Ort: Parkstad Limburg Theaters, Heerlen
Vorband: Jesca Hoop
Die Eels. Die Band um Mark O. Everett ist immer für eine Überraschung gut. Auf ihrer vorletzten Tour gab es im Vorprogramm eine Dokumentation über Mark O. Everetts Vater, den Physiker und Quantenforscher Hugh Everett.
Beim letzten Mal enterten die beiden Musiker Chet und Mark O. Everett wie Boxer den Saal und spielten ein Akustikset. Vor Jahren reichte den Eels die eigene Band nicht, im Frack und Zylinder traten sie zusammen mit einem kleinen Orchester in einer stickig warmen Live Musik Hall auf.
Die 2008er Konzerte waren mit das interessanteste und verstörteste an Liveauftritten, die ich gesehen habe. „Weird“, war Mr E.’s Lieblingswort. Jedes Kapitel, jeder Song, das Publikum, die Geschichten des Tages vor dem Konzert, alles ‚weird‘. Mr E. selbst war es auch. Kauzig, merkwürdig, ’superweird‘.
Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen hatten all meine bisherigen Eels Abende eine große Gemeinsamkeit. Es waren hervorragende Konzerte.
Vor einigen Tagen spielten die Eels, die derzeit auch auf beinahe jedem Festival auftauchen, ein Konzert in Köln. Da allerdings zuvor der Termin in Heerlen bestätigt wurde, hatte ich mein Ticket bereits für die niederländische Stadt in der Tasche und ließ das näherliegende Köln Konzert links liegen.
Heerlen bietet wunderschöne Konzertsäle. Das Theater, verkehrsgünstig an der A4 bzw. N281 gelegen oder das Nieuwe Nor im Stadtzentrum. Beides moderne, gut funktionierende und von der Akustik her ansprechende Säle, die eigentlich mehr als nur gelegentliche Fahrten über die Grenze rechtfertigen würden. Und da die niederländische Grenze nicht allzu weit entfernt ist, fand ich mich ratzfatz auf der A4 wieder.
Im Foyer überraschte uns der detaillierte Ablaufplan. Ein lokaler Künstler sollte um 20.20 den Abend eröffnen, bevor um 20.50 Jessica Hopp und um 21.40 Uhr die Eels auf die Bühne gehen sollten. Für 23.45 Uhr war die „Sperrstunde“ angesetzt.
Na dann ist ja alles klaro. Zeitlich zumindest. Es wird ein langer Abend. Aber wer ist der lokale Künstler.
Der Saal im Theater ist toll. Es ist nicht der Theatersaal selbst, sondern ein kleiner Veranstaltungsraum. Ich schätze mal, ausgelegt für ca. 1000 Besucher, die ihn im Laufe des Abends auch füllten. Mit Parkettboden empfängt uns der Raum, der breiter als tief ist. Die Temperaturen sind angenehm, das Licht theateresk. Im hinteren Teil schließen sich in zwei Ebenen Sitzplatzreihen an, die Bühne, gegenüberliegend, ist sehr aufgebaut hoch. Ich könnte mein Kinn an der Bühnenkante aufstützen mache das aber nicht. Stattdessen schaue ich mir die Schuhe eines Clowns an.
Marcello heißt der lokale Luftballon-Figurenbastler-Clown, der den Abend eröffnet. Clown ist dabei wörtlich gemeint, nicht im übertragenen Sinn. Heerlen ist zwar eine Karnevalshochburg, auf einer meiner vorherigen Fahrten in die Stadt entdeckte ich kurz hinter der Autobahnabfahrt eine Filiale des Karnevalswirtz, aber muss man deswegen einen Mann im Clownskostüm auf die Bühne schicken.
Ein wenig verwundert blickten wir uns an, als Marcello der Clown knappe 20 Minuten lang Luftballons zu Hunden, Herzen und anderlei Figuren formte. Nicht mehr und nicht weniger.
‚Weird‘, hätte Mark O. Everett vor einigen Jahren dazu gesagt.
Oh ja, das war schon eine Nummer, bevor pünktlich um 20.50 Uhr Jesca Hoop, eine amerikanische Singer-Songwriterin, die nach eigenen Angaben schon oft und ausgiebig ein Eels Vorprogramm bestritten hat, für gute fünfunddreißig Minuten auf die Bühne kam.
5 Songs spielte sie, drei ausufernde Geschichten über ihre Mutter, ihren Bruder und noch jemanden erzählte sie. Mehrmals während ihres Auftritts kam mir Noel Gallaghers Ausspruch „shut up and play one“ in den Sinn. Obwohl ihr stimmlicher Umfang von Cyndi Lauper über diverse Bangles- Stimmen bis hin zu Cat Power mit Abwechslungen nicht sparte, reichte es für mich nicht. Die halbe Stunde rutschte völlig an mir vorbei. Tja, so ist das manchmal.
