Ort: Den Atelier, Luxemburg
Vorband: The Inspector Cluzo

Eels - Luxemburg, 11.04.2023

Es kommt einer Sensation gleich. Auf der Rückfahrt von Luxemburg durch die Eifel ist die Gegend um Kronenburg nicht der erwartete Kälte-Hotspot. Das ‘Spanische Ländchen’ (bis 1755 war Kronenburg unter spanischer Herrschaft) war bisher ein sicherer Tipp, wenn es darum ging, den kältesten Ort entlang der B 51 zu verorten. Kronenburg liegt an der Grenze zu Rheinland-Pfalz, im Gebiet der (nicht nur) nachts sehr, sehr dunklen Eifel. Der Ort hat 500 Einwohner, ein Taxibus verbindet ihn mit dem Bahnhof in Dahlem. Von dort fährt ein Schienenersatzverkehr nach Kall oder Gerolstein. Doch an diesem Abend, bzw. in dieser Nacht zeigt das Außenthermometer des Autos gegen 1 Uhr 4,5 Grad. Einige Kilometer vorher waren es bereits nur 3 Grad. Ich komme vom Eels Konzert im den Atelier und genieße die ruhige Fahrt durch die Dunkelheit. Yard Act trällern aus dem CD-Spieler, davor Cassandra Jenkins. Auf der Straße ist nicht viel los und langsam aber sicher Nähere ich mich meinem Zuhause.

Wow, was war das eben für ein schönes Konzert. So großartig hatte ich es nicht erwartet. Ich weiß zwar aus Erfahrung, dass Eels Konzerte interessant, abwechslungsreich und unterhaltsam sein können. Dass dieses Konzert jedoch von Allem besonders viel hatte, überraschte mich. Es war definitiv eines meiner Top 3 Eels Konzerte. Dabei sollte es eigentlich ganz woanders stattfinden.
‘Ein Konzert, das auch dem Palladium gut zu Gesicht gestanden hätte‘, schrieb ich abends in den sozialen Netzwerken. Warum das? Nun, ursprünglich hatten die Eels auch Deutschlandkonzerte auf ihrer Europatour eingeplant und den Vorverkauf gestartet. Am 11. April war zum Beispiel ein Konzert für das Kölner Palladium angesetzt. Weitere Termine in Berlin, München und Hamburg lagen ebenso vor. Doch irgendwann zu Beginn des Jahres wurden alle Deutschlandtermine gestrichen. Statt Köln und dem Palladium kam das den Atelier und Luxemburg zum Zug, statt Berlin und München irgendwelche anderen Orte und Hallen. Als Grund für die Absagen wurden ‘wirtschaftliche und logistische Faktoren in Deutschland’ angeführt, die ‘ein einzigartig schwieriges Umfeld für Live-Konzerte und Veranstalter im ganzen Land geschaffen’ hätten.
Es wurden scheinbar nicht genügend Tickets verkauft. Und ehrlich, hätten die Eels das Palladium gefüllt? Ich hege Zweifel, denn so groß wie in Belgien oder den Niederlanden ist die Band um Mark Oliver Everett bei uns nicht. Okay, mir passt das. Das den Atelier ist viel kuscheliger und weniger groß als das langgezogene Palladium. Die Atmosphäre ist hier definitiv besser. Wahrscheinlich, wenn ich die Bilder von Eels Konzerten im Amsterdamer Afas oder den Brüsseler Vorst Nationaal sehe, ist es das kleinste Venue auf ihrer Tour.

Als die Vorband The Inspector Cluzo auf die Bühne kommt, ist das den Atelier noch erschreckend leer. Noch nicht einmal die ersten drei Reihen sind belegt. Die wenigen Leute, die bereits vor Ort sind, tummeln sich auf der Galerie und draußen. Die meisten kommen gar erst gegen Ende der Umbaupause in den Konzertsaal. Das ist einer der großen Unterschiede zu Konzerten bei uns. In Luxemburg bist du noch 5 Minuten vor Konzertbeginn früh genug, um einen guten Platz zu bekommen. Zumindest bei kleinen bis mittelgroßen Veranstaltungen.

Auch ich bin erst um viertel vor acht in Luxemburg und am den Atelier und warte nun am Bühnengitter auf The Inspector Cluzo. Eine Band, die ich nicht kenne und von denen ich noch nie gehört habe. Sind sie in Frankreich, ihrem Heimatland, bekannt? Ich weiß es nicht.

Nach den ersten Tönen nehme ich jedoch prompt Abstand. Nicht, weil die Musik schrecklich ist – The Inspector Cluzo machen so Stoner-ZZ Top-Bluesrock -, sondern weil neben mir der Lautsprecher in Kopfhöhe unendlich laut dröhnt. Also drei Meter zurück und alles ist gut. Mein erster Gedanke: Oh, überraschend. Denn vom Bandnamen und dem Auftreten her hätte ich anderes erwartet. Mein zweiter Gedanke: Die beiden Franzosen (The Inspector Cluzo ist ein Duo, Gitarre und Schlagzeug) passen mit ihrer Musik perfekt zu den Eels. Mathieu ‚Phil‘ Jourdain und Laurent ‚Malcom‘ Lacrouts sind hauptberuflich Farmer. ‘It’s more Rock’n’Roll to run a family farm than playing on a stage’ steht über ihrem Merchstand. Ihre Farm führen sie nach dem Prinzip des autarkic agro-ecological farming, wie es auf ihrer Webseite steht. Sie versuchen, unabhängig zu wirtschaften. Und sie versuchen, unabhängig Musik zu machen. ‘We are 100% independent’, sie erwähnen das im Laufe des 40 Minuten Konzertes sehr oft. Neun Platten hat das Duo seit 2008 veröffentlicht. „The outsider”, ein 7-minütiger Bluesrock Stampfer bleibt mir unweigerlich im Kopf hängen. Das klingt gut. Überraschend gut.

