Ort: Luxor, Köln
Vorband: Bo Ningen

Savages - Jehnny Beth

Bo Ningen waren gut. Die japanisch/englische Gruppe eröffnete das Savages Konzert in Köln und ist auch auf der gesamten Adore life Tour als Vorband am Start. Savages verbindet eine Geschichte mit Bo Ningen. Im vorletzten Jahr traten beide zusammen bei Le Guess who Festival und anderswo auf, um Words to the Blind auf die Bühne zu bringen. Words to the Blind ist ein 37 minütiges ein-Song-Album, das die beiden Bands zusammen veröffentlicht haben. Die Grundidee hinter dieser Zusammenarbeit hat etwas mit Dadaismus zu tun und dem parallelen Abspielen von unterschiedlichen Songs, wenn ich das Konzept so richtig verstanden habe. Live haben sie hierzu eine Bühne in U-Form installieren lassen, auf der sich beide Bands gegenüber stehen und gemeinsam unterschiedliches Zeugs spielen. Ich habe das nicht selbst gesehen, es wurde mir so erzählt. Das Erzählte klang sehr spannend und ich habe mich seinerzeit schon etwas geärgert, dass ich ihr Konzert nicht selbst gesehen habe. Da das wohl ein einmaliges Projekt war, ist dieser Zug abgefahren. Unabhängig von dieser Zusammenarbeit scheinen beide Bands dicke zu sein. Jehnny Beth höre ich auf Bo Ningens Album III. Und nun begleiten die japanischen Acid Rocker (so sagt Wikipedia) Savages auf ihrer Tour.
Bo Ningen verband ich bisher mit Metal in der Art von Sunn 0))). Und ich hielt sie für eine dieser überdrehten verrückten Japanbands, die mit abstrusen Gitarren einfach nur Lärm verbreiten. Einen Song kannte ich von Bo Ningen nicht.
Als die Japaner, die schon längere Zeit in England leben, die Bühne betraten und den ersten Song gleich auf viele Minuten ausdehnten, war ich zum ersten Mal positiv überrascht. Die zweite Portion Überraschung folgte Minuten später beim zweiten Song. Wow, so verkehrt klingt das überhaupt nicht. Oder wie es die NZZ schreibt:

Das Londoner Quartett Bo Ningen nimmt aus der Psychedelik die Verspieltheit und aus Hardcore die Intensität. Die Resultate entziehen sich jeder Kategorisierung. Aber die Musik ist sehr laut.

Das war auch mein Eindruck. ‘Wie eine japanische Variante von Monster Magnet‘, kam mir im Laufe der gut halbstündigen Auftritts in den Sinn. Dass ich diesen Gedanken nicht exklusiv hatte, erfuhr ich im Pausengespräch. Ja, Bo Ningen kommen dem Monster Magnet Rock der 1990er Jahre auf eine gewisse Art und Weise nahe. Aber laut, laut war ihr Konzert nicht. Die Soundanlage im Luxor war auf gemäßigt eingestellt, unsere Befürchtungen, dass der Platz in unmittelbarer Nähe der Boxen suboptimal sei, waren unbegründet. Es ließ sich gut ertragen, so wie es sich in einem ausverkauften Luxor gut ertragen lässt.

