Ort: Bumann & SOHN, Köln
Vorband:

Steve Gunn

In den letzten Jahren habe ich an mir festgestellt, dass sich mein Musikinteresse ein bisschen verschoben hat. Das, was ich früher (also vor 20 Jahren) kaum oder gar nicht gehört habe, hat sich in den letzten zehn Jahren einen kleinen aber feinen Platz in meiner Musiklandschaft gesichert. Jazz zum Beispiel (und dieser Platz nimmt immer mehr Raum in Anspruch) oder R’n’B und Americana. Die erstgenannten Stile sind für diesen Konzertbericht irrelevant; Americana dagegen nennt sich das, was Steve Gunn im Bumann & SOHN präsentiert. Americana. Puhh. Das ist doch diese Mischung aus Folkrock, Country und Indiefolk? Früher konnteste mich damit jagen. Womöglich noch unter Mundharmonika Einsatz und mit Ukulele oder Banjo!
Doch mit der Zeit entwickelte ich ein Faible für diese langsamen, sanft dahinschleichenden Sounds von, zum Beispiel Wilco, War on drugs, Spain, Bill Callahan, Kurt Vile. Und eben ein Bill Callahan Konzert vor einigen Jahren im Stadtgarten öffnete mir die Ohren für Americana/Folkrock und war so etwas wie mein Aha-Moment. Aha, das nimmt mich ja doch mit. Aha, das ist wunderschön!
So kommt es nicht von ungefähr, dass ich mir quasi ohne zu zögern ein Ticket für das Steve Gunn Konzert kaufte. Ein, zwei Songs auf YouTube reichten, um mich bedingungslos zu überzeugen. Wenn ich Steve Gunn erst vor kurzem entdeckte, ein Szeneneuling ist er nicht. Gut zwei Hände voll Alben hat er veröffentlicht, war oder ist (so genau weiß ich das nicht) Mitglied der Kurt Vile Band The Violators und Teil diverser andere Musikprojekte. Sein aktuelles Album The unseen in between ist frisch auf dem Markt.

Montagabends ist es im Regionalzug am ruhigsten. Ich mag es, montags zu Konzerten in die Stadt zu fahren, hier zu sitzen und abzuschalten. Die 35 Minuten Bahnfahrt sind ein idealer Trenner zwischen Arbeits- und Freizeitstunden und perfekt dazu geeignet, um gedanklich von der einen in die andere Welt zu gleiten. 35 Minuten, in denen ich tagträumen kann. 35 Minuten, in denen ich mich auf den Abend einstimmen kann. Gedanklich und inhaltlich. 35 Minuten, die eine gute Vorbereitung auf einen Konzertbesuch darstellen. Ich google noch ein paar Informationen über die Band, die Musik oder suche einfach nach der letzten Plattenkritik. Ein Song wie „One sunday morning“ von Wilco wäre der ideale Soundtrack.

Das Bumann & SOHN ist es gegen 21 Uhr gut gefüllt. Pünktlich zum Intro von „Old strange“ stehe ich vor der Bühne und bin überraschend schnell im Konzert. Mit Gitarrenklimperintro zieht sich das Eröffnungsstück auf 10 Minuten, langweilt mich aber zu keiner Sekunde. Im Normalfall wäre so ein Brocken zu Beginn eines Konzertes ein Berg, der mich überfordert zurücklassen würde.
An diesem Abend ist „Old strange“ zusammen mit dem letzten Song des Abends („Way out weather“), der sich ebenso nahe des zweistelligen Minutenbereiches bewegt, eine Klammer um den Abend, die passender nicht hätte sein können. Das wusste ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Erst einmal stand hier ein toller Konzertbeginn.
Steve Gunn und Band (Bass, Schlagzeug, Gitarre) spielen auf der aktuellen Tour oft die gleichen Songs. Auch an diesem Abend kommt als dritter Song das Michael Chapman Cover „Among the trees“. Definitiv das älteste Lied des Abends, denn „Among the trees“ wurde 1970 veröffentlicht. Michael Chapman ist ein englischer Singer-Songwriter, der seit den 1970er Jahren Musik macht. ‘Michael sei ein guter Freund und sowas wie ein Mentor‘, erläutert Steve Gunn, und ‘überdies sei „Among the trees“ sein Lieblingssong.‘ Aha, okay. Gründe genug, das Stück in sein Programm einzubauen.

Musikalisch ist das Konzert zweigeteilt. Es gibt diese – ich sag mal – klassischen Folk- und Americana Songs, die auf der Akustikgitarre gespielt werden und nach Mundharmonika schreien. (Einmal kommt sie sogar zum Einsatz. Gott sei Dank nur dezent.) Dann wiederrum gibt es aber auch die schnelleren, poprockigeren Songs, die mit gemächlich schwingenden Psychedelic-E-Gitarren auftrumpfen. Greift Steve Gunn zur E-Gitarre, wird es gleich lauter im Bumann und endet mitunter, wie bei „Paranoid“, im Geschrammel mit Thurston Moore-esken Auswüchsen. Konkret meint das, dass der Gitarrenhals Bekanntschaft mit dem über den Köpfen der Musiker kreisenden Lichtbrett macht. „Paranoid“, „Vagabond“ und ein, zwei weitere Songs bilden im Mittelteil des Konzertes einen, schönen, stimmigen E-Gitarren Block. Erst gegen Ende des Konzertes, zum nur mit Bassbegleitung vorgetragenen „Morning is mended“, wird die Akustikgitarre wieder rausgekramt.

Das Konzert ist kurzweilig und spannend, auch weil es durch die Wechsel von Akustik- und E-Gitarre nie monoton klingt. Als Freund des Lauten sind mir die E-Gitarrenparts natürlich lieber, gelangweilt habe ich mich die andere Zeit jedoch nicht.

Der Abend war bedingungslos gut.

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