Ort: Kulturkirche Nippes, Köln
Vorband: Marijuana Deathsquads
Laura steht ein, zwei Meter neben mir. Zusammen schauen wir uns den wunderbaren Auftritt von Poliça in der Kulturkirche Nippes an. Das Licht ist stark abgedunkelt, bodentiefe Scheinwerfer und kaltes blaues Licht bilden eine schummrig schöne Ausleuchtung der Bühne, die sehr gut die herbstlich dunklen Elektrobeatstücke des Quartetts aus Minneapolis untermalen. Poliça machen diese Art von moderner Tanzmusik, die nicht freudestrahlend durch die Charts hüpft, sondern ähnlich wie bei Portishead tiefgründiger und substanzieller daherkommt. Ein Bass, zwei Schlagzeuge und ein bisschen Elektrogefrickel. Das sind Poliça und damit bin ich schnell zu begeistern. Zu laura später mehr.
Bereits im Vorprogramm hatte die Sängerin Channy Leaneagh einen Kurzauftritt. Zusammen mit ihrem Bassisten Chris Bierden begleitet sie die Marijuana Deathsquads bei ihrem letzten Song. Die Minneapolitaner kommen aus dem Poliça Umfeld, der geographische Ort verbindet die beiden Bands. So ist Schlagzeuger Ben Ivascu (der, der am linken Schlagzeug sitzt) auch Teil der Marijuana Deathsquads. Die Band aus Minneapolis tritt zu vier in der Kulturkirche. Auch sie kommt aus der Elektro Ecke, ihr post-elektro Noise kommt genauso wie Poliça ohne Gitarre aus und erinnert mich zeitweise an die Dirty Beaches. Das war zwar sehr laut, rumpelig und der Gesang unhörbar, wenn man sich jedoch Zeit nimmt, und sich auf die wirren Soundstrukturen einlässt, findet man sehr schnell Gefallen an den Knöpfendrehspielereien. Zumindest ging es mir so.
Und so steht dann bei besagtem letzten Song dreiviertel Poliça auf der Bühne. Genauer gesagt standen zwei Viertel auf der Bühne, ein Viertel lugt mit Mikrofon und Bierpulle in der Hand von der Kanzel auf die Bühne herab. Es war der donnernde Ausklang eines heftigen Noise Konzertes, das mich durchaus beeindruckte und mir gefiel. So ein bisschen steh ich ja auf sowas. Es war eine gute halbe Stunde, die ich nicht so interessant erwartet hatte. Beim reinhören in die Songs der Marijuana Deathsquads am Nachmittag erschienen sie mir etwas zu eintönig und lärmig. Aber live ist immer eine andere Hausnummer.
Während der Umbaupause, die kurzweilig verging, nahm ich Laura nicht wahr. Ehrlich gesagt wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, dass sie in meiner Nähe steht. Als einige Minuten nach neun Poliça die Bühne betreten, sieht diese relativ übersichtlich aus: Ein Mikrofonständer halbmittig, rechts der Elektrokasten und im hinteren Bühnenbereich zwei Schlagzeuge. Es gibt also viel Raum für Sängerin Channy Leaneagh, da Chris Bierden seinen Platz am Mikrofon hält und die Schlagzeuger eh nicht ihre Schemel verlassen. Neben dem schon bekannten Ben Ivascu sitzt dort auch Drew Christopherson, der ebenso ab und an bei den Marijuana Deathsquads als Schlagzeuger aushilft. Himmel, das sind ja Bandverpflechtungen wie einst in Seattle! Na ja fast…
Poliça spielen von Beginn an groß auf, und, ich kann nichts anderes sagen: Channy Leaneagh ist toll! Sie passt mit ihrem Stil und ihrem Ganzen Auftreten so hundertprozentig zu ihrer Musik, dass es einfach wunderbar war, ihr bei der Arbeit zuzusehen. Ich bin sehr gefangen! Von meiner Position aus konnte ich gut dem Treiben auf der Bühne zusehen, und nicht schien einem entspannt vergnüglichen Konzerttreiben im Weg zu stehen. Doch als ein achtlos auf die Bühne geworfener Bierbecher sekundenlang mit sehr straffenden Blicken von Chenney in Richtung des Werfers getadelt wird, dachte ich erst, es gäbe dem abend einen Bruch. Der Blick war sehr lang und sehr wütend. Er würde perfekt in jedes Security-Mann-Ausbildungsvideo ‚Wie gucke ich Zuschauer wirklich böse an‘ passen. Am Ende des Songs hebt die Sängerin den Becher auf, sagt etwas wie
’noch ein Becherwurf und wir hören auf, das ist sehr gefährlich‘
und legt ihn beiseite. Stimmt! Damit war der Standpunkt klar und nach einem kurzen upps-Moment war er auch wieder vergessen. Gut so.
‚Lauraaaaa!!! Ahhh!!!‘ das war der zweite Moment, der mich aus meinen Konzerträumen riss. Zwei Mädchen hechten förmlich zu dem Mädchen, das ein, zwei Meter neben mir steht. Aha, das ist also Laura. Anderthalb Songs lang wird sich begrüßt, gequatscht und gemeinsam Drogenzigaretten präpariert. Dann begeben sich die zwei wieder an ihren ursprünglichen Stehplatz. Und ehrlich gesagt, war ich froh darüber. Und auch erleichtert, dass ihnen die Zigarette auf den Boden fiel und somit schnell ausging. Es soll zwar jeder das inhalieren, was er möchte, aber in diesem Moment war mir nicht so nach Qualm und überhaupt, alles außer Weihrauch sollte aus Gründen in einer Kirche nicht genutzt werden. (Ich frage mich aber gerade, ob es in der evangelischen Kirche überhaupt Weihrauch gibt).
Das zwei kleine Randgeschichten, die auch zu einem Konzertbesuch dazugehören. Nur die Musik allein ist ja nix. Erst das Drumherum machen Konzertbesuche so interessant.
Musikalisches Highlight war sicherlich die drei Songs-Phase um „Dark Star“ und „Chain my name“. Spätestens, aber wirklich allerspätestens zu „Chain my name“ war ich vollkommen hin und weg. Channy Leaneagh schwebt förmlich über die Bühne, ihre Leichtigkeit und Anmut fand ich sehr faszinierend. Beim vorletzten „Wandering star“ schwebt sie gar noch höher!
Ihre Stimme klingt klar und hell, der Bass wummerte ordentlich tief. Alles ist perfekt austaxiert, nichts dröhnt oder versumpft (immer eine Gefahr bei bass- und beatlastigen Konzerten). Klanglich ist der Abend auf einem guten Niveau und so passt der Sound tadellos zum Licht und beides tadellos zu Poliça.
In der Zugabe spielen sie ein Cover („You don’t own me”; ich musste mich beim Verlassen der Kulturkirche belehren lassen. Es ist gut, wenn man in schlauer Begleitung unterwegs ist). Wenn Cover die schlechtesten Songs bei einem Konzert sind, spricht das für die Band. Dieses „You don’t own me” war nicht der beste Song des Abends, ein weiterer Pluspunkt für Poliça.
In der Abschlussbesprechung war nicht jeder von uns so begeistert über das Konzert wie ich. Der allgemeine Grundtenor war eher: ‚Jaja, schon interessant und schön, aber nicht überragend. Etwas eintönig vielleicht sogar. Aber klar, dass es dir gefallen hat.‘
Kontextkonzerte:
–