Ort: Club Bahnhof Ehrenfeld, Köln
Vorband: Ropoporose

Hinds

Es ist der heißeste Tag des Jahres. Selbst am Abend kleben die Unterarme noch an der Holzlehne des Regionalbahnsitzes. Ein wenig Linderung verschafft die Klimaanlage, die im Dauerbetrieb für Abkühlung sorgt. 35 Minuten durchatmen, bevor in Köln-West die Abendhitze der Stadt erneut einen Schweißfilm auf meine Haut zaubert. Eigentlich gibt es besseres, als an solch einem Sommerabend mit dem Zug zu fahren. Eigentlich gibt es besseres, als an solch einem Sommerabend ein Konzert zu besuchen. Sich beim Nichtstun den lauen Abendwind um die Nase wehen zu lassen und langsam merken, dass es kühler wird, ist immer eine Option. Aber an diesem Abend ziehe ich sie nicht. Als gäbe es nicht bereits genug ‘eigentliche‘ kann ich an diesem Abend der Musik nicht wiederstehen.

Im Rahmen der c/o Pop spielen Hinds im Club Bahnhof Ehrenfeld. Der CBE ist ein kleiner, feiner Musikschuppen mit gut sortiertem Programm. An normalen Tagen treten hier hauptsächlich HipoHop und Jazz Künstler. Das viertägige Musikfestival bietet jedoch keine normalen Abende, weder hier, noch in den anderen Klubs der Stadt. Etablierte und noch nicht etablierte Künstler spielen überall Konzerte; das c/o Pop bietet genug Potential, um Neues und Spannendes zu entdecken.

Hinds boten ein Kontrastprogramm. Indierock aus Madrid, gespielt von vier Anfang zwanzigjährigen Mädchen. Das klang süß, für mich war es aber weniger interessant als erhofft. Ana Garcia Perrote, Carlotta Cosials, Ade Martin und Amber Grimbergen hatten für meinen Geschmack ein wenig zu viel Folkrock („Warning With The Curling“) und zu wenig Slacker-pop, wie das Pop-Kultur Programmheft Hinds beschreibt, in ihren Songs.

So schrieb ich nach meinem ersten Hinds Konzert. Die Mädelsband schien mich nicht restlos überzeugt zu haben. Das war vor einem Jahr beim Popfest in Berlin. Zuvor verpasste ich sie beim Primavera, sah dafür am nächsten Abend die andere spanische Mädchenband Mourn und war enorm begeistert.

Als ich spät zu den ersten Klängen der Vorband Ropoporose in den Saal kam, fiel es mir wieder ein. Ich wollte doch pünktlich sein, ich wollte mir doch auch die Vorband angeschaut haben. Also das komplette Set, nicht nur einen Teil davon. Als ich vor Wochen ein wenig herumgoogelte und ihren Videohit „Birdbus“ entdeckte, hatte ich das französische Duo als interessant wahrgenommen und ihren Auftritt fest eingeplant.

Doch an diesem Abend hatte ich das überhaupt nicht mehr auf dem Schirm. Und so machte ich mich verspätet auf den Weg.
Viel schien das Duo aber noch nicht gespielt zu haben, sie ließen mir noch eine gute halbe Stunde, das ein oder andere hingerumpelte Stück zu hören. Gitarre und Schlagzeug, in nicht allzu unüblicher Instrumentalkombination sehe ich Pauline und Romain auf der Bühne. Er spielt Schlagzeug, sie Gitarre und Keyboards. Beide singen. Ihre Songs sind LoFi, oder DIY. Alles wirkt noch nicht ganz aufeinander abgestimmt und irgendwie zusammengebastelt. Fesch ist es allemal und sie überraschen mich mit nahezu jedem Song. Ihr Auftritt ist gutgelaunt, frisch und er macht mir großen Spass. Natürlich erfinden sie nichts neu, aber sie versprühen diesen gewissen französischen Charme. Ich muß an Soko denken.

Hinds sind anschliessend die Indiepop Queens. Carlotta Cosails und Ana Garcia Perrote wechseln sich am Gesang ab, oder ergänzen sich innerhalb eins Songs. Das sieht gut aus und klingt gnadenlos schön. Es ist der schönste Wechselgesang, den ich in diesem Jahr gehört habe.
Hinds sind gut gelaunt. Scheinbar sind das heute alle. Auch der CBE strahlt über beide Ohren. Gut so. Gefühlt werden die Spanierinnen kräftig abgefeiert. Auch gut so. ‘Es sei ihr erster Auftritt in Köln und er fühle sich aufgrund der Temperaturen sehr nach Madrid an‘, Carlotta Cosaila ist redselig. Madrid ist die Heimatstadt der vier, hier fanden sie sich vor ein paar Jahren zum Musikmachen zusammen. Erst als Duo, seit gut zwei Jahren als Band. Ihr Debütalbum erschien in diesem Jahr, es ist guter Indierock, unspektakulär schön. Die vier scheppern sich durch ihr Programm und – das fällt mir auf – sie wirken viel bühnensicherer als noch vor einem Jahr. Kein Wunder, ich glaube, die vier Mädels touren nahezu ununterbrochen. Ihre Bühnenpräsenz wirkt sympathisch, ihre Musik ist es sowieso. Es ist ein gutes und in allen Belangen stimmiges Konzert.

Überraschenderweise ist das CBE nicht stark besucht. Auch ich überlegte lange, ob ich Hinds oder doch eher Zugezogen Maskulin im Gloria den Vorzug geben solle. Der ewige Fluch der Überschneidungen bei einem Festival. Doch ich hatte mich richtig entschieden. Hinds sind toll, wie konnte mir das nur beim letzten Mal nicht auffallen?

Kontextkonzert:
Pop-Kultur Festival – Berlin, 26.08.2015 // Berghain

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