Ort: Underground, Köln
Vorband: Whitecliff

The Rifles

2005 waren The Rifles der letzte heiße Britpopscheiss. Und das mit dem letzten ist wörtlich zu nehmen. Während die Klasse von 2005 um Bands wie Maximo Park, HardFi, Franz Ferdinand und wie sie nicht alle hießen die britische Popmusik von all den Oasis- und Blur-meriten loslöste, machten The Rifles starrsinnig da weiter, wo 10 Jahre zuvor Cast, Shed Seven und die Bluetones, oder noch viel früher The La’s, aufgehört hatten: mit Britpop. Überraschenderweise schien ihnen der Erfolg der ersten Songs wie „Peace & Quiet“ oder „Local Boy“ recht zu geben, Ian Browdie produzierte das Debüt No love lost und die Dinge nahmen ihren Lauf.
Und zwar den Lauf, den Britpop im Jahr 2005 nehmen mußte. Nach dem ersten Album kam ein weniger erfolgreiches zweites und dann lange nichts Gutes. The Rifles waren weg. 2011 tauchten sie in meiner Erinnerung nochmal kurz auf. Sie machten eine Akustiktour – was eine Band ebenso macht, wenn die Kreativität nicht gerade zubeisst -, da sah ich sie zum zweiten und zum bisher letzten Mal. Schöne Erinnerung habe ich an mein erstes Rifles Konzert im Vorprogramm von Paul Weller. Das war besonders. Aber auch 2011 war es unterhaltsam. Ich schrieb damals:

Vielmehr hatte ich von diesem Abend nicht erwartet. Es war das erhoffte Wiederhören länger nicht gehörter Lieblingssongs. Denn genau die haben mir die Rifles vor einigen Jahren zu Hauff beschert, und genau auf die habe ich mich an diesem Abend am meisten gefreut. Und genau die haben sie alle gespielt. Es gibt schlechtere Sachen, mit denen man sich an einem Sonntagabend befassen kann. Bremer Tatorte gucken zum Beispiel.

Mit einer ähnlichen Grundeinstellung ging ich in diesen Abend. Nichts erwarten und trotzdem das beste Erhoffen. In meiner Erinnerung waren die Rifles die Band mit den schönsten sing-along Refrains. ‘La la la la laaa‘ oder ‘wowwowwowohoo‘, je nachdem ob „Spend a lifetime“ oder „Romeo and Julie“ anstehen. Und wenn sie nur diese beiden alten Sachen spielen, wäre es ein gelungener Abend.

Ein gelungener Abend schien es auch für die Vorband gewesen zu sein. Als ich das Underground betrete, fliegen allerlei Gegenstände auf die Bühne. Blümchen und Plüschgedpöns. Bierbecher hätte ich allerdings auch verstanden, denn Whitecliff, so der Name der Vorgruppe, machten gruseligen White Lies Powerpop. Mir gefiel das nicht und ja, ich wunderte mich über so viel Begeisterung aus den ersten Reihen. Auch wunderte ich mich über die deutschsprachigen Ansagen. Sollte die Band nicht aus Liverpool stammen? Das hatte ich zumindest im Vorfeld gelesen, aber es hätte ja durchaus sein können, dass die Vorband kurz vor dem Konzert gewechselt wurde. Wurde sie nicht und Whitecliff kommen auch aus Liverpool. Allerdings stammt ihr Sänger aus Köln. Das wusste ich selbstverständlich nicht, ich recherchierte das nach. Der Sache mit den Ansagen musste schließlich auf den Grund gegangen werden. Neudeutsch nennt man das wohl funfact. Wieder was gelernt und sicher bald wieder vergessen, denn Whitecliff waren nicht meine Sache. Ich war nicht wegen der Vorgruppe hier.
Andere schon. Das fiel auf, als die Rifles die Bühne betraten. Nach einigen Konzertbesuchen bilde ich mir ein, einen Blick dafür zu haben, wer im Publikum wirklich wegen der Band da ist und wer nicht. Ein mittelgroßes Grüppchen – gemessen an der Zuschauerzahl –  war nicht wegen der Band da. Selten habe ich so viele Sektgläser leeren und holen sehen wie hier, selten wurden so viele Selfies und Gruppenselfies mit ekligem Handyblitz und mit 100%er Ignoranz dessen, was auf der Bühne geschieht, geschossen. Friends und family des Sängers vermutlich. Während also die einen zeitweise sehr viel besseres zu tun hatten, als auf die Band zu achten, gab es aber auch Gott sei Dank ein die große Masse, die die Rifles sehen wollten und die jeden Song dankbar aufnahmen. Selbst bei den neuen Sachen bewiesen viele Textsicherheit und sorgten so dafür, dass im Underground eine gute Stimmung aufkam.

