Ort: Privatclub, Berlin
Vorband:

The Wedding Present

In der U-Bahn zum Privatclub sitzt mir ein junges Pärchen gegenüber. Das Mädchen schaut auf ihr Handy und sagt dann: ‘Eilmeldung. Wolfsburg entlässt Dieter Hecking. Wen interessiert das denn und warum ist das eine Eilmeldung? Da finde ich die nächste Eilmeldung doch viel interessanter. Ein Toter bei einem Unfall bei BASF.‘ Und nach ein paar Sekunden: ‘Was ist den BASF?‘

Vom The Wedding Present Konzert am Vorabend meines Arbeitstermins erfuhr ich nur zufällig. Aber da ich nun schon mal in der Stadt war, wollte ich mir die Band um David Gedge nicht entgehen lassen. Gut, ich bin kein großer Fan, aber eine Rolle oder gar eine Entscheidung, ein Konzert zu besuchen oder nicht, spielte das an diesem Abend nicht. Der nächste Tag begann für mich nicht so früh, dass ich den kurzen Ausflug in den Privatclub nach Kreuzberg nicht machen wollte oder konnte.

Going, going heißt die neue Scheibe der Band, die sie zu Teilen an diesem Abend in einem gut gefüllten Berliner Klub vorstellen wollten. Mit einer Sprachsequenz von Band begann der Abend. Diese kam sicher vom aktuellen Album, denn der Titel Going, going kam sehr oft darin vor. Das aktuelle Album kenne ich nicht, genausowenig wie die letzten Alben. Zuhause höre ich The Wedding Present Musik fast nie. Auswärts auch nicht. Irgendwo in meinem CD Regal verstecken sich zwar Bizarro und das George Best Album, aber sie verstauben. Das irritiert mich ein wenig. Viele meiner Freunde und Bekannte mögen The Wedding Present und ihre Schwester Cinerama. Gelegenheit, die Band kennenzulernen, hatte und habe ich somit genug. Und auch ich müsste eigentlich 100% ins Beuteschema passen, nur aus irgendwelchen Gründen tue ich das nicht. Während des Konzertes fragte ich mich das schon und ich versuchte mich an das Wedding Present Konzert in Köln zu erinnern. Live gesehen habe ich die Band schon. Aber es hat eben noch nie so richtig klick gemacht und für mehr gereicht.

Im Privatclub war ich zum ersten Mal. Ich war überrascht, wie aufgeräumt der Laden sich präsentiert. Erwartet habe ich einen kleinen, leicht angeranzten Klub in irgendeinem gewerblich genutzten Berliner Gebäude. Tatsächlich ist der Laden, der sich im Postgebäude an der Skalitzer Strasse befindet und von außen nur durch ein kleines beleuchtetes P gekennzeichnet ist, sehr frisch. Der Konzertsaal ist leicht abgegrenzt vom Thekenbetrieb, und als ich den Laden betrat, spielt gerade die Vorband. Drei, vier Songs der Band bekomme ich noch mit, ihr Gitarrenrock war eine schöne Einstimmung auf das folgende Konzert.

David Gedge ist ein alter Musikhaudegen. Mit The Wedding Present macht er schon seit über 30 Jahren Musik. Nahezu ununterbrochen. Der kurze Break der Band Anfang der 2000er Jahre wurde mit seiner Zweitband Cinerama mehr als gut gefüllt. 2004 wurde aus Cinerama wieder The Wedding Present.

The Wedding Present sind eine klassische Indieband. Es gibt kein großes Zampano, keine irren Sachen auf der Bühne. ‘Geht’s raus, spielst Fußball‘, sagte der Kaiser einst. The Wedding Present übertragen dieses Motto auf ihre Konzerte und spielen einfach ihren Indiepop.
An diesem Abend waren das unter anderem die Gassenhauer „My favourite dress“ und „Brassneck“. (die kenne oder erkenne sogar ich), ein paar Sachen vom neuen Album Going, going und viel Buntes aus den letzten 30 Jahren Bandgeschichte. Das kannte ich aber alles nicht, weder das Cover „Mothers“ einer neuseeländischen Band, noch die anderen Stücke.

Gegen Mitte des Konzertes fiel mein Blick zufällig auf den Schlagzeuger Charles Layton. Für viele Sekunden blieb er mein Hingucker, denn er verzog bei jedem einzelnen Schlag sein Gesicht und ahmte die Songs mimisch nach. Zu „Credit ends“ bekam er kurzzeitige Verstärkung. Der zweite Gitarrist Tony Jupp setzte sich neben den Schlagzeuger und veranstaltete mit ihm ein Synchrontrommeln. Soweit, so gut.
David Gedge und die Bassistin Danielle Wadey spielten unbeeindruckt von allem ihre Sachen runter. Die Bassistin ist erst seit kurzem in der Band, wenn ich dem Internet trauen kann. Sie löste vor einem Jahr ihre Vorgängerin ab.

Auch auf der Rückfahrt von diesem Konzert, das ich als sehr unterhaltsam empfand, nahm ich mir vor, zumindest diese beiden Platten jetzt einfach mal öfter zu hören. Doch das dachte ich bisher immer, also ob mir das gelingt, ist fraglich. Denn auch ein anderer Gedanke tauchte in mir nach meinen bisherigen The Wedding Present Konzertbesuchen immer wieder auf: Wenn ich ehrlich bin, mag ich genau nur einen The Wedding Present Song.

First time you came over, do you remember saying then you’d stay for good?
No, I didn’t think you would
Well we couldn’t have been closer, but it was different then and that’s all in the past
There, I’ve said it now at last
You grew up quicker than me, I kept so many old things
I never stopped quite hoping
I think I know what it means, it means I’ve got to grow up
It means you want to throw-up

Brassneck
Brassneck

I just decided I don’t trust you anymore
I just decided I don’t love you anymore

Diese Zeilen sind wunderbar und spiegeln das wieder, was John Peel einmal über David Gedge sagte:

„The boy Gedge has written some of the best love songs of the Rock`n´Roll Era. You may dispute this, but I`m right and you`re wrong.“

Auch wenn „Brassneck“ vielleicht kein Liebeslied ist.

Kontextkonzert:
The Wedding Present – Köln, 15.10.2010 / Gebäude 9
The Wedding Present – Primavera Sound Festival – Barcelona, 27.05.2015

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