Bei unserem letzten Besuch in Skopje bezogen wir erstmals ein Hotel am Stadtrand, oder naja, fast am Stadtrand. Das Double Tree by Hilton Skopje liegt im Stadtbezirk Aerodrome und direkt am Fluss Vardar. Wir wählten dieses Hotel, da es vom Flughafen aus am schnellsten und einfachsten zu erreichen ist. Unser Flug landete um kurz nach Mitternacht, da sollte es schnell und unkompliziert gehen. Dass es dann nicht schnell ging, lag daran, dass Austrian Airlines unsere Koffer in Wien vergaß und wir eine gute Stunde darauf warteten, bis sich jemand unseres Problems annahm und die Verlustanzeige aufnahm. Aber das ist eine andere Geschichte. Später als gedacht erreichten wir also das Hotel. Aber auch noch spät in der Nacht wurden wir gut empfangen und nach dem Frühstück am nächsten Morgen ging es weiter in Richtung Stadtzentrum.
Und nun kommt die eigentliche Geschichte.
Da dieses Hotel und unser Ziel im Stadtzentrum direkt am Vardar liegen (oder nicht allzu weit davon entfernt), entstand die Idee, entlang des Flusses zu spazieren. Das Wetter war okay, die Entfernung zwischen den beiden Orten nicht allzu groß. Es gab also nichts, was wirklich dagegensprach. Also gesagt und getan. Und eine schöne Gelegenheit, den Weg ein bisschen zu dokumentieren.
Der Vardar ist mit 388 km der längste Fluss Nordmazedoniens. Mit einer Gesamtlänge von rund 960 Kilometern ist es der drittlängste Fluss in Europa nach der Wolga und der Donau. Der Vardar erstreckt sich von seiner Quelle im nordwestlichen Nordmazedonien bei der Stadt Gostivar bis zur Mündung in die Ägäis bei Thessaloniki. Somit verläuft der Großteil von 301 der 388 km auf dem Gebiet von Nordmazedonien, die verbleibenden 87 km verlaufen auf dem Gebiet Griechenlands. Gute 4 km davon verlaufen zwischen unserem Hotel und der alten Steinbrücke im Stadtzentrum. Die Flusspromenade ist anfangs breit; es gibt hier und da Grünflächen und parkähnliche Strukturen.
Die erste Landmark ist das Hotel Russia und das Sportscenter Jane Sandanski. Hier trägt der RK Vardar Skopje – Handball EHF-Champions-League-Sieger 2017, 2019 seine Heimspiele aus. Nebenan liegen die Tennisplätze der Tennisakademie Aerodrom.
An einem Park vorbei geht es unter der ersten Brücke hindurch. Auf der anderen Flussseite wird reichlich gebaut. Die Hochhäuser der Скопје Риверсајд/ Skopje Riverside werden langsam aber stetig hochgezogen. Wer soll hier wohnen? Im Hintergrund sind die rot-weißen Türme der Heat Energy weithin sichtbar. Der Fluss schlängelt sich. Nach einem seichten Rechtsbogen des Vardar nähern wir uns langsam der Innenstadt. Die Bebauung wird städtischer und reicht jetzt bis an den Fluss heran. Es bleibt nur noch ein schmaler Grünstreifen, auf dem die Flusspromenade verläuft. Die Eisenbahnbrücke, die zum Hauptbahnhof Skopjes führt, quert nun den Vardar. A pro pos, kurz und knapp: Skopje ist die Hauptstadt Nordmazedoniens und mit über 520.000 Einwohnern zugleich die größte Stadt des Landes. Über 28 % der Landesbevölkerung lebt in Skopje. Von den Römern gegründet wurde der Ort lateinisch Scupi genannt, was, wie ich finde, sehr lustig klingt.
Auf dieser Seite des Flusses liegen Wohnsiedlungen. Häuser, mal kleiner, mal etwas größer. Die gegenüberliegende Seite ist spannender. Mächtig und schwarz ragt der Turm des Macedonian Radio Television (MRT) in die Höhe. Nach den vier Cevahir Towers ist er das zweithöchste Gebäude Skopjes.
It’s a big building, painted black on the Skopje panorama, but as getting closer to it, the spectator cannot escape the feeling that entire sections of it seem to be abandoned, hence the sense of decay.
https://www.thiscityknows.com/
Ob das so ist, kann ich nicht sagen. Der Eindruck ist jedoch richtig. Ich habe ihn auch. Neben dem Gebäudekomplex des MRT befindet sich das Youth Cultural Center (YCC).