Ich stand irgendwo dazwischen. Nach den ersten beiden Alben hatte ich die Rifles beiseitegelegt. Die beiden Livekonzerte vor Jahren waren toll, aber für mehr Begeisterung reichte es bei mir nicht. Folgerichtig hatte das Konzert natürlich Höhepunkte, aber auch Müßiggang. Der verflog jedoch schnell nach seinem Aufkommen, denn die Rifles waren sich den Erwartungen des Saals bewusst und drehten sehr oft an der Zeitschraube. Der Abend hatte somit Potential. „Romeo and Julie“, „Local boy“, „Winter Calls“, schön, all das wiederzuhören.

Der erste Blick zurück kam nach zwei Songs. „The great escape“ und „Peace and quiet“ brachten erstmals mehr Stimmung in den Laden. Ja ja, die Last der Vergangenheit. Oder die Freuden. Die Opener setzten viele zwar auch in Verzückung, aber den gesamten Laden gewannen die Rifles erst mit den alten Gassenhauern. ‘She‘s got standards‘. Ein jetzt schon verzweifelter Zwischenrufer verlangte nach mehr. Sein Wunsch wurde jedoch cool von Joel Stoker mit ‘No, she‘s not.‘ abgewiesen. Vorerst zumindest. Es sollte bis zur Zugabe dauern, bis die Band das Stück spielte. Viel neuer Kram vom aktuellen Album Big life zeichnete bis dahin genauso den Weg wie ein kleiner, drei, vier Songs zählende Akustikpart um das wunderbare „Spend a lifetime“. (Mit sing-along Teil!). Vielleicht ist das ihre Stärke, diese simple Songgestaltung ohne viel Schnickschnack. Ich mochte schon damals ihre Akustiktour sehr, und auch an diesem Abend gefiel mir diese kleine Sequenz. „When i’am alone“ hätten sie aber spielen können.
Big life klingt aus der Zeit gerissen. The Rifles sind sich ihrem Sound treu geblieben, das kann ich ohne Zweifel anmerken. Vieles klingt wie früher: ein flottes Schlagzeugintro, harmonisierende Gitarrenriffs von Joel Stocker und Lucas Crowther. Leider fehlt denn neuen Songs das kleine Fünkchen mehr, um mich direkt vom Hocker zu hauen. Auch das kann ich ohne Zweifel anmerken. Sie klingen nicht wirklich spannend, auch wenn mich in guten Momenten der Gesang von Joel Stoker immer noch an die alte Ladism Attitüde erinnert. Das sehr unterschätzte „Catch her in the rye“ vom 2014er Album möge als Beweis herhalten.
An diesem Abend fallen die schwächeren Songs nicht ins Gewicht. Spielen die Rifles nach „Victoria“ und „Young for a day“ zum Beispiel „Spend a lifetime“, dann überragt der Hit locker und bleibt im Kopf, während das andere schnell beiseite rutscht. Ja, ich gebe es zu: ich freute mich, die bekannten Sachen noch einmal zu hören, und nahm dabei die anderen einfach hin. Und wirklich schlecht sind sie ja nicht, lassen wir mal die Kirche im Dorf.

Band: ‘Wir spielen noch zwei neue Sachen. ‘
Publikum: ‘Und dann?!‘
Band: ‘Und dann ein paar alte!‘

Größtmögliche Zufriedenheit machte sich breit, als nacheinander „Winter Calls“,“ „Robin Hood”, und „Romeo & Julie“ aus den Boxen dröhnten. Wow, ein tolles Finale, das für viele glückliche Gesichter sorgte.
So machten die Rifles nichts falsch, eine Songmischung aus allen Phasen ihrer Bandgeschichte zu präsentieren. Solide und gut. Nicht mehr und nicht weniger.

Ich mag die Rifles.

Kontextkonzert:
The Rifles – Köln, 15.05.2011 / Gebäude 9
The Rifles – Washington DC, 13.09.2008 / 9.30 Club

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