Ort: Studio 672, Köln
Vorband:

Courtney Barnett

‚Xina. Pitchfork Stage‘. Mich erreichte diese WhatsApp Nachricht im Frühjahr des Jahres, als ich gerade ziellos über das Primavera Festivalgelände lief. ‚Xina. Pitchforck Stage‘, ich las jedoch: ‚Xtina. Pitchfork Stage‘ und fragte mich, warum mir mein Freund Christoph diese Nachricht schickt. Nun, ich solle zur Pitchfork Bühne kommen, soviel kombinierte ich mir zusammen. Aber Xtina? Christiana Aguilera wird er dort sicher nicht begegnet sein.
Ein Blick ins Bühnenprogramm des Primavera verriet mir, dass dort eine gewisse Courtney Barnett spielen sollte. Kenne ich nicht, aber wenn Christoph da ist geh ich eben hin. Und vielleicht sieht sie ja aus wie Christina Aguilera.

Als ich an der Pitchfork Bühne direkt am Mittelmeer ankam standen vor der Bühne bereits 4000 Menschen, und ich erhaschte mehr schlecht als recht einen Platz am Rand des Platzes. Vom Konzert dieser Courtney Barnett bekam ich dennoch irgendwie eine sehr unterhaltsame knappe halbe Stunde mit. Ihre Stimme beeindruckte mich, genauso wie ihre Bühnenpräsenz auf dieser großen Bühne. Sie stand links, 15 Meter weiter der zweite Gitarrist, mittig im Hintergrund das Schlagzeug. Es war so viel Platz und Luft, und doch wirkte der Auftritt klein und gemütlich. Seit diesem Maitag lässt mich die Australiern nicht mehr los und ihr Debütalbum, oder vielmehr ihre Debüt Doppel-EP A sea of split peas (eine Wiederveröffentlichung zweier 2012 und 2013 erschienener EPs) kaufte ich direkt am Veröffentlichungstag. Und ich kaufe nicht oft Platten am Erscheinungstag.

„I’m having trouble breathing in”

„Avant Gardener“, der Song, aus dem diese Textzeile stammt ist neben allen Ought Stücken mein Sommerhit. In den letzten Monaten litt ich besonders unter meinem Heuschnupfen und dem allergischen Asthma, „Avant Gardener“ schrie also förmlich nach Sommer-Soundtrack und ich hörte mich sehr oft innerlich diese Textzeile zitieren. „I’m having trouble breathing in”, und das Asthmaspray liegt in der Küchenschublade.

Im Spätsommer hatte ich also die Platte und musste feststellen, in Barcelona kam mir Courtney Barnett viel lauter und lärmiger vor. Es ist schwierig, ihren Stil irgendwo einzuordnen. Singersongwriter passt zwar, klingt aber eigentlich zu niedlich. Waxahatchee und Liz Phair wären vielleicht Referenzen. Ich höre A sea of split peas sehr oft und jedes Mal dachte ich über diesen Umstand nach.
Oder hatte ich den Festivalauftritt falsch im Ohr, wirkte es nur lauter weil der Rahmen grösser war? Umso gespannter wartete ich daher auf ihren Auftritt im sehr kleinen Studio 672 des Kölner Stadtgartens. Ich muss sehen, welcher Eindruck der richtigere ist. Sicher gehen beide irgendwie überein, und eigentlich ist es auch egal, aber neugierig war ich schon. Ja, auf das Courtney Barnett Konzert fieberte ich regelrecht hin.

Die Bühne im Studio ist viel kleiner und sie wird mit einem weiteren Gitarristen besetzt. Die Courtney Barnett Band ist auf dieser Tour also zu viert. Das verstärkt die Songs nochmal und bestätigte mein Eindruck vom Primavera. Es wurde laut gespielt im Studio. „Lance jr.“ und „Canned tomatoes (whole)“ zu Beginn rumpelten kräftig, „Lance jr.“ ist keine Rocknummer, und „Canned tomatoes (whole)“ schon gar nicht, aber was die vier auf die Bühne brachten hatte schon ordentlichen Schmiss. Live ist das eine andere Hausnummer.
Courtney Barnett hat auf ihrem Debütalbum viele Hits, ihren vielleicht aktuell größten spielt sie gegen Ende. Wie Musiker das eben gerne so machen, ihr Publikum mit einem Hit in den Abend schicken. „Avant Gardener“ ist und bleibt auch an diesem Abend der leicht lockerer Tanzsong mit ärztlichem Hintergrund, auf den viele warten. Ich auch. Wegen meiner hätte sie ihn fünfmal hintereinander spielen können! „Avant Gardener“ ist toll!

Überhaupt verziert Courtney Barnett ihre Songs mit wunderbaren Texten aus richtigen Alltags- und Lebensbeobachtungen. Zitierwürdig, gerade auch aus dem Zusammenhang gerissen ist dies:

„Leave your shoes at the door, along with your troubles. Thank you for cooking for me, I had a really nice evening, just you and me.”

Ich muss mir die Passage mal merken, dachte ich so während sie „Anonymous club“ spielen, vielleicht kann ich die nochmal in einem Brief verwenden. „Anonymous club“ wird an diesem Abend zu meinem neuen Lieblingslied und ist der beste Song des Abends, sicher auch ob dieses Gedankens. Er bildete den Mittelteil des Sets, ist mitreißend gespielt und wird ummantelt von weiteren Songs von A sea of split peas. Da auf dem Album keine Ausreisser nach unten sind, ist das gut und das Konzert ein gutes Konzert. Jeder einzelne Song ist live ein kleines Meisterwerk. Sei es das Nirvana-eske „History eraser“ (Polly) gegen Ende, die zu Beginn ohne Unterbrechung gespielten
„ Lance jr.“ und „Canned tomatoes (whole)“ oder das längere „Are you looking after yourself“.

In der Zugabe spielt Courtney Barnett ein neues Stück, das einzige, was ich nicht kenne. Sie spielt es alleine und es klingt toll. Oh ja, die Australierin macht vieles richtig. Und wenn das nächste Album nur annähernd die Klasse des Zugabesongs hat, wird es wundervoll.

Im Zug denke ich nochmals an „Avant Gardener“.

„The paramedic thinks i’m clever cos i play guitar
I think she’s clever cos she stops people dying.“

Auch eine hervorragende Textzeile!

Die Geschichte aus Barcelona klärte sich vor dem Konzert auf. Xina meinte das spanische China in Anlehnung an meine vorhergegangene WhatsApp Nachricht, wir seien noch beim Asiaten was essen und kämen dann auf’s Festivalgelände.
Hätte ich das direkt richtig gelesen und verstanden, wäre ich sicher nicht so zielstrebig zur Pitchfork Bühne gelaufen und hätte sicher Courtney Barnett verpasst. Hätte, hätte Fahrradkette. Gut, dass ich manchmal blind bin. So war es besser!

Kontextkonzert:
Primaverasound Festival – Barcelona, 31.05.2014

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

Schreibe einen Kommentar