Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Mood bored

Nation of Language - Köln, 20.09.2023

Als ich mich im Frühjahr zur Vorbereitung auf das diesjährige Primavera Sound Festival durch die verschiedensten Bands und Musiker*innen hörte, blieb ich auch bei Nation of Language hängen. So direkt sagte mir der Name nichts und ich konnte keine Songs mit dem Trio verbinden, bemerkte aber beim Durchhören schnell, dass ich ein oder zwei Songs schon einmal bewusster gehört hatte. Vielleicht ein Jahr zuvor fiel mir „This fractured mind“ – eine der Singles von ihrem zweiten Album A way forward – in die Hände. Ein wuchtiger Indiesynthiepop Song mit Ohrwurmqualitäten. Aber wie so oft, nach einigen Tagen gerät alles in Vergessenheit und es kommen neue Ohrwürmer und neue Bands, weitere Konzertbesuche und andere Entdeckungen. Nation of Language verschwanden von meiner Agenda. Bis sie in diesem Frühjahr wieder auftauchten.

Schnell war der Plan gefasst, mir die Band in Barcelona live anzuschauen. Doch genauso schnell musste ich ihn wieder verwerfen. Nation of Language wurden zeitgleich mit Kendrick Lamar platziert, die Wahl fiel nicht schwer und sie fiel natürlich nicht auf die junge Brooklyner Band. Den Sommer über verpasste ich sie dann auf den diversen Festivals. Nicht aber ihr Konzert im Gebäude 9, für das ich mir dann – auch aufgrund der durchaus guten Erzählungen über ihren Barcelona Gig – relativ zeitig ein Ticket kaufte. Dass das Konzert am Tag mit einem ausverkauft geflaggt wurde, überraschte mich dann wenig. Die Livequalitäten der Band sind phänomenal und sowas spricht sich eben schnell rum.
Dieser Tage veröffentlichten sie mit Strange Disciple ihr drittes Album, die aktuelle Tour und damit auch das Kölner Konzert ist dazu da, das Album live vorzustellen. Die Setlist spiegelt das wider: sechs Songs an diesem Abend stammen vom neuen Album. Ungefähr ein Drittel.
Doch der Reihe nach.

Mood bored eröffnen den Abend. Es dauerte ein bisschen, bis ich ihren Namen herausgefunden hatte. Die Bühnenvorstellung der Band durch die Sängerin Myrte Driesenaar habe ich akustisch nicht verstanden, und im Internet finde ich während der Umbaupause nirgends einen Hinweis auf die Nation of Language Vorband. Erst als ich ein paar Gesprächsfetzen vom Nebenmann aufschnappe, wurde ich schlauer. Mood bored nennt sich das Trio aus Tilburg, das nach eigener Aussage ‘music by and for 20-something existentialists’ macht. Indierocksongs also, die Myrte Driesenaar, Daan Stuyven und Timo de Wit auf bisher einer EP zusammenstellen. Die Songtitel lauten „Easy going“, „Ladadee Ladada“ oder „Lucky“, die EP simpel Bored EP. Das ist alles nicht wirklich neu, was Mood bored machen, aber sie machen es gut. Das Konzert macht Spaß und es war kein Fehler, an diesem Abend superpünktlich im Gebäude 9 zu sein.
Denn nachdem bei meinen letzten beiden Gebäude 9 Konzerte erst im Laufe der Vorgruppe in den Saal kam, und mich folglich erst einmal hintenanstellen musste, war mein Plan dieses Mal ein anderer. Ich wollte pünktlich vor Ort sein, um von Anfang an eine gute Stehplatzposition zu haben. Da der Tag gut fluppte und auch die Bahn mitmachte, gelingt mir das. Um kurz vor acht stehe ich am Bühnenrand und beobachte das, was ich in diesen Momenten immer beobachte. Der spätere Zug hätte gereicht, an diesem Abend ist es zur Vorband natürlich noch nicht so voll. Nun ja, Mood bored sind gut und ich hatte Zeit. Passt also. Easy going.