The Youth cultural center was founded back in 1972 under the name “Youth Home – May 25”. The main task and purpose of the YCC is to promote the culture, cultural and scientific values of young people. With a rich program, encompassing all cultural expressions (music, film, theater, literature…), science, workshops and lectures, debates and debate clubs, from the very beginning the YCC has taken a strategic position in the lives of young people in the City of Skopje, but also all over the republic. Renamed at the beginning of the 90s, with the independence of the Republic of North Macedonia, the Center remains on the same course – promotion and presentation of cultural values, but at the same time the most important point of socializing, exchange of ideas, place for free expression of the youth. The sole purpose of YCC is to produce, stimulate and promote contemporary cultural events and works by various domestic and international creators, to encourage the creation of links between them as well. In addition to its own annual program, which includes more than 300 events (exhibitions, theater plays, promotions, workshops, concerts, debates, and film screenings), the YCC also works as a service to numerous NGO’s and individual artists in the field. In addition to individual events, the YCC is behind the organization, planning and full realization of three international festivals and events – the International theater festival MOT, the European film festival CINEDAYS, as well as the new music festival – ZDRAVO MLADI.
https://mkc.mk/en/about-ycc/
Wir gehen weiter. Nach der Unterquerung der Mutter Theresa Brücke ist man dann wirklich im Zentrum Skopjes angelangt.
A1, das Emblem des Telekommunikationsanbieters ist weithin sichtbar auf dem Dach des Firmenhauptsitzes sichtbar. A1 – eine österreichische Telekommunikationsfirma mit Ablegern in vielen weiteren Ländern – bietet seinen sogenannten NOVA S Tarif mit 60GB/ unbegr. Sprechzeit und SMS für sagenhafte 14 Euro im Monat an. Zwischen Brücke und dem A1 Hauptgebäude liegt etwas unscheinbar die Muttergotteskirche Македонска Православна црква „Рожденство на Пресвета Богородица“.
Nach der nächsten Brücke, die wir nicht unterqueren, sondern auf Straßenniveau passieren, erstrecken sich auf der hiesigen Seite die ersten Restaurants und Pubs. Auf der anderen Seite stehen Regierungsgebäude im neo-antiken Stil: das Staatsarchiv, der Gerichtshof Nordmazedoniens, das Außenministerium sowie das Archäologische Museum. In zweiter Reihe die Philharmonie und die Oper.
Im Fluss liegt ein Piratenschiff. Es beherbergte oder beherbergt ein Restaurant. Es ist schwer auszumachen, ob es noch in Betrieb ist oder nicht. Früher lag ein paar Meter weiter Richtung Steinbrücke ein zweites Piratenschiff. Das wurde mittlerweile demontiert. Um ehrlich zu sein, es mutet auch ein bisschen komisch an, zwei Piratenschiffe in Nordmazedonien, einem Land ohne Meerzugang. Ob die Piratenschiffe auch dem Projekt Skopje 2014 zuzuordnen sind, glaube ich eher nicht. Die Gebäude und Skulpturen am Fluss und rund um den Platz Mazedoniens sind es definitiv. Skopje 2014 muss ich erklären: Unter Skopje 2014 war ein Projekt des ehemaligen Ministerpräsidenten Nikola Gruevski zur städtebaulichen Neugestaltung Skopjes. Es wurde im Jahr 2010 initiiert und sah eine visuelle Umgestaltung des Stadtbildes vor. Der Plan war es, Skopje in eine Barock-Stadt umzuwandeln. Gebäude wurden mit tempelähnlichen Motiven verziert, ein Triumphbogen wurde gebaut, übergroße Statuen aufgestellt. 2017 wurde das Projekt unter dem neuen Ministerpräsidenten Zoran Zaev gestoppt. Der britische Independent schreibt dazu:
Skopje, Macedonia – Quick quiz. Which of the following makes sense?
a) Three pirate ships on a river in a landlocked country in the Balkans;
b) A 47-foot-high bronze statue of an ancient warrior that is Alexander the Great and is also not Alexander the Great; or
c) A house dedicated to Mother Teresa, a saint known for her modesty, done up in an opulent style that can best be described as Miami meets The Flintstones.
Answer: None, unless you are in Skopje, Macedonia. They all have a home there as part of a long-running face-lift for the city, which has turned it into what could be one of the kitschiest capitals on the planet.
Doch zurück zum Vardar. Auf der Höhe der Regierungsgebäude verbinden die Brücke der Kunst und die Brücke der Zivilisation die beiden Flussseiten. Hier ist einer von Skopjes Tourihotspots; sehr zurecht, wie ich finde. Der architektonische Clash wirkt einerseits befremdlich, andererseits macht er neugierig.
Hinter der Brücke der Zivilisation liegt der Platz Mazedoniens mit der sehr großen – 22 Meter – Alexander Statue. Hier endet unser kleiner Stadtspaziergang entlang der Vardar. Oder heißt es des Vardar? Im gesamten Artikel habe ich mich, ohne es richtig zu wissen, auf der Vardar geeinigt. Im Internet fand ich leider keine Angaben zum Artikel. Über die alte Steinbrücke führt der Weg zum zweiten großen Denkmal, es symbolisiert Phillip II.. Ziemlich genau in der Mitte des Flusses entdeckt man etwas unscheinbar eine dritte Skulptur: den Denkmaltaucher. Es zeigt zwei Personen, die in den Fluss springen. Für mich ist es das schönste Denkmal von allen.
Hinweis: Alle Fotos habe ich mit meiner Sony Cybershot RX 100 gemacht.
Über Stock und Stein: