Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Smile

Squid - Köln, 05.09.2023

Wow, was für ein großartiger Abend. Was für ein schönes Konzert! Irgendwie passte an diesem Abend alles zusammen. Squids Debütalbum Bright green field habe ich in den letzten Jahren rauf und runter gehört, ich habe die Band mittlerweile ein paar Mal gesehen und war ehrlich gesagt noch nie so begeistert wie nach diesem Konzertabend.

Ursprünglich war das Squid Konzert in der Kölner Kantine an der Neusser Straße angesetzt. Ich habe keine Ahnung, ob das Konzert nun hoch- oder runterverlegt wurde, aber als ich die Ansetzung im Gebäude 9 sah, kaufte ich spontan ein Ticket. Squid in der Kantine, darauf hatte ich vorher zugegebenermaßen wenig Lust. Und ehrlich gesagt, ich hatte das Konzert auch gar nicht mehr auf dem Schirm. Aber Squid im Gebäude 9 passte. So konnte ich gemütlich mit der Bahn anreisen und mir eine Autofahrt plus nervige Parkplatzsuche, die an der Kantine durchaus gegeben ist, sparen. Perfekt.
Perfekt auch, dass das Gebäude 9 zwar voll, aber wohl nicht ausverkauft ist. So war es in der durch die Septembersonne aufgeheizten und noch recht warmen Halle aushaltbar und angenehm. Dass es das für mich sein würde, war anfangs nicht so klar. Ich bin zwar pünktlich um kurz vor acht am Gebäude 9, verquatsche aber die nächste halbe Stunde vor dem Einlass auf dem Schotterplatz. Als ich dann zu den letzten Songs der Vorband Smile in die Halle komme, klebe ich erstmal am Eingang fest. Es sieht voll aus, es ist gut besucht. Im Halbdunkeln sind die freien Stellen im Saal nur schwer auszumachen, aber sie gibt es. In der Umbaupause ist es mühelos machbar, bis vor die Bühne zu gelangen. ‚Das klappt ja schon mal besser als damals’, denke ich. ‘Damals’, damit meine ich den Besuch des Squid Konzerts 2021 an gleicher Stelle und unter gleichen Bedingungen. Auch seinerzeit war ich etwas spät und das Gebäude 9 war sehr voll. Damals gab es keine Möglichkeit, weiter nach vorne zu kommen; vielleicht wollte ich das bei meinem ersten Post-Corona Konzertbesuch in einem kleinen Club auch gar nicht. In Summe hatte ich seinerzeit einen nicht so guten Abend. Dieses Mal ist es besser.

Die Bühne ist voll. Die fünf Jungs Ollie Judge, Louis Borlase, Arthur Leadbetter, Laurie Nankivell und Anton Pearson haben viele Instrumente mitgebracht. Batterien an Gitarren, drei Keyboards, das bühnenmittig am Rand aufgebaute Schlagzeug, Schellen, Rasseln und anderes Zeugs. Darunter auch ein E-Kontrabass. Sehr viel Kram für eine gefühlt zu kleine Bühne. Egal, Squid fühlen sich wohl, der Soundcheck und Aufbau verläuft launisch locker.

Um kurz nach neun starten sie ihr Konzert. Zuvor habe ich die Vorband Smile größtenteils verpasst. Smile wurden erst am Nachmittag nachnominiert, nachdem der eigentliche Support Clarissa Connelly kurzfristig absagen musste. Das fand ich nicht so schlimm, ich hatte mir die Singersongwriterin nachmittags zwei, drei Songs lang angehört und dann entschieden, dass ich sie nicht unbedingt sehen muss. Smile klingen da in meinen Ohren schon interessanter. Die Band aus Köln bzw. Bonn um die Sängerin Rubee klingt wie eine Mischung aus Dry cleaning und The Fall. Ihr Debütalbum Price of progress erscheint alsbald oder ist just erschienen, so genau habe ich das nicht mitbekommen. Ich denke, ich werde die lokale Band sicher noch öfter in dem ein oder anderen Konzert sehen, dann lässt sich das klären. Ich freu mich drauf!
Vor mir steht ein Mann mit schwarzem Black Midi, New Road T-Shirt. Black Midi und Black Country, New Road sind neben die Squid anderen beiden Bands der ersten Post-Post-Punk Welle, die Anfang der 2020er Jahre durch die britische Musik rauscht. In den letzten drei Jahren haben die beiden Bands zur Weihnachtszeit gemeinsam Livekonzerte in der Londoner Windmill gespielt. Man kennt sich entweder aus der Windmill, dem bevorzugten Club all dieser Musiker oder vom Label Speedy Wonderland, auf dem nicht nur Black Midi und Black Country, New Road ihre ersten Songs veröffentlicht haben, sondern auch Squid.
Das T-Shirt ist der Beleg einer dieser Weihnachtskonzerte. Da gehört und passt so einiges zusammen, vor und auf der Bühne. Die Zielgruppe ist also vor Ort. Und ich zähle mich dazu, schätze ich doch ebenso beide Bands sehr. Neben einer ganzen Menge anderer Bands, die seit etwa vier Jahren das Genre Post-Post-Punk auf ganz unterschiedliche Weise für sich entdeckt haben. Vor vier Jahren sah ich Squid erstmals live. In Kortrijk, im Rahmen des Sonic City Festivals, zusammen mit anderen, damals noch Genrenewcomern wie PVA, Shame oder The Murder Capital. Seinerzeit vermerkte ich nur: ‘Toll. Geschrei und Trompete passen gut zusammen.‘

Das stimmt auch 2023 noch, obwohl das Geschrei weniger geworden ist. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass Ollie Judge nun weniger singt und spricht und brüllt als bei früheren Konzerten. Ich mag mich täuschen, doch die neuen Songs, die ich an diesem Abend erstmals bewusst höre, wirken auf mich weniger textlastig und mehr instrumentenfocussiert. Ich gebe aber zu, dass ich das Album noch nicht gehört habe; könnte also auch quatsch sein, den ich hier schreibe. Ihr zweites Album O Monolith veröffentlichten die Engländer im Juni; es macht konsequent da weiter, wo das Debüt aufgehört hat: vertrackte und zugleich tanzbare Songs, etwas mehr Trompete und neu ein von Arthur Leadbetter gespielter elektrischer 4-saitiger Kontrabass. Es sind weniger die wilden Gitarren, es sind nun eine Vielzahl an Tönen und Instrumenten, die den Squid Sound auszeichnen. Inklusive eines kleinen Techno Jam Schnippels, streckenweise blubbert und plinkt es wie bei The Notwist.

Squid beginnen mit „Swing (in a dream)“ vom neuen Album O Monolith. Es ist einer von sechs neuen Songs, den die Band an diesem Abend spielen wird. Squid spielen eine gute Stunde lang und ich merke schnell, dass sich ihr Sound weiterentwickelt hat. Das gefühlte Durcheinander ist noch größer geworden: die Trompete höre ich öfter, die breiten Keyboardwände in dieser Form erstmals bei Squid. Auch das Electro Dance Boogie Zwischenstück nach vier oder fünf Songs ist beispielhaft für die stetige Fortschreibung des Squid Sounds. Es sind jetzt nicht nur die abgehackten Gitarrenriffs, Erzählgesang und hier und da etwas Trompete. Da ist jetzt mehr. „Boy racer“ und „Pamphlets“ – die Hits vom Debütalbum – stehen nicht auf der Setliste. Ich vermisse sie nicht, denn ehrlich gesagt habe ich sie live auch oft genug gehört. Mir reicht es erst einmal. Und der Band scheinbar auch.  Der Blickpunkt liegt eindeutig auf den neuen Sounds, das alte läuft so nebenher: „Narrator“ (der andere Hit von Bright green field) und „Documentary filmmaker“, früher ein zentraler Song bei Squid Konzerten, stehen an diesem Abend nicht im Mittelpunkt. Das sind eher „Undergrowth“ oder das Doppel „Devil’s Den“ und „After the flash“. Hier dreht die Band so richtig auf und der Squid Sound nimmt gar Progrock-hafte Züge an.

Ich bin gespannt, wie es bei Squid weitergeht. Die Liveumsetzung der neuen Songs finde ich sehr gut und enorm spannend. In jedem Song gibt es etwas zu entdecken. Langweilig oder langatmig ist ein Squid Konzert nicht. Und es ist nach wie vor aufkratzend intensiv. Und dieses Gefühl ist immer noch das Beste bei einem Squid Konzert. Was kommt da wohl als nächstes, Progrock?

Setlist:
01: Swing (in a dream)
02: Peel St.
03: Interlude
04: Undergrowth
05: G.S.K.
06: Devil’s Den
07: After the flash
08: If you had seen the bull’s swimming attempts you would have stayed away
09: Documentary filmmaker
10: Narrator
11: The Blades

Kontextkonzerte:
Squid – Zeitgeist Festival Nijmegen, 03.12.2022
Squid – Primavera Sound Festival Barcelona, 09.06.2022
Squid – Köln, 11.10.2021 / Gebäude 9
Squid – Transformer 4 Festival Maastricht, 18.01.2020
Squid – Sonic City Festival Kortrjik, 10.11.2019

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