Zum Intro von „First we take Manhattan“ in der Jennifer Warnes Version betreten Ian Richard Devaney, Aidan Noell und Alex MacKay die nun sehr leere Bühne. Das Schlagzeug ist abgebaut, nur ein Synthesizer steht links am Rand. Alex MacKay spielt Bass wie weiland Kralle Krawinkel Gitarre: stoisch und gestenarm. Die Bühne gehört Ian Richard Devaney. Wer die Future Islands kennt, dem fällt unweigerlich Samuel T. Herring ein. Mir ging das zumindest so, nachdem ich erste Livevideos von Nation of Language gesehen hatte. Denn ähnlich ausladend und intensiv bewegt sich der Sänger über den gesamten Bühnenraum hinweg. Das ist enorm ansteckend und so ist von Anfang an eine gute Stimmung im Saal. Die immer irgendwie bekannt klingenden Synthie-Sounds tun da ihr Übriges. Das Konzert geht gut ab, alle sind sofort drin. Jeder Song wird frenetisch gefeiert, egal ob neu oder bereits ein Hit. Da stehen „Sole obsession“ oder „Too much, enough“ den Gassenhauern „This fractured mind“ und „Across that fine line“ in kaum etwas nach.
Für mich überraschend ist der Altersdurchschnitt im Saal. Von wegen angesagte Gen Z Band! In den ersten Reihen sehe ich überwiegend Leute, die Depeche Mode zu ihrer Hochzeit live erleben durften und die OMD oder Alphaville nicht nur aus der Plattensammlung der Eltern kennen. Kommen hier die Erinnerungen aus der eigenen Independent Disco hoch? Ich denke, ja. Ich zumindest fühle mich an diesem Abend ab und an daran erinnert, an die Wave und Gothic Partys in den Dortmunder und Bochumer Clubs.
OMD und die frühen Depeche Mode sind die hörbar stärksten Einflüsse im Nation of Language Sound. Aber auch diese sagenhaften The Cure Basslinien oder den New Order Soundteppich höre ich hier und da heraus. Es kommt mir vor, als ob ich jeden Song irgendwie kenne, ohne ihn tatsächlich zu kennen. Diese Synthies! Herrlich! Dazu muss man einfach tanzen. Genau wie Ian Richard Devaney. Er schwebt förmlich über die Bühne, zuckt zu den zuckenden Synthie-Sounds und macht das einfach großartig. Aber würde man behaupten, Nation of Language covern nur die 80s, dann stimmt das definitiv nicht. Ja, sie kennen sicherlich alles, aber sie zitieren clever und nicht einfallslos.
Vor 15 Jahren gab es eine Band, die mit ‘alten Sounds’ für ähnlichen Wirbel sorgte: The xx. An diesem Abend muss ich daran denken und ich muss auch daran denken, was ich im Blog Monarchie & Alltag über die Band Big Special gelesen habe. Dort steht:

Auch interessante Frage: wie würden wohl die Sleaford Mods klingen, wenn sie nicht vom Punk-Hip-Hop, sondern vom Breitseiten-Rock via LCD-Soundsystem kämen? Big Special beantworten die Frage deutlich überzeugender als man denken würde

Also. Auch eine interessante Frage: wie würden The xx klingen, wenn sie vom Synthiewellen-Pop via OMD kämen? Nation of Language geben eine gute Antwort, wie ich finde.

Setlist:
01: Spare me the decision
02: Rush & fever
03: Sole obsession
04: Wounds of love
05: The grey commute
06: September again
07: Sightseer
08: This fractured mind
09: Weak in your light
10: Too much, enough
11: Automobile
12: The wall & I
Zugabe:
13: A new goodbye
14: On Division St
15: Across that fine line

Kontextkonzerte:

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