Ort: Bi Nuu, Berlin
Vorband: Quilt

The war on drugs

The war on drugs aus Philadelphia gingen vollkommen an mir vorbei, bis ich vor einigen Wochen im Rahmen der Veröffentlichung ihres aktuellen Albums Lost in the dream folgendes las:

Leiden, zumal das melancholische, ist ja selten mit dramatischen Gefühlsausbrüchen verbunden, sondern tobt zumeist im Inneren, zum Beispiel, kurioserweise, beim Betrachten einer schönen Landschaft, eines Sonnenuntergangs oder souverän ausschreitender, Glück und Zufriedenheit verströmender Passanten beim Parkspaziergang, die alles zu haben scheinen, was man selbst schmerzlich entbehrt. So sitzt man dann auf der noch winterfeuchten Bank, blinzelt in die ersten wärmenden Sonnenstrahlen – und simmert in seiner inneren Unruhe. (spiegel.de)

Macht das neugierig auf eine Platte? Mich ja, und nur drei Klicke später landete Lost in the dream in meinem Warenkorb. Einige meiner Bekannten mögen das Album sehr und halten es für eines der besten des Jahres. Auch das ist ein Grund, mir die Band anzusehen.
In Köln in der letzten Woche wollte ich nicht, das Konzert in Berlin war schon fix und da es in Barcelona auf dem Primavera eine weitere Option gäbe, The war on drugs zu sehen, ließ ich den Heimattermin sausen. Zuviel in zu kurzer Zeit von einer Band ist nicht gut.
Das Bi Nuu ist ausverkauft, schon seit Wochen. Auch ein Fakt, der für die Band spricht. Aufgrund der Vorankündigung (schlechte Sicht von hinten, ausverkaufter Laden) waren wir relativ zeitig am Bi Nuu. Der Konzertsaal unterhalb der U-Bahn Station Schlesisches Tor ist an und für sich sehr schnicke, große Bühne, guter Sound, rechteckiger breiter Konzertraum. Hinzu kommt eine wohldosiert laufende Klimaanlage und ein an diesem Abend nicht proppenvolles ausverkauft, das für ein angenehmes Ambiente sorgte. Unsere Befürchtungen vor zu viel stickiger Luft und unangenehm flitschigem Körperkontakt bewahrheiteten sich Gott sei Dank nicht.
Eine Viertelstunde vor terminiertem Beginn betritt die Vorband Quilt, ein Quartett aus Boston, die Bühne. Gut, dass ich so zeitig da war; ich finde einen guten Platz im Saal, treffe den ein oder anderen Bekannten und warte gespannt auf The war on drugs. ‚Die spielen 2 Stunden‘. Ich bin mir nicht sicher, wie ich diese Aussage aufnehmen soll. Einerseits mochte ich das Album Lost in dreams sehr, andererseits sind die teils sehr langen und mit Gitarrensoli durchsetzten Songs live vielleicht etwas eintönig und auf Dauer zermürbend.
Aber hier sind meine Zweifel unangebracht, denn bereits der erste Song, „An ocean in between the waves“ lässt mich die Gedanken vergessen. Adam Granduciel hat mich sofort gepackt, die starken Rockanleihen direkt zu Beginn („An ocean in between the waves“ klingt wunderbar altbacken) begeisterten mich enorm.
Obwohl ich bis dato nicht so auf diese Art Rock stehe, allgemein nennt man das wohl Heartland Rock und meine Bruce Springsteen Plattensammlung ist bis auf den Quatschkauf Born in the USA nicht existiert, bin ich angetan. Ich mochte die Waterboys („The whole of the moon“ ist nach wie vor eines meiner Lieblingslieder) und auch Bruce Hornsby’s „The way it is“ ist so schlecht nicht.
The war on drugs bzw. die Stimme von Adam Granduciel ist in einigen Momenten nicht sehr weit davon entfernt („Red eyes“). Das sind komische Assoziationen, merkwürdig zu lesen sicherlich, denn die Musik ist natürlich ganz anders als der Klavierpop eines Bruce Hornsby. Konsequent dann die Bill Fay Coverversion „I hear you calling“, die hundertprozentig in diese Rockgemengelage passt und die The war on drugs in der mitte ihres Konzerts spielen.

Von The War on drugs kenne ich nur das aktuelle Album. Die Anfangsphase der Band (sie haben bereits drei Alben veröffentlicht), als ihr auch noch Kurt Ville angehörte, sind mir unbekannt. Für diesen Konzertabend reicht dieses Wissen jedoch allemal, denn das aktuelle Album ist der musikalische Schwerpunkt des Konzerts. Neben „Red Eyes“, „An ocean between the waves“ spielen sie auch die schönen „Under the pressure“, „Lost in a dream“ und nach 90 Minuten als letzten Song „In reverse“.
Bis auf die Zugabe ist damit das Konzert durch. Und ich bin wirklich überrascht, wie gut es mir gefällt. Die langen Gitarrensoli irritieren mich nicht, was sicher auch daran liegt, dass sie ohne fiese Soligesten vorgetragen werden. Hinzu kommt der großartige Einsatz von Saxophon (das kommt in der aktuellen Indierockmusik immer mehr auf), Horn oder Trompete, der so passend ist wie die Schrippe zur Currywurst.
Es war ein sehr gutes Konzert.

Dass es ein Abend der langen Lieder wurde, liegt auch an der Vorband Quilt. Die Bostoner spielen Songs, in die andere Bands ganze Konzerte packen. Quilt erscheinen mir sehr unspektakulär, haben aber sehr wohl ihre spektakulären Momente. Meist sind die dann, wenn die Keyboarderin die Gesangsparts übernimmt.
Von der Band hatte ich bisher nichts gehört und ich fürchte, das wird sich auch in der Zukunft wenig ändern. Wie so viele Vorbands sind sie mir angenehm für einen Abend, geraten aber danach schnell in Vergessenheit. Permanent mitplotten tue ich diese Bands nicht, auch Quilt nicht. Dafür sind sie mir in den guten 45 Minuten nicht aufregend genug.

Setlist:
01: An Ocean in between the waves
02: Baby Missiles
03: Comin‘ through
04: Eyes to the wind
05: Red Eyes
06: Suffering
07: Under the pressure
08: Burning
09: I hear you calling
10: Arms like boulders
11: Your love is Calling my name
12: The animator
13: Come to the city
14: In reverse
Zugabe:
15: I was there
16: Lost in the dream
17: Brothers

Kontextkonzerte:

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