Jesca Hoop hat in den letzten fünf Jahren drei Alben veröffentlicht. Als ich ihren Wikipedia Eintrag lese und dort öfter den Namen Guy Garvey, dämmert es mir. Gestern hatte ich noch das Gefühl, Jesca Hoop schon einmal live gesehen zu haben, jetzt glaube ich fest daran. Machte sie nicht auch das Vorprogramm beim letzten Elbow Konzert im Luxor? Ich recherchier das mal …
Wie man merkt, ist sie mir nicht sonderlich im Gedächtnis geblieben. Das wird sich auch nach diesem Abend nicht ändern.
Kurze Pause. ZZ Top. Eels.
Im letzten Jahr erschien ihr mittlerweile achtes Album. Ich kenn es kaum, muss ich zu meiner Schande gestehen. Die Eels finde ich zwar immer toll, ihre Songs jederzeit hörbar, aber ich habe es in den letzten Monaten kaum getan. Auch den Vorgänger Hombre Lobo kaufte ich direkt in der Erscheinungswoche, hörte das Album aber bis heute vielleicht ganze drei Mal. Die Eels und ich haben, was das Eels– Platten hören angeht, eine komische Beziehung. Meine Livebeziehung ist intensiver. Dieses war mein fünftes oder sechstes Eels Konzert, Fan scheine ich doch irgendwie zu sein.
In Heerlen kamen sie zu siebt. Als Rockband. Neben dem Eels Stammpersonal Mr E. und Chet bildeten noch zwei Gitarristen, Schlagzeuger Knuckles sowie zwei Trompeter die Eels– Band.
Wie komme ich jetzt auf Bruce Springsteen? Ah, später.
Die Eels– Band hatte keinen Kleiderkodex, nein, sie hatte einen „Gesichts-Kodex“. Sieben Männer mit Rasputinbart. Den dichtesten hat Mr E. persönlich, den dünnsten Chet. Die anderen fünf pendelten sich in Richtung Mr E.’s Bart ein. Also doch ZZ Top. Äußerlich auf alle Fälle, musikalisch bin ich zu wenig im ZZ Top Werk drin, als das ich das behaupten könne.
Oder klingen ZZ Top wie Sly & The Family Stone? Ich glaube nein, aber bevor ich jetzt zu weit ins Wirre abdrifte, beende ich das lieber.
Die Eels coverten Sly & The Family Stone. Und das gleich zweimal: „Somebody’s watching you” und “Hot fun in the summertime”. Bemerkenswert. Eigenes Material hätten sie auch genug gehabt. Doch es tauchte im Set kein einziger Song aus dem Album End times auf.
Aber Mark O. Everett ist halt immer für Überraschungen gut und die Eels covern seit je her auf ihren Konzerten Zeugs von anderen Bands.
Das Rockbandkonzept war grundsätzlich toll, mit starkem Bläserchor und vier Gitarren kam Fahrt in die Songs, umgekehrt blieb aber die Schwermütigkeit auf der Strecke.
Aufgefallen ist mir das bei „I like birds“, das im Anschluss von „Novocaine“ und „Souljacker“ in ähnlichem Tempo – für mich eindeutig zu rasant – gespielt wurde, und bei „My beloved monster“ oder „Climbing the moon“, die in der Instrumentenmenge untergingen und viel von ihrem Charme einbüßten.
Und noch was ist mir aufgefallen: Sehr oft klangen die Eels in dieser Besetzung wie Bruce Springsteen mit E- Street Band.
Rock Star Zeug mit Schrulligkeit.
Setlist:
01: In gratitude for this magnificent day
02: That’s not really funny
03: Flyswatter
04: Somebody’s watching you
05: Grace Kelly Blues
06: Packing blankets
07: Prizefighter
08: My beloved monster
09: Fresh feeling
10: That’s not her way
11: Tremendous dynamite
12: I like the way this is going
13: Climbing the moon
14: This is where it gets good
15: Saturday morning
16: That look you give that guy
17: Hot fun in the summertime
18: Novocaine for the soul
19: Souljacker, Part I
20: I like birds
21: Beginner’s luck
22: Losing streak
Zugabe I:
23: Last Stop: This town
24: P.S. You rock my world
Zugabe II:
25: Fresh blood
26: Looking up
Kontextkonzerte:
Eels – Köln, 20.02.2008
Eels – Washington DC, 29.03.2008
Hm, kann mir nicht so recht vorstellen, wie Mr. E live den Boss raushängen lässt. Außerdem steht die Eels’sche Schrulligkeit einer etwaigen Verwechslung im Weg ;) Hört sich auf alle Fälle nach einem so haarigen wie feinen Konzert an. Irgendwie habe ich diese Tour verschlafen, aber wenn die Eels nach den letzten 3 Alben keine längere Pause einlegen, werde ich mir das nächste Konzert nicht entgehen lassen. Da fühle ich mich durch deinen Bericht in meinem Vorhaben bestätigt.