Als Savages die Bühne betraten, war es stockdunkel. Jehnny Beth, Gemma Thompson, Ayse Hassan und Fay Milton geben sich wenig Mühe sich farblich abzuheben. Bis auf die roten Stöckelschuhe der Sängerin tragen die Musikerinnen schwarz. Endlich sehe ich Savages mal wieder live. Vor drei Jahren war das das letzte Mal der Fall, einmal in Köln und knapp davor in Den Haag. Savages hatten gerade ihr Debütalbum Silence yourself veröffentlicht, ein Riesenknaller nebenbei bemerkt, und überzeugten mich mit heftigem Post-Punk. So etwas hatte ich länger nicht mehr gehört und gesehen, ich wurde schnell süchtig nach „Husbands“, „She will“ und „Shut up“. Live coverten sie gerne „Dream baby dream“ (von der Band Suicide) und beendeten ihre Konzerte mit einer Langversion von „Fuckers“. „Dream baby dream“ hörte ich im Luxor leider nicht, „Fuckers“ kam erneut als letzter Song, aber nur in einer 5-Minuten Fassung. ‘Sie haben halt mittlerweile genug Songmaterial, um ein Konzert zu füllen‘, so unsere Erklärung dafür.
„Sad Person“ eröffnet das Konzert, und es ist von der ersten Sekunde an großartig. Gemma Thompsons Gitarre klingt, als gäbe es fünf Gitarren in der Band, so wild, melodiös, feedbackhaft und irre ist ihr Spiel. Fay Milton trommelt im Hintergrund wie immer als gäbe es kein Morgen mehr. Weit ausufernd sind ihre Armbewegungen. Das krasse gegenstück zu einem minimalistischen Schlagzeugstil. Es macht großen Spaß, ihr bei der Arbeit zuzusehen. Bei meinen bisherigen Konzerten konnte ich mich nie entscheiden, wen ich lieber sah. Der Gitarristin oder die Schlagzeugerin. Beide sind phänomenal.
An diesem Abend fiel meine Wahl jedoch auf jemand anderen: Ayse Hassan am Bass war nicht nur augenscheinlich guter Laune, sie spielte auch ihren Bass, sicherlich wie immer, einzigartig gut. Ich konnte ihr gut zusehen, da sie in meiner Blickrichtung stand. Wow, warum ist mir das bloß bisher nicht aufgefallen, wie gut sie ist.
Jehnny Beth zu übersehen ist unmöglich. Vom ersten Song an ist sie drin im geschehen. Mit leicht aggressiv provozierender Körpersprache turnt sie über die Bühne und durch den vor der Bühne abgetrennten Bereich. Dass, was wir vor Konzertbeginn irrtümlich für den Fotograben hielten, war und wurde nur für Jehnny Beth eingerichtet. „If you don’t love me, you don’t love anybody.“ heisst es in „The answer“; genauso trotzig und rotzig wie sich der Satz liest, ist ihr Auftritt. Und dazu diese weit geöffneten Augen, mit denen sie ins Publikum blickt. Das hat schon etwas einnehmendes, auch etwas dramatisches. Publikumskontakt ist da zwangsläufig. So steht Jehnny Beth mehrmals an der Gitterabsperrung und berührt Hände und Köpfe. Crowdsurfing (bei „Hit me“) vervollständigte ihren Bewegungsdrang. Oh ja, Jehnny Beth ist wohl die derzeitig beste Frontfrau im Geschäft.
Die Band ist also gut und das Konzert ist sehr stylisch. Weißes Licht dominiert, nach oben gerichtete Bodenstrahler beleuchten die vier Musikerinnen. Gemma Thompson wird gar nur durch das weiße Bodenlicht angestrahlt. Zeitweise wirkt das etwas spooky, im Gesamtwerk allerdings perfekt auf Band und Musik zugeschnitten.
Adore Life heißt das neue Album von Savages, es ist schwerer als ihr Debüt. Lauter. Steinhart. Das höre ich dem Konzert deutlich an. Die alten Songs wie „Husbands“ werden der neuen Ausrichtung angepasst in leicht abgewandelter Form gespielt. Mehr Rockgitarre, wenn ich das so schreiben kann. Oder Noise. Die Swans kommen mir in den Sinn. Ich weiss aber nicht, ob das passt. Zur endgültigen Klärung muss ich erst das Album abseits des Konzertes hören; bisher habe ich das nicht geschafft.

“Don’t let the fuckers get you down“, dieser gebetsmühlenartig formulierte Satz in “Fuckers” beschließt den Abend. Es ist nicht mehr das ganz große Finale. Vor drei Jahren war es noch das Ausrufezeichen zum Schluß. Jetzt ist es – so kam es mir vor – nur noch das letzte Lied. Durch die Wucht der Songs davor geht „Fuckers“ für mich etwas unter und verliert an Boden.
Eine Zugabe spielen sie nicht mehr. Aber wozu auch. Savages hatten doch bereits alles gesagt!

Kontextkonzert:
Savages – Köln, 20.11.2013 // Gebäude 9
Crossing Border Festival – Den Haag, 15.11. -16.11.2013
Primavera Sound Festival – Barcelona, 23.05.2013

 

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