Rüsselsheim sah ich die Band erstmals, 2016 noch einmal. Damals faszinierten mich ihre Schrammelgitarren und ihre Lässigkeit, die mich oft an Pavement denken ließ. Sicher auch deswegen wurde ich ein Fan der Band, kaufte ihre Alben und verfolgte sogar ihr alter ego Parkay Quarts, unter dem sie ihr viertes Album Content Nausea veröffentlichten.

21 Uhr also.
Ich bin nicht viel früher im Gebäude 9, mir entgeht somit die Vorband Kills birds zum größten Teil. Ich verpasse aber nichts, denn der Westküsten-Punkrock der Kills birds ist nicht meins. Zu diesem Entschluss gelange ich, nachdem ich ihre letzten drei Songs an mir vorbeirauschen lasse.

Überraschenderweise (also für mich überraschend) ist das Gebäude 9 schon gut gefüllt. Parquet Courts scheinen nicht die kleine Indieband zu sein, die kaum einer kennt. Zumindest nicht in Köln. Die Hochverlegung ergibt für mich einen Sinn.

Gegen halb zehn betreten die Brüder Savage, Austin Brown und Sean Yeaton die Bühne. „Application/Apparatus“, „Human Performance“ und „Dust“ sind die ersten drei Songs und nein, Parquet Courts sind 2022 nicht die Slackerrockband, wie ich sie in Erinnerung hatte. Oder nicht nur. Auf und vor der Bühne geht es ganz schön ab. Anders als die beiden Besucher hinter mir, habe ich damit nicht gerechnet.
Vor Konzertbeginn höre ich sinngemäß folgendes Gespräch: ‘Hier ist doch gut, laß‘ uns hier stehenbleiben.‘ ‘Ach nee, nicht so weit vorne. Ich habe ein paar Videos von der Tour gesehen, das gibt gleich einen Moshpit, das ist mir zu wild. Lass uns lieber wieder etwas nach hinten gehen.‘ Gedanklich verweise ich auf den Umstand, dass es sich hier um Parquet Courts handelt und nicht um Social Distortion, deren Konzert einer der beiden noch beispielhaft für einen erlebten Moshpit anführte, und dass die ersten Reihen nun wirklich nicht nach wildem Getanze aussehe.
– Ich habe keine Ahnung.
Der Abend wird mein erstes schweißtreibendes Konzert nach dem Lockdown. Parquet Courts geben ordentlich Gas, verknüpfen gut die neuen Songs mit den Klassikern und erzeugen allzeit eine leicht hibbelige, tanzbare Songmelange, eine groovige PostPunk Mischung, die alle mitreißt. Niemand findet die Zeit, ein Video zu drehen. Das gibt es auch nicht oft.
Schnell wird es sehr warm im Gebäude 9. Nach einer halben Stunde öffnet jemand die Seitentür. Ich dachte, das Gebäude 9 hat nach dem Umbau eine Klimaanlage bekommen und die traditionelle Querlüftung sei nicht mehr notwendig? Sei es drum, mit diesem Konzert bin ich endgültig in der pre-Corona Konzertatmosphäre zurück. Dass sie an diesem Abend auch meinen Lieblingssong spielen, macht die Sache rund.

Ein gutes Konzert und ich glaube, ich habe Parquet Courts nicht das letzte Mal in diesem Sommer gesehen.

Kontextkonzerte:
Parquet Courts – Primavera Sound Festival Barcelona, 04.06.2016
Parquet Courts – PhonoPop Festival Rüsselsheim, 12.07.2014

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