In der Umbaupause läuft „You keep hanging on” auf Italienisch. „Se Il Filo Spezzerai” auch von den Supremes gesungen. Mit „Sally goes round“ von den The Jaynetts und weiterer R&B Kram komplettieren das DJ-Set. Ich kann mir das gut anhören.

Dann die Eels. Im Intro laufen schiefe Ben Hur Trompeten. Die Band kommt in Glitzeranzügen im 60er Jahre Stil auf die Bühne. Ja, Eels Konzerte sind immer auch eine Show. Big Al, The Chet, E und Schlagzeuger Little Joe stehen/sitzen wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht am Bühnenrand. Es könnte auch die Daltons Familie sein. Jeder von ihnen hat dieses schelmische Grinsen im Gesicht, das in den nächsten knapp 2 Stunden nur konzentrierten Blicken auf die Instrumente Platz macht. Die E-Band ist guter Dinge und definitiv für jeden Gag zu haben.

Mark Oliver Everett feierte tags zuvor seinen 60. Geburtstag. Er ist gut gealtert, möchte ich sagen. Zwar fällt ihm das Kraxeln am Bühnenrand zwischen all den Monitorboxen schwer, er wirkt etwas hüftsteif, aber auf der sicherlich kleinsten Bühne der diesjährigen Europatour im Den Atelier ist es auch verdammt eng. Anspielungen auf seinen gestrigen Geburtstag und das erste Konzerte als alter Mann nimmt er gelassen zur Kenntnis. Die Band startet mit Songs vom aktuellen Album Extreme Witchcraft. „Steam Engine”, „Amateur Hour“ und „Good night on earth”. Über die Coverversion „Me and the Boys” gelingt ihnen ein erster Schwenk zu älteren Eels Songs.

The people want to hear old tunes. And I say tunes, not songs.

Es folgt alter Kram und ich bleibe bei „Jeannies diary” hängen. Wow, bisher hatte ich den Song scheinbar arg unterschätzt. Hier und jetzt klingt es famos und großartig. Was für ein feiner Hit. „Jeannie’s Diary” vom vielleicht besten Eels Album Daisies of the Galaxy ist mein heutiges Eels Lieblingslied. Die melancholischen Songs sind mir an diesem Abend die schönsten. „Jeannie’s Diary” gehört dazu, aber auch „Anything for Boo” oder „My beloved monster”, „3 speed” und „Last Stop: This Town”.
Das Konzert ist musikalisch zweigeteilt. Die rockigen Sachen von Extreme Witchcraft oder zum Beispiel „Dog face boy” stehen den ruhigen Songs gegenüber. Und mittendrin immer wieder auch Coverversionen. Das machen die Eels gerne und eigentlich und grundsätzlich auf jeder Tour.

Dieses Mal covern sie Nancy Sinatra, Argo und Fleetwood Mac. „God gave Rock’n’Roll to you” von Argo ist der Rausschmeißer nach einer kurzen zweiten Zugabe um knapp vor 23 Uhr. Nancy Sinatras „Drummer Boy” ist Teil der Showeinlage um Schlagzeuger Little Joe, der vor einem Song auf einmal mit seiner Tochter ‘facetimed’ und darum bittet, dass The Chet dem kleinen Mädchen nochmal das Lied über den Job ihres Vaters vorspielt. Ja, man sei gerade im Konzert, möchtest du den Song über deinen Vater nochmal hören?’

Die Eels machen diese abgekarteten und sich jeden Abend wiederholenden Spielchen gerne. Manchmal wirkt das dann sehr aufgesetzt, aber es ist okay. Nichtsdestotrotz sind die Cover perfekt ausgewählt und passen gut zum 60s Rock der Eels. Ich meine, „God gave Rock’n’Roll to you” gespielt von der E-Band, viel besser geht es doch nicht. Das ist, was Virtuosität und Wahnsinn angeht, genau die richtige Wahl.

Oder wie Mark Oliver Everett sagt:

Ladies and gentlemen, the motherfucking Eels

Kontextkonzerte:
Eels – Luxemburg, 12.09.2019 / Den Atelier
Eels – Luxemburg, 08.07.2014 / Grand Théâtre
Eels – Heerlen, 04.04.2013  / Parkstad Limburg Theaters
Els – Heerlen, 20.06.2011 / Parkstad Limburg Theaters
Eels – Köln, 20.02.200 / Theater am Tanzbrunnen
Eels – Washington DC, 29.03.2008 / Synagoge Sixth and I

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