Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: All sides

Thurston Moore - Köln, 16.11.2014

Nein, mir ist an diesem Abend nicht nach langen Gitarrensoli und -improvisationen zumute. Als die Thurston Moore Band nach 10 Minuten ihren ersten Song beendet hat, wird mir das bewusst und ich kann das Konzert dummerweise bereits zu diesem Zeitpunkt innerlich abhaken.
Eigentlich machen mir die Moore’schen Eskapaden nichts aus, eigentlich finde ich sie sogar sehr schön und versuche jedes Konzert des Amerikaners mitzunehmen, aber eigentlich stören sie mich an diesem Abend schon. Vielleicht habe ich den Krach in diesem Jahr zu oft gehört, eine andere Erklärung habe ich gerade für meine Meinung über das Konzert nicht.
Wie famos die drei Herren miteinander harmonieren, und welche tollen Gitarrensongs sie zustande bringen, konnte ich vor einem knappen halben Jahr im Kölner King Georg sehen, bzw. hören. Im King Georg sieht man ja nix. Damals spielten sie dort an 2 Tagen hintereinander zwei sehr kleine Clubshows, verzückten mit Feedbacks und verzerrten Gitarren den ganzen Laden und ich war froh, zumindest für einen Abend eine Karte ergattert zu haben.
Auch im Gebäude 9 bildete die King Georg Besetzung das Kerngerüst der Band, ergänzt wird es jedoch um eine weitere Bassistin. Das liest sich jetzt unspektakulär, wer aber weiß, wer sich hinter den zwei anderen Musikern und der Bassistin verbirgt, wird sofort leuchtende Augen bekommen. Die Band ist ein Sammelsurium von 1990er Jahre Musikgöttern. Die Bassistin ist nämlich niemand geringeres als Deb Googe, Bassistin der weltberühmten My bloody Valentine. Seit diesem Jahr, oder in diesem Jahr gehört sie zur Besetzung bei Thurston Moore Liveauftritten. Neben Deb Googe spielt James Sedwards die zweite Gitarre. James Sedwards, über den John Peel sagte, er sei ‚the first person who’s not a footballer that I’ve been jealous of‘, gehört mit zu dem Besten, was aktuell an diesem Instrument auf dem Planeten zu finden ist. Eine bekanntere Bandvergangenheit hat er zwar nicht, aber sein Mitwirken in vielen Projekten und Zusammenarbeiten spricht für sich.
Am Schlagzeug komplettiert seit eh und je Steve Shelley die Konzertauftritte Thurston Moores. Er gehört seit Jahren zum engen Stammpersonal, wie gefühlt bei jeder zweiten amerikanischen Postpunk-, Noise- und Undergroundband. Einmal im Jahr sehe ich Steve Shelley mindestens, sei es als Schlagzeuger der Disappears, bei Lee Ranaldo, bei Thurston Moore oder sonst irgendwo, wo ich nicht unbedingt mit ihm rechne. ‚Ach guck mal‘, den Schlagzeuger kenn‘ ich. Das habe ich in meinen letzten Konzertjahren oft denken müssen. Und immer hat er sein altes Sonic Youth Instrument dabei; das, wo auf der Trommel in roter Scratch-Graffiti-Art der Schriftzug Sonic Youth aufgesprayt ist.

