Ort: Den Atelier, Luxemburg
Vorband: Klangstof

Das war milde gesagt eine Enttäuschung. Es ist 1991 und ich bekam zu Weihnachten die neue Pixies CD Trompe le Monde geschenkt. Die Enttäuschung galt nicht gegenüber dem Geschenk. Auf die aktuelle Pixies Platte wartete ich bereits seit mehreren Wochen, veröffentlicht wurde sie ja bereits im September des Jahres und die erste Single „Planet of Sound“ ließ Gutes erwarten. Nein, das Geschenk an sich war toll, enttäuscht war ich davon, was ich später in meinem Zimmer hörte. (Im Wohnzimmer hatten wir keinen CD-Spieler.) Die Songs gefielen mir nicht, wo waren die Hits, die nach „Debaser“, „Caribou“ oder „Gigantic“ klangen? Ich muss erwähnen, dass ich im Jahr zuvor sehr oft Doolittle und Bossanova gehört habe.
Auf Trompe le Monde fand ich die nicht, weder im ersten Durchlauf noch im zweiten oder dritten Durchgang. Und wie schlimm waren eigentlich die Keyboards in „Alec Eiffel“? Die Platte war mir zu schwierig, zu lärmig, zu unberechenbar. Was heutzutage prima Attribute sind und bei mir große Ja’s für den Kauf eines Albums hervorrufen, war damals das genaue Gegenteil. Trompe le Monde wurde meine am wenigsten gehörte CD und ich zählte sie seinerzeit zu den schwächsten Platten, die ich besaß. Nur knapp vor dieser einen Deacon Blue CD. Ich hörte Trompe le Monde kaum, gab der Platte in den Jahren keine zweite Chance. Stattdessen mochte ich die Breeders, und ich hörte nur die ersten drei Pixies CDs.
Mitte der 1990er Jahre waren die Pixies dann weg. Dass sie Anfang der 2010er Jahre wieder zurückkamen, war eine große Sache und zumindest für mich sehr überraschend. 2014 und 2016 besuchte ich ihre Konzerte und hörte die alten CDs. So langsam dämmerte es mir, dass Trompe le Mode nicht das schlechte Album ist, für das ich es hielt. „Head on“ und „U-Mass“ entwickelten sich und mir gefiel die musikalische Weiterentwicklung der Band; „Alec Eiffel“ blieb dagegen immer noch schwach. Aber das musste ich dann live auch nie hören. Weder 2014, noch 2016 und schon gar nicht 2022.
Das Atelier ist seit Wochen ausverkauft. Das Luxemburger Konzert ist das ‘kleinste’ Konzert der Pixies auf ihrer diesjährigen Sommertour. In anderen Städten und in anderen Ländern spielen sie vor Kathedralen, auf großen Festivalwiesen und in größeren Hallen. Warum in Luxemburg nur das Atelier und nicht die größeren Hallen wie die LuxExpo oder ein Teil der Rockhal für die Band gebucht wurden, ist mir schleierhaft. Voll wären die auch geworden. Egal, so ist es umso schöner. Ich glaube, so nah wie hier werde ich Black Francis nie mehr kommen.
Luxemburgtypisch ist es gegen halb acht noch sehr leer im Saal. Verwunderlich ist das nicht, standen doch direkt nach dem Einlass mehr Leute vor dem Imbisswagen als vor der Bühne. Um 20 Uhr, als die niederländische Vorband Klangstof die Bühne betritt, ist es nur unwesentlich voller. Na, es ist noch Zeit, und draußen ist es überdies viel angenehmer als im stickigen Saal. Klangstof sind ein guter Opener. Ihr Indiepop ist kurzweilig, ihre Synthiewellen erinnern etwas an die Foals oder Alt-J. Ein Album kommt im September. Klangstof sind ein Indiediscotip.
