Bodega

Congés Annulés. Vier Wochen Konzerte in der Nähe des Hauptbahnhofs in Luxemburg. Das Sommerfestival Congés Annulés in den Rotonden liefert seit einigen Jahren ein dermaßen spannendes Programm, dem ich mich kaum entziehen kann. Leider wohne ich nicht in Luxemburg, sonst hätte ich definitiv ein Abo. In dieser Woche spielen dort zum Beispiel Bodega, Julia Jacklin, The Beth. Oder: Montag, Dienstag Mittwoch.

While the rest of the country dozes, the Congés Annulés brings you a whole month’s worth of concerts, showcases, DJ sets, documentary film screenings and City Open Air Cinema. For a whole month, the Rotondes’ outdoor courtyard sets the scene for musical drinks and a range of bands fire up the Rotondes’ Klub stage. Rock, electro, indie, pop: everything is good to liven up the evenings – you don’t have to go very far to find the best sound.

So aber reichte es nur zu einem Konzerttrip. Julia Jacklin und The Beth, die Tage drauf in der Rotonde auftreten, konnte und könnte ich auch in Köln sehen. Bodega leider nicht.
Und ich frage, warum? Seit zwei Jahren beobachte ich die amerikanische Band Bodega und ihre Konzertorte. Denn seit ich die ersten Töne ihres Debüts (dabei unter anderem die markante Windows Startmelodie) gehört habe, bin ich Fan. Endless scroll erschien im letzten Sommer und machte Bodega zur the summer’s ultimate Brooklyn Band, die nicht mit der schottischen Folkband Bodega verwechselt werden sollte, die macht. Fiddle Dee Fiddle Dum, so der ursprüngliche Name (und gleichzeitig Typenbeschreibung der Musik: traditionell schottisch und irisch) dieser Bodega, trifft natürlich nicht auf die Bodega aus New York City zu.
Die klingen anders. „Shiny new model“ heisst die aktuelle Single, Witness scroll das aktuelle Album. Ein Livealbum, das neben Endless scroll Material einen neuen Song „No Vanguard Revival“ und ältere Stücke der Vorgängerband von Ben Hozie und Nikki Belfiglio namens Bodega Bay beinhaltet, gibt es ebenso.

This show is completely in english. There is no other option.

Doch zunächst ein Konzert in einer anderen Sprache. Euternase – die ich schon einmal irgendwo gesehen habe – bestreiten das Vorprogramm. Ab und an sind die Zusammenstellungen von Vorband und Hauptband sinnig. Euternase und Bodega machten in dieser Konstellation sehr viel Sinn. Das passt musikalisch sehr gut.
Euternase kommen aus Mannheim und machen German noise/80s Punk. So sind sie von This charming Man Records kategorisiert, der Firma, die ihr Debütalbum L’Amour veröffentlicht hat.

Musikalisch erinnern mich Euternase an Surrogat und die frühen Mutter. Kratzbürstig, innerlich schreiend und klagend. Repetitiv kommen die Textzeilen. Sätze ohne Nebensatz, kurz und klar in der Aussage.
Nach dem gut halbstündigen Auftritt herrscht Einigkeit. Da war nichts, was wir nicht schon vor 30 Jahren gehört haben. Wir sind schon älter und kamen im weiteren Gesprächsverlauf auf Green River und Beat happening zu sprechen.
Euternase sind an diesem Abend ein guter Opener. Musikalisch passten beide Bands perfekt zusammen und die zwei Händevoll Songs der Mannheimer klingen zwar nicht neu, sind aber gut und unterhaltsam.

Bodega. Mann, war ich auf die Band gespannt. Die New Yorker haben eines der interessantesten Alben der letzten 12 Monate gemacht. Endless scroll ist voll kleiner Hits und läuft bei mir sehr oft.
Musikalisch hat es eine sehr große Nähe zu den von mir sehr geschätzten Parquet Courts, Schrammelgitarren, Postpunk Melodien, das trommelnde Schlagzeug und den halb sprechend, halb rufenden Gesang. Das können auch die Parquet Courts.

This show is completely in english. There is no other option.

Der Ansage folgte die frühere Windows Startmelodie, bevor die Band zu den Instrumenten griff und mit „Can’t knock the hustle“ das Konzert eröffnet. Diesen Song spielen sie sehr oft als erstes Stück, das soll an diesem Abend keine Ausnahme sein. Der erste Eindruck nach wenigen Minuten entspricht meinen Vorstellungen. Das Konzert kann nur ein gutes Konzert werden, soviel steht für mich spätestens nach dem dritten Song (“Shiny new model“) fest. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde jeder Song durch ein Windows95 Tonsample gestartet. Passend dazu baumelt eine alte Logitech-Maus am Mikrofonständer von Ben Hozie a.k.a. Bodega Ben. Es ist die einzige Bühnendeko, die ich entdecken kann. Der Sänger steht direkt vor mir, seine Gesangskollegin Nikki Belfiglio mit der Trommel in der Bühnenmitte. Beide sind Dreh- und Angelpunkt von Bodega. Die Bassistin Heather Elle, die Schlagzeugerin Tai Lee, die im stehend trommelt, sowie der Gitarrist Madison Velding-Vandam erweitern Bodega zum Quintett.
Für eine gute Stunde spielen Bodega sich durch ihr aktuelles Album. Ich höre den Einfluss des Produzenten Austin Brown, bzw. den seiner Band Parquet Courts. Ich sehe phasenweise eine irre wilde Show, die mich an die frühen Arcade Fire erinnert. Ich höre viel Postpunkmelodien, do it yourself Gitarren und immer wieder das Computersample aus „Bodega Birth”: I use my computer for everything / Heaven knows I’m miserable now.
Humor haben sie, keine Frage. Und ich höre auch ein bisschen Pop. „Jack in Titanic“ ist ein Popsong in Pavement Manier und die aktuelle Single „Shiny new model“, der Song des Jahres und mein derzeitiges Lieblingslied, klingt weniger schrammelig als alles andere an diesem Abend. Nur einmal legt Ben Hozie seine Gitarre ab. Zu „Name escape“ schlingert er tanzend über die Bühne und singt Kopf an Kopf mit Nikki Belfiglio die Textzeilen. Ich denke an Amy Millan und Torquil Campbell von den Stars.
Höhepunkt des Konzerts ist das elendig lange „Truth is not punishment“ kurz vor Ende des regulären Sets. In einem Song fassen Bodega all das zusammen, was ich bisher an diesem Abend gehört und gesehen habe. Der Albumsong ist nur zweieinhalb Minuten lang, live blähen Bodega ihn auf nahezu 10 Minuten Länge auf. Großartig, und auch nachzuhören auf ihrem Livealbum Witness scroll.

Zur Zugabe antworten sie auf die Rufe ‘One more song‘ mit ‘Just one? We play three, okay?‘
Von mir aus gerne. „Williamsburg Bridge“ folgt. Wenn ich mir den Gesang wegdenke, klingt er verdammt nach Velvet Underground.

I use my computer for everything / Heaven knows I’m miserable now.

Ich schlendere zum Parkhaus und mir geht dieses „Shiny new model“ nicht aus dem Kopf. Wahrlich ein Smash Hit!

You can increase up your service charge but you’re competing with a shiny new model.
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You can increase but you’ll be replaced by a shiny new model.
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Shiny new model
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