Die Zeiger im Gebäude 9 sind also auf bekanntes gestellt. Noiserock, und dann lange nichts. Mich erwartet ein Konzert ohne musikalischen Überraschungen. Moore’s aktuelle Platte The best day ist voll von Gitarren und all dem. Im Intervall von Noise-Punk bis Noiserock sind seine Spielarten klar definiert, sei es eben mit dem aktuellen Album oder mit seinem letzten Album Chelsea light moving, das er als Chelsea Light Moving aufgenommen hat. Eine kleine Ausnahme bildet nur sein letztes Soloalbum Demolished thoughts. Es ist ein ruhiges Album, ich mag es sehr gern („Benediction“ ist ein großartiger Song) und ich denke, das etwas Bedächtige steht Thurston Moore auch sehr gut. In Würde altern, so könnte man sagen.
In diesem Jahr aber hat er mit The best day den Fokus wieder in Richtung Noise gerückt. Also die Uhr 25 Jahre zurückgedreht. Mindestens. Im Internet finden sich viele Livevideos, in denen er zusammen mit James Sedwards abgedrehte 15 Minuten Gitarrenlärm in kleinen Plattenläden oder an anderen kruden Orten aufführt. Auch das Konzert im Frühjahr im King Georg wies in diese Richtung. Es war, nebenbei bemerkt, ein Konzerthöhepunkt des Jahres.

Das, was mich im Gebäude 9 erwarten sollte, ist somit klar. Dass dieser Abend dann aber im vollen Umfang unter dem Motto ‚wer hat den längsten Song‘ stehen würde, überforderte mich dann doch.
Es fängt schon langatmig an. Nina Kernicke, oder All sides, spielt erste 3 Tracks und nimmt sich dafür über eine halbe Stunde. Ihr Elektro-Ambient-Mischmasch mit allerlei zu Musikinstrumenten entfremdeten Alltagsgegenständen ist sehr schön anzuhören, aber eben auch an diesem Abend für mich sehr langatmig. Es gelingt mir nicht, mich darauf einzulassen, überdies überzeugt mich das alles nicht so ganz. Also hier und jetzt im Gebäude 9. Vielleicht ergibt sich nochmal eine zweite Chance, und ich empfinde es dann ganz anderes. Auszuschließen ist das nicht.

Umbaupause.
Ist das schon Teil des Konzertes? Das Saallicht ist bereits seit fünf Minuten aus, vom Band kam laut Musik. Aber auf der Bühne tut sich nichts. Auch nicht in den nächsten Minuten. Als ich schon darüber nachdenke, ob nicht nur zufällig jemand an den Lichtschalter gekommen sei, kommt Thurston Moore die Stufen hinter dem Vorhang hervor und schnappt sich seine Gitarre. Ihm folgen seine drei Kumpanen. Also alles Teil der Show. Ein eben etwas längeres Intro, dem der nicht minder lange erster Song folgt.
Meine Vorahnungen scheinen bestätigt. Heute würden weniger Songs in klaren Strukturen und überschaubarer Länge gespielt als vielmehr lange Gitarrenparts in Songs. Normalerweise ein Grund zum jubilieren. An diesem Abend höre ich aber für mich komisches: beim dritten Stück klingt ein von James Sedwards gespieltes Gitarrensoli nach AC/DC. Kann nicht sein, ich muss mich in wirklich schlimmer Verfassung befinden.
Die Band spielte vornehmlich neue Sachen, ich meine „Forevermore“, „Germ burn“, „The best day“ und „Speak to the wild“ erkannt zu haben. Ich kann mich aber auch irren. Als dann gegen kurz vor zehn Thurston Moore seinen Notenständer, auf dem die Songtexte liegen, wegpackt, ist es endgültig vorbei mit Gesang. Als Abgesang folgt ein 20 Minuten Gitarrendings. Ende des Konzertes.
Für zwei Zugaben kommen sie aber nochmals zurück. „Pretty bad“ vom ersten Soloalbum Psychic hearts soll da nicht fehlen. Tut es auch nicht.

‚Und, war super oder?!‘
‚Mhh, naja.‘
Nach dem Konzert stehe ich sehr alleine mit meiner Sicht auf die Dinge. Manchmal ist das so.

Kontextkonzerte:
Thurston Moore – Köln, 31.03.2014 / King Georg
Chelsea Light Moving – Frankfurt, 03.07.2013 / Zoom
Sonic Youth – Düsseldorf, 24.04.2009 / 3001
Sonic Youth – Köln, 26.06.2007 / E-Werk

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