Noch im Zeitplan um kurz nach 21 Uhr betreten die Pixies die Bühne. Black Francis, Joey Santiago, David Lovering und Paz Lenchantin. Dies ist seit acht Jahren die Pixies Bandformation, nachdem der Bass zuvor lange Zeit die vakante Stelle war. Kim Deal, ja, nein, ja. Dann für eine kurze Zeit Kim Shattuck (Eigentlich nur für die 2013er Tour.). Nun Paz Lenchantin, die in den 2000er Jahren in vielen Bands und bei vielen Aufnahmen mitgewirkt hat.
Der Abend beginnt mit dem instrumentalen „Cecilia Ann“ und Black Francis an der E-Gitarre. Nach wildem Anfang – u. a. „Wave of mutilation“, „Isla de Incanta“, „Planet of Sound“ – greift er nach „Monkey gone to heaven“ zur Akustikgitarre. Was natürlich nicht bedeutet, dass es weniger laut wird. Es wird nur moderner. Es folgt ein Block mit neuen Songs: „Vault of heaven“, „There’s a moon on“, „The Lord has come back today“ und „Who’s more sorry now?“ vom im September erscheinenden Album Doggerel sowie „All the Saints“ und das leicht folkige „Death Horizon“ vom noch aktuellen Album Beneath the eyrie. Das ist jetzt Alternative Rock. Nicht mehr ganz so dramatisch und wild; gemein könnte ich sagen: altersgerecht wild.
Allerdings – und das ist wenig verwunderlich – merkt man schon, dass die neueren Stücke nicht so zünden wie das alte Material. Das typische Schicksal einer großen Band mit einer sehr großen Vergangenheit. Aber es bleibt bei diesem einen Block an aktuellen Songs. Mit „Here comes your man“ ist die Band wieder zurück in den 1990er Jahren und alle im Saal sind wieder dabei. ‘Shalalalalalala….ohh here comes your man… ahhhuuuu’
Die Stimmung ist ausgelassen. Die Luftfeuchte nimmt zu, und nicht nur ich werde etwas unkonzentriert. Zwei Songs hintereinander müssen die Pixies abbrechen. Ein verpasster Einsatz hier, die Annahme, es würde ein anderer Song gespielt, dort. Durchschnaufen. Es folgt „Ed is dead“ mit langem Black’schen Gitarrenintro. Oder wie Black Francis es formuliert: ‘Ich gebe euch etwas Zeit, den Song richtig zu erkennen und dann richtig zu spielen.‘ Liegt nicht in jedem Scherz ein bisschen grummelige Wahrheit? Nach dem kleinen Raunzer läuft es wieder. „Break my body“, „Gouge away“. Noch zwei Klassiker.
Meine Lieblingslieder an diesem Abend sind „La la la love you“ (Lippen spitzen und pfeifen klappt auch bei 35° und Brillengläser beschlagen lassender Luftfeuchtigkeit!) und „The holiday song“. Ich weiß nicht warum, aber über diese beiden freue ich mich am meisten. Vielleicht, weil ich sie bei meinem letzten Pixies Konzert nicht gehört habe. Um viertel nach 10 spielen sie „Debaser“ und „Gigantic“, ein fast schon traditionelles Songduo. Langsam wird es im Atelier so stickig, dass ich unter dem Mundschutz das Gefühl bekomme, ich brauche mal frische Luft. Also raus. Durchatmen. Und wer einmal draußen ist, der geht nicht wieder rein. Mal abgesehen davon, dass es im Atelier mittlerweile so voll ist, dass zwei Meter vor der Saaltür eigentlich schon nichts mehr geht.
‘Been trying to meet you’. Hey, das ist mir gelungen. Aber Sommerkonzerte in Clubs sind echt die Hölle.
Kontextkonzerte:
Pixies – Frankfurt, 11.10.2009 / Jahrhunderthalle
Pixies – Brüssel, 02.10.2013 / AB
Pixies – Köln, 24.11.2016 / Palladium